Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.erwartet in Vrenchens Stube und eben so uner¬ Keller, die Leute von Seldwyla. 20
erwartet in Vrenchens Stube und eben ſo uner¬ Keller, die Leute von Seldwyla. 20
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erwartet in Vrenchens Stube und eben ſo uner¬
wartet fand er es ſchon vollkommen angekleidet
und geſchmückt daſitzen und der Zeit harren, wo
es gehen könne, nur die Schuhe fehlten ihm
noch. Aber Sali ſtand mit offenem Munde ſtill
in der Mitte der Stube, als er das Mädchen
erblickte, ſo ſchön ſah es aus. Es hatte nur
ein einfaches Kleid an von blaugefärbter Lein¬
wand, aber daſſelbe war friſch und ſauber und
ſaß ihm ſehr gut um den ſchlanken Leib. Dar¬
über trug es ein ſchneeweißes Mouſſelinehalstuch
und dies war der ganze Anzug. Das braune
gekräuſelte Haar hatte es wohl geordnet und
die ſonſt ſo wilden Löckchen lagen nun fein und
lieblich um den Kopf; da Vrenchen ſeit vielen
Wochen faſt nicht aus dem Hauſe gekommen,
ſo war ſeine Farbe zarter und durchſichtiger ge¬
worden, ſo wie auch vom Kummer; aber in
dieſe Durchſichtigkeit goß jetzt die Liebe und die
Freude ein Roth um das andere, und an der
Bruſt trug es einen ſchönen Blumenſtrauß von
Rosmarin, Roſen und prächtigen Aſtern. Es
ſaß am offenen Fenſter und athmete ſtill und
hold die friſch durchſonnte Morgenluft; wie es
Keller, die Leute von Seldwyla. 20
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