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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Spiegel hatte schon längst die Ohren ge¬
spitzt und mit wässerndem Mäulchen gelauscht;
doch war seinem geschwächten Verstande die
Sache noch nicht klar, und er versetzte daher:
"das ist soweit nicht übel, Herr Pineiß! Wenn
ich nur wüßte, wie ich alsdann, wenn ich doch,
um Euch meinen Schmeer abzutreten, mein
Leben lassen muß, des verabredeten Preises hab¬
haft werden und ihn genießen soll, da ich nicht
mehr bin?" "Des Preises habhaft werden?"
sagte der Hexenmeister verwundert, "den Preis
genießest Du ja eben in den reichlichen und
üppigen Speisen, womit ich Dich fett mache,
das versteht sich von selber! doch will ich Dich
zu dem Handel nicht zwingen!" Und er machte
Miene, sich von dannen begeben zu wollen.
Aber Spiegel sagte hastig und ängstlich: "Ihr
müßt mir wenigstens eine mäßige Frist gewähren
über die Zeit meiner höchsten erreichten Rund¬
heit und Fettigkeit hinaus, daß ich nicht so jäh¬
lings von hinnen gehen muß, wenn jener an¬
genehme und ach! so traurige Zeitpunkt heran¬
gekommen und entdeckt ist!"

"Es sei!" sagte Herr Pineiß mit anschei¬

Spiegel hatte ſchon längſt die Ohren ge¬
ſpitzt und mit wäſſerndem Mäulchen gelauſcht;
doch war ſeinem geſchwächten Verſtande die
Sache noch nicht klar, und er verſetzte daher:
»das iſt soweit nicht übel, Herr Pineiß! Wenn
ich nur wüßte, wie ich alsdann, wenn ich doch,
um Euch meinen Schmeer abzutreten, mein
Leben laſſen muß, des verabredeten Preiſes hab¬
haft werden und ihn genießen ſoll, da ich nicht
mehr bin?« »Des Preiſes habhaft werden?«
ſagte der Hexenmeiſter verwundert, »den Preis
genießeſt Du ja eben in den reichlichen und
üppigen Speiſen, womit ich Dich fett mache,
das verſteht ſich von ſelber! doch will ich Dich
zu dem Handel nicht zwingen!« Und er machte
Miene, ſich von dannen begeben zu wollen.
Aber Spiegel ſagte haſtig und ängſtlich: »Ihr
müßt mir wenigſtens eine mäßige Friſt gewähren
über die Zeit meiner höchſten erreichten Rund¬
heit und Fettigkeit hinaus, daß ich nicht ſo jäh¬
lings von hinnen gehen muß, wenn jener an¬
genehme und ach! ſo traurige Zeitpunkt heran¬
gekommen und entdeckt iſt!«

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[456/0468] Spiegel hatte ſchon längſt die Ohren ge¬ ſpitzt und mit wäſſerndem Mäulchen gelauſcht; doch war ſeinem geſchwächten Verſtande die Sache noch nicht klar, und er verſetzte daher: »das iſt soweit nicht übel, Herr Pineiß! Wenn ich nur wüßte, wie ich alsdann, wenn ich doch, um Euch meinen Schmeer abzutreten, mein Leben laſſen muß, des verabredeten Preiſes hab¬ haft werden und ihn genießen ſoll, da ich nicht mehr bin?« »Des Preiſes habhaft werden?« ſagte der Hexenmeiſter verwundert, »den Preis genießeſt Du ja eben in den reichlichen und üppigen Speiſen, womit ich Dich fett mache, das verſteht ſich von ſelber! doch will ich Dich zu dem Handel nicht zwingen!« Und er machte Miene, ſich von dannen begeben zu wollen. Aber Spiegel ſagte haſtig und ängſtlich: »Ihr müßt mir wenigſtens eine mäßige Friſt gewähren über die Zeit meiner höchſten erreichten Rund¬ heit und Fettigkeit hinaus, daß ich nicht ſo jäh¬ lings von hinnen gehen muß, wenn jener an¬ genehme und ach! ſo traurige Zeitpunkt heran¬ gekommen und entdeckt iſt!« »Es ſei!« ſagte Herr Pineiß mit anſchei¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/468>, abgerufen am 22.11.2024.