wie er es wünscht, kurz, sie thut tausend Dinge, die nicht zu verwerfen sind. Sie hält sich ihm ganz nah zu oder in bescheidener Entfernung, je nach seiner Stimmung, und wenn er seinen Ge¬ schäften nachgeht, so stört sie ihn nicht, sondern verbreitet unterdessen sein Lob in und außer dem Hause; denn sie läßt nichts an ihn kommen und rühmt Alles, was an ihm ist! Aber das Anmuthigste ist die wunderbare Beschaffenheit ihres zarten leiblichen Daseins, welches die Na¬ tur so verschieden gemacht hat von unserm We¬ sen bei anscheinender Menschenähnlichkeit, daß es ein fortwährendes Meerwunder in einer glück¬ haften Ehe bewirkt und eigentlich die allerdurch¬ triebenste Hexerei in sich birgt! Doch was schwatze ich da wie ein Thor an der Schwelle des To¬ des! Wie wird ein weiser Mann auf dergleichen Eitelkeiten sein Augenmerk richten! Verzeiht, Herr Pineiß, und schneidet mir den Kopf ab!"
Pineiß aber rief heftig: "So halt doch end¬ lich inne, Du Schwätzer! und sage mir: Wo ist eine Solche und hat sie zehntausend Gold¬ gülden?"
"Zehntausend Goldgülden?" sagte Spiegel.
wie er es wünſcht, kurz, ſie thut tauſend Dinge, die nicht zu verwerfen ſind. Sie hält ſich ihm ganz nah zu oder in beſcheidener Entfernung, je nach ſeiner Stimmung, und wenn er ſeinen Ge¬ ſchäften nachgeht, ſo ſtört ſie ihn nicht, ſondern verbreitet unterdeſſen ſein Lob in und außer dem Hauſe; denn ſie läßt nichts an ihn kommen und rühmt Alles, was an ihm iſt! Aber das Anmuthigſte iſt die wunderbare Beſchaffenheit ihres zarten leiblichen Daſeins, welches die Na¬ tur ſo verſchieden gemacht hat von unſerm We¬ ſen bei anſcheinender Menſchenähnlichkeit, daß es ein fortwährendes Meerwunder in einer glück¬ haften Ehe bewirkt und eigentlich die allerdurch¬ triebenſte Hexerei in ſich birgt! Doch was ſchwatze ich da wie ein Thor an der Schwelle des To¬ des! Wie wird ein weiſer Mann auf dergleichen Eitelkeiten ſein Augenmerk richten! Verzeiht, Herr Pineiß, und ſchneidet mir den Kopf ab!«
Pineiß aber rief heftig: »So halt doch end¬ lich inne, Du Schwätzer! und ſage mir: Wo iſt eine Solche und hat ſie zehntauſend Gold¬ gülden?«
»Zehntauſend Goldgülden?« ſagte Spiegel.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0488"n="476"/>
wie er es wünſcht, kurz, ſie thut tauſend Dinge,<lb/>
die nicht zu verwerfen ſind. Sie hält ſich ihm<lb/>
ganz nah zu oder in beſcheidener Entfernung, je<lb/>
nach ſeiner Stimmung, und wenn er ſeinen Ge¬<lb/>ſchäften nachgeht, ſo ſtört ſie ihn nicht, ſondern<lb/>
verbreitet unterdeſſen ſein Lob in und außer dem<lb/>
Hauſe; denn ſie läßt nichts an ihn kommen<lb/>
und rühmt Alles, was an ihm iſt! Aber das<lb/>
Anmuthigſte iſt die wunderbare Beſchaffenheit<lb/>
ihres zarten leiblichen Daſeins, welches die Na¬<lb/>
tur ſo verſchieden gemacht hat von unſerm We¬<lb/>ſen bei anſcheinender Menſchenähnlichkeit, daß<lb/>
es ein fortwährendes Meerwunder in einer glück¬<lb/>
haften Ehe bewirkt und eigentlich die allerdurch¬<lb/>
triebenſte Hexerei in ſich birgt! Doch was ſchwatze<lb/>
ich da wie ein Thor an der Schwelle des To¬<lb/>
des! Wie wird ein weiſer Mann auf dergleichen<lb/>
Eitelkeiten ſein Augenmerk richten! Verzeiht, Herr<lb/>
Pineiß, und ſchneidet mir den Kopf ab!«</p><lb/><p>Pineiß aber rief heftig: »So halt doch end¬<lb/>
lich inne, Du Schwätzer! und ſage mir: Wo<lb/>
iſt eine Solche und hat ſie zehntauſend Gold¬<lb/>
gülden?«</p><lb/><p>»Zehntauſend Goldgülden?« ſagte Spiegel.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[476/0488]
wie er es wünſcht, kurz, ſie thut tauſend Dinge,
die nicht zu verwerfen ſind. Sie hält ſich ihm
ganz nah zu oder in beſcheidener Entfernung, je
nach ſeiner Stimmung, und wenn er ſeinen Ge¬
ſchäften nachgeht, ſo ſtört ſie ihn nicht, ſondern
verbreitet unterdeſſen ſein Lob in und außer dem
Hauſe; denn ſie läßt nichts an ihn kommen
und rühmt Alles, was an ihm iſt! Aber das
Anmuthigſte iſt die wunderbare Beſchaffenheit
ihres zarten leiblichen Daſeins, welches die Na¬
tur ſo verſchieden gemacht hat von unſerm We¬
ſen bei anſcheinender Menſchenähnlichkeit, daß
es ein fortwährendes Meerwunder in einer glück¬
haften Ehe bewirkt und eigentlich die allerdurch¬
triebenſte Hexerei in ſich birgt! Doch was ſchwatze
ich da wie ein Thor an der Schwelle des To¬
des! Wie wird ein weiſer Mann auf dergleichen
Eitelkeiten ſein Augenmerk richten! Verzeiht, Herr
Pineiß, und ſchneidet mir den Kopf ab!«
Pineiß aber rief heftig: »So halt doch end¬
lich inne, Du Schwätzer! und ſage mir: Wo
iſt eine Solche und hat ſie zehntauſend Gold¬
gülden?«
»Zehntauſend Goldgülden?« ſagte Spiegel.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/488>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.