diesem Alter gewesen war, und dieses flößte dem¬ selben eine unwillkürliche Achtung vor dem Sohne ein, in welchem er mit verwirrtem Gewissen und gepeinigter Erinnerung seine eigene Jugend achtete. Trotz dieser Freiheit, welche Sali ge¬ noß, ward er seines Lebens doch nicht froh und fühlte wohl, wie er nichts Rechtes vor sich hatte und eben so wenig etwas Rechtes lernte, da von einem zusammenhängenden und vernunftge¬ mäßen Arbeiten in Manzens Hause längst nicht mehr die Rede war. Sein einziger Trost war daher, stolz auf seine Unabhängigkeit und einst¬ weilige Unbescholtenheit zu sein, und in diesem Stolze ließ er die Tage trotzig verstreichen und wandte die Augen von der Zukunft ab.
Der einzige Zwang, dem er unterworfen, war die Feindschaft seines Vaters gegen Alles, was Marti hieß und an diesen erinnerte. Doch wußte er nichts besseres, als daß Marti seinem Vater Schaden zugefügt und daß man in dessen Hause eben so feindlich gesinnt sei, und es fiel ihm daher nicht schwer, weder den Marti noch seine Tochter anzusehen und seinerseits auch einen angehenden ziemlich gleichgültigen Feind vorzu¬
dieſem Alter geweſen war, und dieſes flößte dem¬ ſelben eine unwillkürliche Achtung vor dem Sohne ein, in welchem er mit verwirrtem Gewiſſen und gepeinigter Erinnerung ſeine eigene Jugend achtete. Trotz dieſer Freiheit, welche Sali ge¬ noß, ward er ſeines Lebens doch nicht froh und fühlte wohl, wie er nichts Rechtes vor ſich hatte und eben ſo wenig etwas Rechtes lernte, da von einem zuſammenhängenden und vernunftge¬ mäßen Arbeiten in Manzens Hauſe längſt nicht mehr die Rede war. Sein einziger Troſt war daher, ſtolz auf ſeine Unabhängigkeit und einſt¬ weilige Unbeſcholtenheit zu ſein, und in dieſem Stolze ließ er die Tage trotzig verſtreichen und wandte die Augen von der Zukunft ab.
Der einzige Zwang, dem er unterworfen, war die Feindſchaft ſeines Vaters gegen Alles, was Marti hieß und an dieſen erinnerte. Doch wußte er nichts beſſeres, als daß Marti ſeinem Vater Schaden zugefügt und daß man in deſſen Hauſe eben ſo feindlich geſinnt ſei, und es fiel ihm daher nicht ſchwer, weder den Marti noch ſeine Tochter anzuſehen und ſeinerſeits auch einen angehenden ziemlich gleichgültigen Feind vorzu¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0254"n="242"/>
dieſem Alter geweſen war, und dieſes flößte dem¬<lb/>ſelben eine unwillkürliche Achtung vor dem Sohne<lb/>
ein, in welchem er mit verwirrtem Gewiſſen<lb/>
und gepeinigter Erinnerung ſeine eigene Jugend<lb/>
achtete. Trotz dieſer Freiheit, welche Sali ge¬<lb/>
noß, ward er ſeines Lebens doch nicht froh und<lb/>
fühlte wohl, wie er nichts Rechtes vor ſich hatte<lb/>
und eben ſo wenig etwas Rechtes lernte, da<lb/>
von einem zuſammenhängenden und vernunftge¬<lb/>
mäßen Arbeiten in Manzens Hauſe längſt nicht<lb/>
mehr die Rede war. Sein einziger Troſt war<lb/>
daher, ſtolz auf ſeine Unabhängigkeit und einſt¬<lb/>
weilige Unbeſcholtenheit zu ſein, und in dieſem<lb/>
Stolze ließ er die Tage trotzig verſtreichen und<lb/>
wandte die Augen von der Zukunft ab.</p><lb/><p>Der einzige Zwang, dem er unterworfen,<lb/>
war die Feindſchaft ſeines Vaters gegen Alles,<lb/>
was Marti hieß und an dieſen erinnerte. Doch<lb/>
wußte er nichts beſſeres, als daß Marti ſeinem<lb/>
Vater Schaden zugefügt und daß man in deſſen<lb/>
Hauſe eben ſo feindlich geſinnt ſei, und es fiel<lb/>
ihm daher nicht ſchwer, weder den Marti noch<lb/>ſeine Tochter anzuſehen und ſeinerſeits auch einen<lb/>
angehenden ziemlich gleichgültigen Feind vorzu¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[242/0254]
dieſem Alter geweſen war, und dieſes flößte dem¬
ſelben eine unwillkürliche Achtung vor dem Sohne
ein, in welchem er mit verwirrtem Gewiſſen
und gepeinigter Erinnerung ſeine eigene Jugend
achtete. Trotz dieſer Freiheit, welche Sali ge¬
noß, ward er ſeines Lebens doch nicht froh und
fühlte wohl, wie er nichts Rechtes vor ſich hatte
und eben ſo wenig etwas Rechtes lernte, da
von einem zuſammenhängenden und vernunftge¬
mäßen Arbeiten in Manzens Hauſe längſt nicht
mehr die Rede war. Sein einziger Troſt war
daher, ſtolz auf ſeine Unabhängigkeit und einſt¬
weilige Unbeſcholtenheit zu ſein, und in dieſem
Stolze ließ er die Tage trotzig verſtreichen und
wandte die Augen von der Zukunft ab.
Der einzige Zwang, dem er unterworfen,
war die Feindſchaft ſeines Vaters gegen Alles,
was Marti hieß und an dieſen erinnerte. Doch
wußte er nichts beſſeres, als daß Marti ſeinem
Vater Schaden zugefügt und daß man in deſſen
Hauſe eben ſo feindlich geſinnt ſei, und es fiel
ihm daher nicht ſchwer, weder den Marti noch
ſeine Tochter anzuſehen und ſeinerſeits auch einen
angehenden ziemlich gleichgültigen Feind vorzu¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/254>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.