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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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der Sparsamkeit, der Friedfertigkeit und der in¬
nigen Freundschaft. Wie viele Blumen stehen
hier um uns herum, von allen Arten, die der
Frühling hervorbringt, besonders die gelben Schlüs¬
selblumen, welche einen wohlschmeckenden und
gesunden Thee geben; aber sind sie gerecht oder
arbeitsam? sparsam, vorsichtig und geschickt zu
klugen und lehrreichen Gedanken? Nein, es sind
unwissende und geistlose Geschöpfe, unbeseelt und
vernunftlos vergeuden sie ihre Zeit, und so schön
sie sind, wird ein todtes Heu daraus, während
wir in unserer Tugend ihnen so weit überlegen
sind und ihnen wahrlich an Zier der Gestalt
nichts nachgeben; denn Gott hat uns nach seinem
Bilde geschaffen und uns seinen göttlichen Odem
eingeblasen. O, könnten wir doch ewig hier so
sitzen in diesem Paradiese und in solcher Unschuld;
ja, meine Freunde, es ist mir so, als wären wir
sämmtlich im Stande der Unschuld, aber durch
eine sündenlose Erkenntniß veredelt; denn wir
alle können, Gott sei Dank, lesen und schreiben
und haben alle eine geschickte Handtierung gelernt.
Zu vielem hätte ich Geschick und Anlagen und
getraute mir wohl, Dinge zu verrichten, wie sie

der Sparſamkeit, der Friedfertigkeit und der in¬
nigen Freundſchaft. Wie viele Blumen ſtehen
hier um uns herum, von allen Arten, die der
Frühling hervorbringt, beſonders die gelben Schlüſ¬
ſelblumen, welche einen wohlſchmeckenden und
geſunden Thee geben; aber ſind ſie gerecht oder
arbeitſam? ſparſam, vorſichtig und geſchickt zu
klugen und lehrreichen Gedanken? Nein, es ſind
unwiſſende und geiſtloſe Geſchöpfe, unbeſeelt und
vernunftlos vergeuden ſie ihre Zeit, und ſo ſchön
ſie ſind, wird ein todtes Heu daraus, während
wir in unſerer Tugend ihnen ſo weit überlegen
ſind und ihnen wahrlich an Zier der Geſtalt
nichts nachgeben; denn Gott hat uns nach ſeinem
Bilde geſchaffen und uns ſeinen göttlichen Odem
eingeblaſen. O, könnten wir doch ewig hier ſo
ſitzen in dieſem Paradieſe und in ſolcher Unſchuld;
ja, meine Freunde, es iſt mir ſo, als wären wir
ſämmtlich im Stande der Unſchuld, aber durch
eine ſündenloſe Erkenntniß veredelt; denn wir
alle können, Gott ſei Dank, leſen und ſchreiben
und haben alle eine geſchickte Handtierung gelernt.
Zu vielem hätte ich Geſchick und Anlagen und
getraute mir wohl, Dinge zu verrichten, wie ſie

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[418/0430] der Sparſamkeit, der Friedfertigkeit und der in¬ nigen Freundſchaft. Wie viele Blumen ſtehen hier um uns herum, von allen Arten, die der Frühling hervorbringt, beſonders die gelben Schlüſ¬ ſelblumen, welche einen wohlſchmeckenden und geſunden Thee geben; aber ſind ſie gerecht oder arbeitſam? ſparſam, vorſichtig und geſchickt zu klugen und lehrreichen Gedanken? Nein, es ſind unwiſſende und geiſtloſe Geſchöpfe, unbeſeelt und vernunftlos vergeuden ſie ihre Zeit, und ſo ſchön ſie ſind, wird ein todtes Heu daraus, während wir in unſerer Tugend ihnen ſo weit überlegen ſind und ihnen wahrlich an Zier der Geſtalt nichts nachgeben; denn Gott hat uns nach ſeinem Bilde geſchaffen und uns ſeinen göttlichen Odem eingeblaſen. O, könnten wir doch ewig hier ſo ſitzen in dieſem Paradieſe und in ſolcher Unſchuld; ja, meine Freunde, es iſt mir ſo, als wären wir ſämmtlich im Stande der Unſchuld, aber durch eine ſündenloſe Erkenntniß veredelt; denn wir alle können, Gott ſei Dank, leſen und ſchreiben und haben alle eine geſchickte Handtierung gelernt. Zu vielem hätte ich Geſchick und Anlagen und getraute mir wohl, Dinge zu verrichten, wie ſie

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/430>, abgerufen am 24.11.2024.