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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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gen, hatten die Wolken sich wieder geschlossen,
es dunkelte mehr und mehr und der Regen goß
nun in Bächen durch die Luft. Manz schlen¬
derte voraus auf den dunklen nassen Wegen, er
duckte sich, beide Hände in den Taschen, unter
den Regengüssen, zitterte noch in seinen Gesichts¬
zügen und mit den Zähnen und ungesehene
Thränen rieselten ihm in den Stoppelbart, die
er fließen ließ, um sie durch das Wegwischen
nicht zu verrathen. Sein Sohn hatte aber
nichts gesehen, weil er in glückseligen Bildern
verloren daherging. Er merkte weder Regen
noch Sturm, weder Dunkelheit noch Elend; son¬
dern leicht, hell und warm war es ihm innen
und außen und er fühlte sich so reich und wohl¬
geborgen, wie ein Königssohn. Er sah fort¬
während das sekundenlange Lächeln des nahen
schönen Gesichtes und erwiederte dasselbe erst
jetzt, eine gute halbe Stunde nachher, indem er
voll Liebe in Nacht und Wetter hineinlachte und
das liebe Gesicht anlachte, das ihm allerwegen
aus dem Dunkel entgegentrat, so daß er glaubte,
Vrenchen müsse auf seinen Wegen dies Lachen
nothwendig sehen und inne werden.


gen, hatten die Wolken ſich wieder geſchloſſen,
es dunkelte mehr und mehr und der Regen goß
nun in Bächen durch die Luft. Manz ſchlen¬
derte voraus auf den dunklen naſſen Wegen, er
duckte ſich, beide Hände in den Taſchen, unter
den Regengüſſen, zitterte noch in ſeinen Geſichts¬
zügen und mit den Zähnen und ungeſehene
Thränen rieſelten ihm in den Stoppelbart, die
er fließen ließ, um ſie durch das Wegwiſchen
nicht zu verrathen. Sein Sohn hatte aber
nichts geſehen, weil er in glückſeligen Bildern
verloren daherging. Er merkte weder Regen
noch Sturm, weder Dunkelheit noch Elend; ſon¬
dern leicht, hell und warm war es ihm innen
und außen und er fühlte ſich ſo reich und wohl¬
geborgen, wie ein Königsſohn. Er ſah fort¬
während das ſekundenlange Lächeln des nahen
ſchönen Geſichtes und erwiederte daſſelbe erſt
jetzt, eine gute halbe Stunde nachher, indem er
voll Liebe in Nacht und Wetter hineinlachte und
das liebe Geſicht anlachte, das ihm allerwegen
aus dem Dunkel entgegentrat, ſo daß er glaubte,
Vrenchen müſſe auf ſeinen Wegen dies Lachen
nothwendig ſehen und inne werden.


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[261/0273] gen, hatten die Wolken ſich wieder geſchloſſen, es dunkelte mehr und mehr und der Regen goß nun in Bächen durch die Luft. Manz ſchlen¬ derte voraus auf den dunklen naſſen Wegen, er duckte ſich, beide Hände in den Taſchen, unter den Regengüſſen, zitterte noch in ſeinen Geſichts¬ zügen und mit den Zähnen und ungeſehene Thränen rieſelten ihm in den Stoppelbart, die er fließen ließ, um ſie durch das Wegwiſchen nicht zu verrathen. Sein Sohn hatte aber nichts geſehen, weil er in glückſeligen Bildern verloren daherging. Er merkte weder Regen noch Sturm, weder Dunkelheit noch Elend; ſon¬ dern leicht, hell und warm war es ihm innen und außen und er fühlte ſich ſo reich und wohl¬ geborgen, wie ein Königsſohn. Er ſah fort¬ während das ſekundenlange Lächeln des nahen ſchönen Geſichtes und erwiederte daſſelbe erſt jetzt, eine gute halbe Stunde nachher, indem er voll Liebe in Nacht und Wetter hineinlachte und das liebe Geſicht anlachte, das ihm allerwegen aus dem Dunkel entgegentrat, ſo daß er glaubte, Vrenchen müſſe auf ſeinen Wegen dies Lachen nothwendig ſehen und inne werden.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/273>, abgerufen am 26.11.2024.