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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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nun gänzlich zusammen nahm und in mich selber
verschloß. Lydia wurde eintönig, ja sie schien
nun sogar bleich und leidend zu werden, was
mich tief bekümmerte, ohne daß ich daraus etwas
Kluges zu machen wußte. Als sie aber trotz
meines Verhaltens sogar wieder anfing, mir
nachzugehen und sich fortwährend zu schaffen
machte, wo ich mich aufhielt, gerieth ich in Ver¬
zweiflung und in der Verzweiflung begann ich,
abgebrochene und ungeschickte Unterhaltungen mit
ihr zu pflegen. Es war gar nichts, was wir
sprachen, ganz unartikulirtes jämmerliches Zeug,
als ob wir beide blödsinnig wären; allein beide
schienen gar nicht hieran zu denken, sondern
lachten uns an wie Kinder; denn auch ich ver¬
gaß darüber alles andere und war endlich froh,
nur diese kurzen Reden mit ihr zu führen. Allein
das Glück dauerte nie länger, als zwei Minuten,
da wir den Faden aus Mangel an Ruhe und
Besonnenheit sogleich wieder verloren und dann
zwei Kindern glichen, die ein Perlenband aufge¬
zettelt haben und mit Betrübniß die schönen
Perlen entgleiten sehen. Alsdann dauerte es
wieder wochenlang, bis eine dieser großen Unter¬

nun gänzlich zuſammen nahm und in mich ſelber
verſchloß. Lydia wurde eintönig, ja ſie ſchien
nun ſogar bleich und leidend zu werden, was
mich tief bekümmerte, ohne daß ich daraus etwas
Kluges zu machen wußte. Als ſie aber trotz
meines Verhaltens ſogar wieder anfing, mir
nachzugehen und ſich fortwährend zu ſchaffen
machte, wo ich mich aufhielt, gerieth ich in Ver¬
zweiflung und in der Verzweiflung begann ich,
abgebrochene und ungeſchickte Unterhaltungen mit
ihr zu pflegen. Es war gar nichts, was wir
ſprachen, ganz unartikulirtes jämmerliches Zeug,
als ob wir beide blödſinnig wären; allein beide
ſchienen gar nicht hieran zu denken, ſondern
lachten uns an wie Kinder; denn auch ich ver¬
gaß darüber alles andere und war endlich froh,
nur dieſe kurzen Reden mit ihr zu führen. Allein
das Glück dauerte nie länger, als zwei Minuten,
da wir den Faden aus Mangel an Ruhe und
Beſonnenheit ſogleich wieder verloren und dann
zwei Kindern glichen, die ein Perlenband aufge¬
zettelt haben und mit Betrübniß die ſchönen
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[66/0078] nun gänzlich zuſammen nahm und in mich ſelber verſchloß. Lydia wurde eintönig, ja ſie ſchien nun ſogar bleich und leidend zu werden, was mich tief bekümmerte, ohne daß ich daraus etwas Kluges zu machen wußte. Als ſie aber trotz meines Verhaltens ſogar wieder anfing, mir nachzugehen und ſich fortwährend zu ſchaffen machte, wo ich mich aufhielt, gerieth ich in Ver¬ zweiflung und in der Verzweiflung begann ich, abgebrochene und ungeſchickte Unterhaltungen mit ihr zu pflegen. Es war gar nichts, was wir ſprachen, ganz unartikulirtes jämmerliches Zeug, als ob wir beide blödſinnig wären; allein beide ſchienen gar nicht hieran zu denken, ſondern lachten uns an wie Kinder; denn auch ich ver¬ gaß darüber alles andere und war endlich froh, nur dieſe kurzen Reden mit ihr zu führen. Allein das Glück dauerte nie länger, als zwei Minuten, da wir den Faden aus Mangel an Ruhe und Beſonnenheit ſogleich wieder verloren und dann zwei Kindern glichen, die ein Perlenband aufge¬ zettelt haben und mit Betrübniß die ſchönen Perlen entgleiten ſehen. Alsdann dauerte es wieder wochenlang, bis eine dieſer großen Unter¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/78>, abgerufen am 21.11.2024.