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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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lachenden Augen in des Bruders gefüllte Grube.
Alsdann warf er den Löffel weg, lamentirte und
schmollte, bis die gute Mutter die Schüssel zur
Seite neigte und ihre eigene Brühe voll in das
Labyrinth der Kanäle und Dämme ihrer Kinder
strömen ließ.

So lebte die kleine Familie einen Tag wie
den andern, und indem dies immer so blieb,
während doch die Kinder sich auswuchsen, ohne
daß sich eine günstige Gelegenheit zeigte, die
Welt zu erfassen und irgend etwas zu werden,
fühlten sich Alle immer unbehaglicher und küm¬
merlicher in ihrem Zusammensein. Pankraz, der
Sohn, that und lernte fortwährend nichts, als
eine sehr ausgebildete und künstliche Art zu
schmollen, mit welcher er seine Mutter, seine
Schwester und sich selbst quälte. Es ward dies
eine ordentliche und interessante Beschäftigung
für ihn, bei welcher er die müssigen Seelenkräfte
fleißig übte im Erfinden von hundert kleinen
häuslichen Trauerspielen, die er veranlaßte und
in welchen er behende und meisterlich den steten
Unrechtleider zu spielen wußte. Estherchen, die
Schwester, wurde dadurch zu reichlichem Weinen

lachenden Augen in des Bruders gefüllte Grube.
Alsdann warf er den Löffel weg, lamentirte und
ſchmollte, bis die gute Mutter die Schüſſel zur
Seite neigte und ihre eigene Brühe voll in das
Labyrinth der Kanäle und Dämme ihrer Kinder
ſtrömen ließ.

So lebte die kleine Familie einen Tag wie
den andern, und indem dies immer ſo blieb,
während doch die Kinder ſich auswuchſen, ohne
daß ſich eine günſtige Gelegenheit zeigte, die
Welt zu erfaſſen und irgend etwas zu werden,
fühlten ſich Alle immer unbehaglicher und küm¬
merlicher in ihrem Zuſammenſein. Pankraz, der
Sohn, that und lernte fortwährend nichts, als
eine ſehr ausgebildete und künſtliche Art zu
ſchmollen, mit welcher er ſeine Mutter, ſeine
Schweſter und ſich ſelbſt quälte. Es ward dies
eine ordentliche und intereſſante Beſchäftigung
für ihn, bei welcher er die müſſigen Seelenkräfte
fleißig übte im Erfinden von hundert kleinen
häuslichen Trauerſpielen, die er veranlaßte und
in welchen er behende und meiſterlich den ſteten
Unrechtleider zu ſpielen wußte. Eſtherchen, die
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[15/0027] lachenden Augen in des Bruders gefüllte Grube. Alsdann warf er den Löffel weg, lamentirte und ſchmollte, bis die gute Mutter die Schüſſel zur Seite neigte und ihre eigene Brühe voll in das Labyrinth der Kanäle und Dämme ihrer Kinder ſtrömen ließ. So lebte die kleine Familie einen Tag wie den andern, und indem dies immer ſo blieb, während doch die Kinder ſich auswuchſen, ohne daß ſich eine günſtige Gelegenheit zeigte, die Welt zu erfaſſen und irgend etwas zu werden, fühlten ſich Alle immer unbehaglicher und küm¬ merlicher in ihrem Zuſammenſein. Pankraz, der Sohn, that und lernte fortwährend nichts, als eine ſehr ausgebildete und künſtliche Art zu ſchmollen, mit welcher er ſeine Mutter, ſeine Schweſter und ſich ſelbſt quälte. Es ward dies eine ordentliche und intereſſante Beſchäftigung für ihn, bei welcher er die müſſigen Seelenkräfte fleißig übte im Erfinden von hundert kleinen häuslichen Trauerſpielen, die er veranlaßte und in welchen er behende und meiſterlich den ſteten Unrechtleider zu ſpielen wußte. Eſtherchen, die Schweſter, wurde dadurch zu reichlichem Weinen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/27>, abgerufen am 21.11.2024.