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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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sein großes Geheimniß, hier zu bleiben bis an
das Ende seiner Tage. Auf alle Punkte der
Erde sind solche Gerechte hingestreut, die aus
keinem anderen Grunde sich dahin verkrümmelten,
als weil sie zufällig an ein Saugeröhrchen des
guten Auskommens geriethen, und sie saugen still
daran ohne Heimweh nach dem alten, ohne Liebe
zu dem neuen Lande, ohne einen Blick in die
Weite und ohne einen für die Nähe, und glei¬
chen daher weniger dem freien Menschen, als je¬
nen niederen Organismen, wunderlichen Thierchen
und Pflanzensaamen, die durch Luft und Wasser
an die zufällige Stätte ihres Gedeihens getragen
worden.

So lebte er ein Jährchen um das andere
in Seldwyla und äufnete seinen heimlichen Schatz,
welchen er unter einer Fliese seines Kammer¬
bodens vergraben hielt. Noch konnte sich kein
Schneider rühmen, einen Batzen an ihm verdient
zu haben, denn noch war der Sonntagsrock, mit
dem er angereis't, im gleichen Zustande wie da¬
mals. Noch hatte kein Schuster einen Pfennig
von ihm gelöst, denn noch waren nicht einmal
die Stiefelsohlen durchgelaufen, die bei seiner

ſein großes Geheimniß, hier zu bleiben bis an
das Ende ſeiner Tage. Auf alle Punkte der
Erde ſind ſolche Gerechte hingeſtreut, die aus
keinem anderen Grunde ſich dahin verkrümmelten,
als weil ſie zufällig an ein Saugeröhrchen des
guten Auskommens geriethen, und ſie ſaugen ſtill
daran ohne Heimweh nach dem alten, ohne Liebe
zu dem neuen Lande, ohne einen Blick in die
Weite und ohne einen für die Nähe, und glei¬
chen daher weniger dem freien Menſchen, als je¬
nen niederen Organismen, wunderlichen Thierchen
und Pflanzenſaamen, die durch Luft und Waſſer
an die zufällige Stätte ihres Gedeihens getragen
worden.

So lebte er ein Jährchen um das andere
in Seldwyla und äufnete ſeinen heimlichen Schatz,
welchen er unter einer Flieſe ſeines Kammer¬
bodens vergraben hielt. Noch konnte ſich kein
Schneider rühmen, einen Batzen an ihm verdient
zu haben, denn noch war der Sonntagsrock, mit
dem er angereiſ't, im gleichen Zuſtande wie da¬
mals. Noch hatte kein Schuſter einen Pfennig
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die Stiefelſohlen durchgelaufen, die bei ſeiner

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[372/0384] ſein großes Geheimniß, hier zu bleiben bis an das Ende ſeiner Tage. Auf alle Punkte der Erde ſind ſolche Gerechte hingeſtreut, die aus keinem anderen Grunde ſich dahin verkrümmelten, als weil ſie zufällig an ein Saugeröhrchen des guten Auskommens geriethen, und ſie ſaugen ſtill daran ohne Heimweh nach dem alten, ohne Liebe zu dem neuen Lande, ohne einen Blick in die Weite und ohne einen für die Nähe, und glei¬ chen daher weniger dem freien Menſchen, als je¬ nen niederen Organismen, wunderlichen Thierchen und Pflanzenſaamen, die durch Luft und Waſſer an die zufällige Stätte ihres Gedeihens getragen worden. So lebte er ein Jährchen um das andere in Seldwyla und äufnete ſeinen heimlichen Schatz, welchen er unter einer Flieſe ſeines Kammer¬ bodens vergraben hielt. Noch konnte ſich kein Schneider rühmen, einen Batzen an ihm verdient zu haben, denn noch war der Sonntagsrock, mit dem er angereiſ't, im gleichen Zuſtande wie da¬ mals. Noch hatte kein Schuſter einen Pfennig von ihm gelöſt, denn noch waren nicht einmal die Stiefelſohlen durchgelaufen, die bei ſeiner

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/384>, abgerufen am 29.11.2024.