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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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leichtlich ihr ganzes Lebensglück auf's Spiel
gesetzt war, und so hatte sie mit trauriger aber
weiser Entschlossenheit das Verhältniß gelös't.
Die Geschenke wurden von beiden Seiten zurück¬
gegeben mit Ausnahme des Schneppers; diesen
vorenthielt sie als ein Unterpfand für einen Gul¬
den und acht und vierzig Kreuzer, welche sie ihm
einst baar geliehen; der Unwürdige behauptete
aber, solche nicht schuldig zu sein, da sie das
Geld ihm bei Gelegenheit eines Balles in
die Hand gegeben, um die Auslagen zu bestrei¬
ten, und sie hätte zweimal so viel verzehrt, als
er. So behielt er den Gulden und die acht
und vierzig Kreuzer und sie den Schnepper, mit
welchem sie unter der Hand allen Frauen ihrer
Bekanntschaft Ader ließ und manchen schönen
Batzen verdiente. Aber jedesmal, wenn sie das
Instrument gebrauchte, mußte sie, mit Schmerzen
der niedrigen Gesinnungsart dessen gedenken, der
ihr so nahe gestanden und beinahe ihr Gemahl
geworden wäre!

Dies Alles war in der lackirten Lade ent¬
halten, wohl verschlossen, und diese war wiederum
in einem alten Nußbaumschrank aufgehoben, dessen

Keller, die Leute von Seldwyla. 25

leichtlich ihr ganzes Lebensglück auf's Spiel
geſetzt war, und ſo hatte ſie mit trauriger aber
weiſer Entſchloſſenheit das Verhältniß gelöſ't.
Die Geſchenke wurden von beiden Seiten zurück¬
gegeben mit Ausnahme des Schneppers; dieſen
vorenthielt ſie als ein Unterpfand für einen Gul¬
den und acht und vierzig Kreuzer, welche ſie ihm
einſt baar geliehen; der Unwürdige behauptete
aber, ſolche nicht ſchuldig zu ſein, da ſie das
Geld ihm bei Gelegenheit eines Balles in
die Hand gegeben, um die Auslagen zu beſtrei¬
ten, und ſie hätte zweimal ſo viel verzehrt, als
er. So behielt er den Gulden und die acht
und vierzig Kreuzer und ſie den Schnepper, mit
welchem ſie unter der Hand allen Frauen ihrer
Bekanntſchaft Ader ließ und manchen ſchönen
Batzen verdiente. Aber jedesmal, wenn ſie das
Inſtrument gebrauchte, mußte ſie, mit Schmerzen
der niedrigen Geſinnungsart deſſen gedenken, der
ihr ſo nahe geſtanden und beinahe ihr Gemahl
geworden wäre!

Dies Alles war in der lackirten Lade ent¬
halten, wohl verſchloſſen, und dieſe war wiederum
in einem alten Nußbaumſchrank aufgehoben, deſſen

Keller, die Leute von Seldwyla. 25
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[385/0397] leichtlich ihr ganzes Lebensglück auf's Spiel geſetzt war, und ſo hatte ſie mit trauriger aber weiſer Entſchloſſenheit das Verhältniß gelöſ't. Die Geſchenke wurden von beiden Seiten zurück¬ gegeben mit Ausnahme des Schneppers; dieſen vorenthielt ſie als ein Unterpfand für einen Gul¬ den und acht und vierzig Kreuzer, welche ſie ihm einſt baar geliehen; der Unwürdige behauptete aber, ſolche nicht ſchuldig zu ſein, da ſie das Geld ihm bei Gelegenheit eines Balles in die Hand gegeben, um die Auslagen zu beſtrei¬ ten, und ſie hätte zweimal ſo viel verzehrt, als er. So behielt er den Gulden und die acht und vierzig Kreuzer und ſie den Schnepper, mit welchem ſie unter der Hand allen Frauen ihrer Bekanntſchaft Ader ließ und manchen ſchönen Batzen verdiente. Aber jedesmal, wenn ſie das Inſtrument gebrauchte, mußte ſie, mit Schmerzen der niedrigen Geſinnungsart deſſen gedenken, der ihr ſo nahe geſtanden und beinahe ihr Gemahl geworden wäre! Dies Alles war in der lackirten Lade ent¬ halten, wohl verſchloſſen, und dieſe war wiederum in einem alten Nußbaumſchrank aufgehoben, deſſen Keller, die Leute von Seldwyla. 25

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/397>, abgerufen am 27.11.2024.