nun gänzlich zusammen nahm und in mich selber verschloß. Lydia wurde eintönig, ja sie schien nun sogar bleich und leidend zu werden, was mich tief bekümmerte, ohne daß ich daraus etwas Kluges zu machen wußte. Als sie aber trotz meines Verhaltens sogar wieder anfing, mir nachzugehen und sich fortwährend zu schaffen machte, wo ich mich aufhielt, gerieth ich in Ver¬ zweiflung und in der Verzweiflung begann ich, abgebrochene und ungeschickte Unterhaltungen mit ihr zu pflegen. Es war gar nichts, was wir sprachen, ganz unartikulirtes jämmerliches Zeug, als ob wir beide blödsinnig wären; allein beide schienen gar nicht hieran zu denken, sondern lachten uns an wie Kinder; denn auch ich ver¬ gaß darüber alles andere und war endlich froh, nur diese kurzen Reden mit ihr zu führen. Allein das Glück dauerte nie länger, als zwei Minuten, da wir den Faden aus Mangel an Ruhe und Besonnenheit sogleich wieder verloren und dann zwei Kindern glichen, die ein Perlenband aufge¬ zettelt haben und mit Betrübniß die schönen Perlen entgleiten sehen. Alsdann dauerte es wieder wochenlang, bis eine dieser großen Unter¬
nun gänzlich zuſammen nahm und in mich ſelber verſchloß. Lydia wurde eintönig, ja ſie ſchien nun ſogar bleich und leidend zu werden, was mich tief bekümmerte, ohne daß ich daraus etwas Kluges zu machen wußte. Als ſie aber trotz meines Verhaltens ſogar wieder anfing, mir nachzugehen und ſich fortwährend zu ſchaffen machte, wo ich mich aufhielt, gerieth ich in Ver¬ zweiflung und in der Verzweiflung begann ich, abgebrochene und ungeſchickte Unterhaltungen mit ihr zu pflegen. Es war gar nichts, was wir ſprachen, ganz unartikulirtes jämmerliches Zeug, als ob wir beide blödſinnig wären; allein beide ſchienen gar nicht hieran zu denken, ſondern lachten uns an wie Kinder; denn auch ich ver¬ gaß darüber alles andere und war endlich froh, nur dieſe kurzen Reden mit ihr zu führen. Allein das Glück dauerte nie länger, als zwei Minuten, da wir den Faden aus Mangel an Ruhe und Beſonnenheit ſogleich wieder verloren und dann zwei Kindern glichen, die ein Perlenband aufge¬ zettelt haben und mit Betrübniß die ſchönen Perlen entgleiten ſehen. Alsdann dauerte es wieder wochenlang, bis eine dieſer großen Unter¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0078"n="66"/>
nun gänzlich zuſammen nahm und in mich ſelber<lb/>
verſchloß. Lydia wurde eintönig, ja ſie ſchien<lb/>
nun ſogar bleich und leidend zu werden, was<lb/>
mich tief bekümmerte, ohne daß ich daraus etwas<lb/>
Kluges zu machen wußte. Als ſie aber trotz<lb/>
meines Verhaltens ſogar wieder anfing, mir<lb/>
nachzugehen und ſich fortwährend zu ſchaffen<lb/>
machte, wo ich mich aufhielt, gerieth ich in Ver¬<lb/>
zweiflung und in der Verzweiflung begann ich,<lb/>
abgebrochene und ungeſchickte Unterhaltungen mit<lb/>
ihr zu pflegen. Es war gar nichts, was wir<lb/>ſprachen, ganz unartikulirtes jämmerliches Zeug,<lb/>
als ob wir beide blödſinnig wären; allein beide<lb/>ſchienen gar nicht hieran zu denken, ſondern<lb/>
lachten uns an wie Kinder; denn auch ich ver¬<lb/>
gaß darüber alles andere und war endlich froh,<lb/>
nur dieſe kurzen Reden mit ihr zu führen. Allein<lb/>
das Glück dauerte nie länger, als zwei Minuten,<lb/>
da wir den Faden aus Mangel an Ruhe und<lb/>
Beſonnenheit ſogleich wieder verloren und dann<lb/>
zwei Kindern glichen, die ein Perlenband aufge¬<lb/>
zettelt haben und mit Betrübniß die ſchönen<lb/>
Perlen entgleiten ſehen. Alsdann dauerte es<lb/>
wieder wochenlang, bis eine dieſer großen Unter¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[66/0078]
nun gänzlich zuſammen nahm und in mich ſelber
verſchloß. Lydia wurde eintönig, ja ſie ſchien
nun ſogar bleich und leidend zu werden, was
mich tief bekümmerte, ohne daß ich daraus etwas
Kluges zu machen wußte. Als ſie aber trotz
meines Verhaltens ſogar wieder anfing, mir
nachzugehen und ſich fortwährend zu ſchaffen
machte, wo ich mich aufhielt, gerieth ich in Ver¬
zweiflung und in der Verzweiflung begann ich,
abgebrochene und ungeſchickte Unterhaltungen mit
ihr zu pflegen. Es war gar nichts, was wir
ſprachen, ganz unartikulirtes jämmerliches Zeug,
als ob wir beide blödſinnig wären; allein beide
ſchienen gar nicht hieran zu denken, ſondern
lachten uns an wie Kinder; denn auch ich ver¬
gaß darüber alles andere und war endlich froh,
nur dieſe kurzen Reden mit ihr zu führen. Allein
das Glück dauerte nie länger, als zwei Minuten,
da wir den Faden aus Mangel an Ruhe und
Beſonnenheit ſogleich wieder verloren und dann
zwei Kindern glichen, die ein Perlenband aufge¬
zettelt haben und mit Betrübniß die ſchönen
Perlen entgleiten ſehen. Alsdann dauerte es
wieder wochenlang, bis eine dieſer großen Unter¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/78>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.