Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

tete und langsam über die Straße und über
den Hof ging auf Vrenchen los. Als er dem
Mädchen nahe war, streckte es seine Hände ge¬
gen ihn aus und sagte: Sali! Er ergriff die
Hände und sah ihr immerfort in's Gesicht.
Thränen stürzten aus ihren Augen, während sie
unter seinen Blicken vollends dunkelroth wurde,
und sie sagte: Was willst Du hier? "Nur
Dich sehen!" erwiederte er, "wollen wir nicht
wieder gute Freunde sein?" "Und unsere Äl¬
tern?" fragte Vrenchen, sein weinendes Gesicht
zur Seite neigend, da es die Hände nicht frei
hatte, um es zu bedecken. "Sind wir Schuld
an dem, was sie gethan und geworden sind?"
sagte Sali, "vielleicht können wir das Elend
nur gut machen, wenn wir zwei zusammenhalten
und uns recht lieb sind!" "Es wird nie gut
kommen, antwortete Vrenchen mit einem tiefen
Seufzer, "geh in Gottes Namen Deiner Wege,
Sali!" "Bist Du allein?" fragte dieser, "kann
ich einen Augenblick hineinkommen?" "Der
Vater ist zur Stadt, wie er sagte, um Deinem
Vater irgend etwas anzuhängen; aber herein¬
kommen kannst Du nicht, weil Du später viel¬

tete und langſam über die Straße und über
den Hof ging auf Vrenchen los. Als er dem
Mädchen nahe war, ſtreckte es ſeine Hände ge¬
gen ihn aus und ſagte: Sali! Er ergriff die
Hände und ſah ihr immerfort in's Geſicht.
Thränen ſtürzten aus ihren Augen, während ſie
unter ſeinen Blicken vollends dunkelroth wurde,
und ſie ſagte: Was willſt Du hier? »Nur
Dich ſehen!« erwiederte er, »wollen wir nicht
wieder gute Freunde ſein?« »Und unſere Äl¬
tern?« fragte Vrenchen, ſein weinendes Geſicht
zur Seite neigend, da es die Hände nicht frei
hatte, um es zu bedecken. »Sind wir Schuld
an dem, was ſie gethan und geworden ſind?«
ſagte Sali, »vielleicht können wir das Elend
nur gut machen, wenn wir zwei zuſammenhalten
und uns recht lieb ſind!« »Es wird nie gut
kommen, antwortete Vrenchen mit einem tiefen
Seufzer, »geh in Gottes Namen Deiner Wege,
Sali!« »Biſt Du allein?« fragte dieſer, »kann
ich einen Augenblick hineinkommen?« »Der
Vater iſt zur Stadt, wie er ſagte, um Deinem
Vater irgend etwas anzuhängen; aber herein¬
kommen kannſt Du nicht, weil Du ſpäter viel¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0283" n="271"/>
tete und lang&#x017F;am über die Straße und über<lb/>
den Hof ging auf Vrenchen los. Als er dem<lb/>
Mädchen nahe war, &#x017F;treckte es &#x017F;eine Hände ge¬<lb/>
gen ihn aus und &#x017F;agte: Sali! Er ergriff die<lb/>
Hände und &#x017F;ah ihr immerfort in's Ge&#x017F;icht.<lb/>
Thränen &#x017F;türzten aus ihren Augen, während &#x017F;ie<lb/>
unter &#x017F;einen Blicken vollends dunkelroth wurde,<lb/>
und &#x017F;ie &#x017F;agte: Was will&#x017F;t Du hier? »Nur<lb/>
Dich &#x017F;ehen!« erwiederte er, »wollen wir nicht<lb/>
wieder gute Freunde &#x017F;ein?« »Und un&#x017F;ere Äl¬<lb/>
tern?« fragte Vrenchen, &#x017F;ein weinendes Ge&#x017F;icht<lb/>
zur Seite neigend, da es die Hände nicht frei<lb/>
hatte, um es zu bedecken. »Sind wir Schuld<lb/>
an dem, was &#x017F;ie gethan und geworden &#x017F;ind?«<lb/>
&#x017F;agte Sali, »vielleicht können wir das Elend<lb/>
nur gut machen, wenn wir zwei zu&#x017F;ammenhalten<lb/>
und uns recht lieb &#x017F;ind!« »Es wird nie gut<lb/>
kommen, antwortete Vrenchen mit einem tiefen<lb/>
Seufzer, »geh in Gottes Namen Deiner Wege,<lb/>
Sali!« »Bi&#x017F;t Du allein?« fragte die&#x017F;er, »kann<lb/>
ich einen Augenblick hineinkommen?« »Der<lb/>
Vater i&#x017F;t zur Stadt, wie er &#x017F;agte, um Deinem<lb/>
Vater irgend etwas anzuhängen; aber herein¬<lb/>
kommen kann&#x017F;t Du nicht, weil Du &#x017F;päter viel¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0283] tete und langſam über die Straße und über den Hof ging auf Vrenchen los. Als er dem Mädchen nahe war, ſtreckte es ſeine Hände ge¬ gen ihn aus und ſagte: Sali! Er ergriff die Hände und ſah ihr immerfort in's Geſicht. Thränen ſtürzten aus ihren Augen, während ſie unter ſeinen Blicken vollends dunkelroth wurde, und ſie ſagte: Was willſt Du hier? »Nur Dich ſehen!« erwiederte er, »wollen wir nicht wieder gute Freunde ſein?« »Und unſere Äl¬ tern?« fragte Vrenchen, ſein weinendes Geſicht zur Seite neigend, da es die Hände nicht frei hatte, um es zu bedecken. »Sind wir Schuld an dem, was ſie gethan und geworden ſind?« ſagte Sali, »vielleicht können wir das Elend nur gut machen, wenn wir zwei zuſammenhalten und uns recht lieb ſind!« »Es wird nie gut kommen, antwortete Vrenchen mit einem tiefen Seufzer, »geh in Gottes Namen Deiner Wege, Sali!« »Biſt Du allein?« fragte dieſer, »kann ich einen Augenblick hineinkommen?« »Der Vater iſt zur Stadt, wie er ſagte, um Deinem Vater irgend etwas anzuhängen; aber herein¬ kommen kannſt Du nicht, weil Du ſpäter viel¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/283
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/283>, abgerufen am 27.11.2024.