Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

zu lenken wußten und ohne sich weiter etwas
zu sagen, endlich halb selig und halb traurig
aus einander huschten. "Ich komme recht bald
hinaus, geh' nur gleich hin!" rief Vrenchen
noch nach.

Sali ging auch alsobald auf die stille schöne
Anhöhe hinaus, über welche die drei Äcker sich
erstreckten, und die prächtige stille Julisonne,
die fahrenden weißen Wolken, welche über das
reife wallende Kornfeld wegzogen, der glänzende
weiße Fluß, der unten vorüberwallte, alles dies
erfüllte ihn zum ersten Male seit langen Jahren
wieder mit Glück und Zufriedenheit, statt mit
Kummer, und er warf sich der Länge nach in
den durchsichtigen Halbschatten des Kornes, wo
dasselbe Martis wilden Acker begränzte, und
guckte glückselig in den Himmel.

Obgleich es kaum eine Viertelstunde währte,
bis Vrenchen nachkam und er an nichts anderes
dachte, als an sein Glück und dessen Namen,
stand es doch plötzlich und unverhofft vor ihm,
auf ihn niederlächelnd, und froh erschreckt sprang
er auf. "Vreeli!" rief er, und dieses gab ihm
still und lächelnd beide Hände, und Hand in

Keller, die Leute von Seldwyla. 18

zu lenken wußten und ohne ſich weiter etwas
zu ſagen, endlich halb ſelig und halb traurig
aus einander huſchten. »Ich komme recht bald
hinaus, geh' nur gleich hin!« rief Vrenchen
noch nach.

Sali ging auch alſobald auf die ſtille ſchöne
Anhöhe hinaus, über welche die drei Äcker ſich
erſtreckten, und die prächtige ſtille Juliſonne,
die fahrenden weißen Wolken, welche über das
reife wallende Kornfeld wegzogen, der glänzende
weiße Fluß, der unten vorüberwallte, alles dies
erfüllte ihn zum erſten Male ſeit langen Jahren
wieder mit Glück und Zufriedenheit, ſtatt mit
Kummer, und er warf ſich der Länge nach in
den durchſichtigen Halbſchatten des Kornes, wo
daſſelbe Martis wilden Acker begränzte, und
guckte glückſelig in den Himmel.

Obgleich es kaum eine Viertelſtunde währte,
bis Vrenchen nachkam und er an nichts anderes
dachte, als an ſein Glück und deſſen Namen,
ſtand es doch plötzlich und unverhofft vor ihm,
auf ihn niederlächelnd, und froh erſchreckt ſprang
er auf. »Vreeli!« rief er, und dieſes gab ihm
ſtill und lächelnd beide Hände, und Hand in

Keller, die Leute von Seldwyla. 18
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0285" n="273"/>
zu lenken wußten und ohne &#x017F;ich weiter etwas<lb/>
zu &#x017F;agen, endlich halb &#x017F;elig und halb traurig<lb/>
aus einander hu&#x017F;chten. »Ich komme recht bald<lb/>
hinaus, geh' nur gleich hin!« rief Vrenchen<lb/>
noch nach.</p><lb/>
        <p>Sali ging auch al&#x017F;obald auf die &#x017F;tille &#x017F;chöne<lb/>
Anhöhe hinaus, über welche die drei Äcker &#x017F;ich<lb/>
er&#x017F;treckten, und die prächtige &#x017F;tille Juli&#x017F;onne,<lb/>
die fahrenden weißen Wolken, welche über das<lb/>
reife wallende Kornfeld wegzogen, der glänzende<lb/>
weiße Fluß, der unten vorüberwallte, alles dies<lb/>
erfüllte ihn zum er&#x017F;ten Male &#x017F;eit langen Jahren<lb/>
wieder mit Glück und Zufriedenheit, &#x017F;tatt mit<lb/>
Kummer, und er warf &#x017F;ich der Länge nach in<lb/>
den durch&#x017F;ichtigen Halb&#x017F;chatten des Kornes, wo<lb/>
da&#x017F;&#x017F;elbe Martis wilden Acker begränzte, und<lb/>
guckte glück&#x017F;elig in den Himmel.</p><lb/>
        <p>Obgleich es kaum eine Viertel&#x017F;tunde währte,<lb/>
bis Vrenchen nachkam und er an nichts anderes<lb/>
dachte, als an &#x017F;ein Glück und de&#x017F;&#x017F;en Namen,<lb/>
&#x017F;tand es doch plötzlich und unverhofft vor ihm,<lb/>
auf ihn niederlächelnd, und froh er&#x017F;chreckt &#x017F;prang<lb/>
er auf. »Vreeli!« rief er, und die&#x017F;es gab ihm<lb/>
&#x017F;till und lächelnd beide Hände, und Hand in<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Keller, die Leute von Seldwyla. 18<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0285] zu lenken wußten und ohne ſich weiter etwas zu ſagen, endlich halb ſelig und halb traurig aus einander huſchten. »Ich komme recht bald hinaus, geh' nur gleich hin!« rief Vrenchen noch nach. Sali ging auch alſobald auf die ſtille ſchöne Anhöhe hinaus, über welche die drei Äcker ſich erſtreckten, und die prächtige ſtille Juliſonne, die fahrenden weißen Wolken, welche über das reife wallende Kornfeld wegzogen, der glänzende weiße Fluß, der unten vorüberwallte, alles dies erfüllte ihn zum erſten Male ſeit langen Jahren wieder mit Glück und Zufriedenheit, ſtatt mit Kummer, und er warf ſich der Länge nach in den durchſichtigen Halbſchatten des Kornes, wo daſſelbe Martis wilden Acker begränzte, und guckte glückſelig in den Himmel. Obgleich es kaum eine Viertelſtunde währte, bis Vrenchen nachkam und er an nichts anderes dachte, als an ſein Glück und deſſen Namen, ſtand es doch plötzlich und unverhofft vor ihm, auf ihn niederlächelnd, und froh erſchreckt ſprang er auf. »Vreeli!« rief er, und dieſes gab ihm ſtill und lächelnd beide Hände, und Hand in Keller, die Leute von Seldwyla. 18

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/285
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/285>, abgerufen am 27.11.2024.