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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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beliefen? Auf zehn tausend Goldgulden! ant¬
wortete sie noch viel trauriger. Der junge
traurige Kaufherr stand auf, ermahnte das Fräu¬
lein, guten Muthes zu sein, da sich gewiß ein
Ausweg zeigen werde, und entfernte sich von
ihr, ohne daß er sie anzusehen wagte, so sehr
fühlte er sich betroffen und beschämt, daß er
sein Auge auf eine Dame geworfen, die so treu
und leidenschaftlich einen Andern liebte. Denn
der Arme glaubte jedes Wort von ihrer Er¬
zählung wie ein Evangelium. Dann begab er
sich ohne Säumniß zu seinen Handelsfreunden
und brachte sie durch Bitten und Einbüßung einer
gewissen Summe dahin, seine Bestellungen und
Einkäufe wieder rückgängig zu machen, welche er
selbst in diesen Tagen auch grad mit seinen
zehntausend Goldgulden bezahlen sollte und worauf
er seine ganze Laufbahn bauete, und ehe sechs
Stunden verflossen waren, erschien er wieder bei
dem Fräulein mit seinem ganzen Besitzthum und
bat sie um Gotteswillen diese Aushülfe von ihm
annehmen zu wollen. Ihre Augen funkelten
vor freudiger Überraschung und ihre Brust
pochte wie ein Hammerwerk; sie fragte ihn, wo er

beliefen? Auf zehn tauſend Goldgulden! ant¬
wortete ſie noch viel trauriger. Der junge
traurige Kaufherr ſtand auf, ermahnte das Fräu¬
lein, guten Muthes zu ſein, da ſich gewiß ein
Ausweg zeigen werde, und entfernte ſich von
ihr, ohne daß er ſie anzuſehen wagte, ſo ſehr
fühlte er ſich betroffen und beſchämt, daß er
ſein Auge auf eine Dame geworfen, die ſo treu
und leidenſchaftlich einen Andern liebte. Denn
der Arme glaubte jedes Wort von ihrer Er¬
zählung wie ein Evangelium. Dann begab er
ſich ohne Säumniß zu ſeinen Handelsfreunden
und brachte ſie durch Bitten und Einbüßung einer
gewiſſen Summe dahin, ſeine Beſtellungen und
Einkäufe wieder rückgängig zu machen, welche er
ſelbſt in dieſen Tagen auch grad mit ſeinen
zehntauſend Goldgulden bezahlen ſollte und worauf
er ſeine ganze Laufbahn bauete, und ehe ſechs
Stunden verfloſſen waren, erſchien er wieder bei
dem Fräulein mit ſeinem ganzen Beſitzthum und
bat ſie um Gotteswillen dieſe Aushülfe von ihm
annehmen zu wollen. Ihre Augen funkelten
vor freudiger Überraſchung und ihre Bruſt
pochte wie ein Hammerwerk; ſie fragte ihn, wo er

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[491/0503] beliefen? Auf zehn tauſend Goldgulden! ant¬ wortete ſie noch viel trauriger. Der junge traurige Kaufherr ſtand auf, ermahnte das Fräu¬ lein, guten Muthes zu ſein, da ſich gewiß ein Ausweg zeigen werde, und entfernte ſich von ihr, ohne daß er ſie anzuſehen wagte, ſo ſehr fühlte er ſich betroffen und beſchämt, daß er ſein Auge auf eine Dame geworfen, die ſo treu und leidenſchaftlich einen Andern liebte. Denn der Arme glaubte jedes Wort von ihrer Er¬ zählung wie ein Evangelium. Dann begab er ſich ohne Säumniß zu ſeinen Handelsfreunden und brachte ſie durch Bitten und Einbüßung einer gewiſſen Summe dahin, ſeine Beſtellungen und Einkäufe wieder rückgängig zu machen, welche er ſelbſt in dieſen Tagen auch grad mit ſeinen zehntauſend Goldgulden bezahlen ſollte und worauf er ſeine ganze Laufbahn bauete, und ehe ſechs Stunden verfloſſen waren, erſchien er wieder bei dem Fräulein mit ſeinem ganzen Beſitzthum und bat ſie um Gotteswillen dieſe Aushülfe von ihm annehmen zu wollen. Ihre Augen funkelten vor freudiger Überraſchung und ihre Bruſt pochte wie ein Hammerwerk; ſie fragte ihn, wo er

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/503>, abgerufen am 22.11.2024.