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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Gitter durch mit einem Stäbchen anstach und
erklärte, so daß der traurige Vogel keine Ruhe
hatte. Es war ein Adler aus Amerika; und die
fernen blauesten Länder, über denen er in seiner
Freiheit geschwebt, kamen der Wittwe in den
Sinn und machten sie um so trauriger, als sie
den Teufel wußte, was das für Länder wären,
noch wo ihr Söhnchen sei. Um den Vogel zu
sehen, hatten die Nachbaren auf das Plätzchen
hinaustreten müssen, und als er nun fort war,
bildeten sie eine Gruppe, steckten die Nasen in
die Luft und lauerten auf noch mehr Merkwür¬
digkeiten, da sie nun doch die Lust ankam, den
übrigen Tag zu vertrödeln.

Diese Lust wurde denn auch erfüllt und es
dauerte nicht lange bis das allergrößte Spek¬
takel sich mit großem Lärm näherte unter dem
Zulauf aller Kinder des Städtchens. Denn ein
mächtiges Kameel schwankte auf den Platz, von
mehreren Affen bewohnt; ein großer Bär wurde
an seinem Nasenringe herbeigeführt; zwei oder
drei Männer waren dabei, kurz ein ganzer Bä¬
rentanz führte sich auf und der Bär tanzte und
machte seine possierlichen Künste, indem er von

Gitter durch mit einem Stäbchen anſtach und
erklärte, ſo daß der traurige Vogel keine Ruhe
hatte. Es war ein Adler aus Amerika; und die
fernen blaueſten Länder, über denen er in ſeiner
Freiheit geſchwebt, kamen der Wittwe in den
Sinn und machten ſie um ſo trauriger, als ſie
den Teufel wußte, was das für Länder wären,
noch wo ihr Söhnchen ſei. Um den Vogel zu
ſehen, hatten die Nachbaren auf das Plätzchen
hinaustreten müſſen, und als er nun fort war,
bildeten ſie eine Gruppe, ſteckten die Naſen in
die Luft und lauerten auf noch mehr Merkwür¬
digkeiten, da ſie nun doch die Luſt ankam, den
übrigen Tag zu vertrödeln.

Dieſe Luſt wurde denn auch erfüllt und es
dauerte nicht lange bis das allergrößte Spek¬
takel ſich mit großem Lärm näherte unter dem
Zulauf aller Kinder des Städtchens. Denn ein
mächtiges Kameel ſchwankte auf den Platz, von
mehreren Affen bewohnt; ein großer Bär wurde
an ſeinem Naſenringe herbeigeführt; zwei oder
drei Männer waren dabei, kurz ein ganzer Bä¬
rentanz führte ſich auf und der Bär tanzte und
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[22/0034] Gitter durch mit einem Stäbchen anſtach und erklärte, ſo daß der traurige Vogel keine Ruhe hatte. Es war ein Adler aus Amerika; und die fernen blaueſten Länder, über denen er in ſeiner Freiheit geſchwebt, kamen der Wittwe in den Sinn und machten ſie um ſo trauriger, als ſie den Teufel wußte, was das für Länder wären, noch wo ihr Söhnchen ſei. Um den Vogel zu ſehen, hatten die Nachbaren auf das Plätzchen hinaustreten müſſen, und als er nun fort war, bildeten ſie eine Gruppe, ſteckten die Naſen in die Luft und lauerten auf noch mehr Merkwür¬ digkeiten, da ſie nun doch die Luſt ankam, den übrigen Tag zu vertrödeln. Dieſe Luſt wurde denn auch erfüllt und es dauerte nicht lange bis das allergrößte Spek¬ takel ſich mit großem Lärm näherte unter dem Zulauf aller Kinder des Städtchens. Denn ein mächtiges Kameel ſchwankte auf den Platz, von mehreren Affen bewohnt; ein großer Bär wurde an ſeinem Naſenringe herbeigeführt; zwei oder drei Männer waren dabei, kurz ein ganzer Bä¬ rentanz führte ſich auf und der Bär tanzte und machte ſeine poſſierlichen Künſte, indem er von

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/34>, abgerufen am 21.11.2024.