Blöde endlich anhalten würde. Aber wie ist denn das? Sie wäre ja schon verheirathet und könnte den Schuh¬ macher nicht mehr nehmen? Aber sie ist ja nicht die Regina, welche den Amerikaner hat, sondern das ledige Bärbchen! Aber nun ist sie ja nicht reich und kann die Stiefeletten nicht bestellen -- kurz, sie verwickelte sich ganz in dem Garn ihrer Spekulationen, während Aennchen, das andere Mädchen, bereits drei Köchinnen angestellt und zwei wieder weggejagt hatte.
Da sagte Lucie: "Wenn Ihr müde seid, Ihr Mäd¬ chen, so stellt die Räder weg und geht schlafen! Die merkwürdige Regine ist jetzt versorgt und braucht wahr¬ scheinlich nicht mehr früh aufzustehen, wie Ihr es morgen thun müßt."
Die hübschen Dienerinnen erhoben sich ohne Zögern, als sie dergestalt aus ihrer kurzen Träumerei geweckt worden, und trugen gehorsam die Spinnrädchen aus dem Zimmer.
Zu Reinhart gewendet, fuhr Lucie fort: Ich wollte es nicht darauf ankommen lassen, daß die guten Kinder die Kehrseite oder den Ausgang Ihrer Geschichte mit anhören; denn so viel ich vermuthen kann, wird es nun über die Bildung hergehen, welche an dem in Aussicht stehenden Unheil Schuld sein soll, und da wünschte ich denn doch nicht, daß die Mädchen gegen den gebildeten Frauenstand aufsätzig würden!"
Blöde endlich anhalten würde. Aber wie iſt denn das? Sie wäre ja ſchon verheirathet und könnte den Schuh¬ macher nicht mehr nehmen? Aber ſie iſt ja nicht die Regina, welche den Amerikaner hat, ſondern das ledige Bärbchen! Aber nun iſt ſie ja nicht reich und kann die Stiefeletten nicht beſtellen — kurz, ſie verwickelte ſich ganz in dem Garn ihrer Spekulationen, während Aennchen, das andere Mädchen, bereits drei Köchinnen angeſtellt und zwei wieder weggejagt hatte.
Da ſagte Lucie: „Wenn Ihr müde ſeid, Ihr Mäd¬ chen, ſo ſtellt die Räder weg und geht ſchlafen! Die merkwürdige Regine iſt jetzt verſorgt und braucht wahr¬ ſcheinlich nicht mehr früh aufzuſtehen, wie Ihr es morgen thun müßt.“
Die hübſchen Dienerinnen erhoben ſich ohne Zögern, als ſie dergeſtalt aus ihrer kurzen Träumerei geweckt worden, und trugen gehorſam die Spinnrädchen aus dem Zimmer.
Zu Reinhart gewendet, fuhr Lucie fort: Ich wollte es nicht darauf ankommen laſſen, daß die guten Kinder die Kehrſeite oder den Ausgang Ihrer Geſchichte mit anhören; denn ſo viel ich vermuthen kann, wird es nun über die Bildung hergehen, welche an dem in Ausſicht ſtehenden Unheil Schuld ſein ſoll, und da wünſchte ich denn doch nicht, daß die Mädchen gegen den gebildeten Frauenſtand aufſätzig würden!“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0103"n="93"/>
Blöde endlich anhalten würde. Aber wie iſt denn das?<lb/>
Sie wäre ja ſchon verheirathet und könnte den Schuh¬<lb/>
macher nicht mehr nehmen? Aber ſie iſt ja nicht die Regina,<lb/>
welche den Amerikaner hat, ſondern das ledige Bärbchen!<lb/>
Aber nun iſt ſie ja nicht reich und kann die Stiefeletten<lb/>
nicht beſtellen — kurz, ſie verwickelte ſich ganz in dem<lb/>
Garn ihrer Spekulationen, während Aennchen, das andere<lb/>
Mädchen, bereits drei Köchinnen angeſtellt und zwei wieder<lb/>
weggejagt hatte.</p><lb/><p>Da ſagte Lucie: „Wenn Ihr müde ſeid, Ihr Mäd¬<lb/>
chen, ſo ſtellt die Räder weg und geht ſchlafen! Die<lb/>
merkwürdige Regine iſt jetzt verſorgt und braucht wahr¬<lb/>ſcheinlich nicht mehr früh aufzuſtehen, wie Ihr es morgen<lb/>
thun müßt.“</p><lb/><p>Die hübſchen Dienerinnen erhoben ſich ohne Zögern,<lb/>
als ſie dergeſtalt aus ihrer kurzen Träumerei geweckt<lb/>
worden, und trugen gehorſam die Spinnrädchen aus dem<lb/>
Zimmer.</p><lb/><p>Zu Reinhart gewendet, fuhr Lucie fort: Ich wollte<lb/>
es nicht darauf ankommen laſſen, daß die guten Kinder<lb/>
die Kehrſeite oder den Ausgang Ihrer Geſchichte mit<lb/>
anhören; denn ſo viel ich vermuthen kann, wird es nun<lb/>
über die Bildung hergehen, welche an dem in Ausſicht<lb/>ſtehenden Unheil Schuld ſein ſoll, und da wünſchte ich<lb/>
denn doch nicht, daß die Mädchen gegen den gebildeten<lb/>
Frauenſtand aufſätzig würden!“</p><lb/><p>„Ich überlege ſoeben,“ erwiderte Reinhart lächelnd,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[93/0103]
Blöde endlich anhalten würde. Aber wie iſt denn das?
Sie wäre ja ſchon verheirathet und könnte den Schuh¬
macher nicht mehr nehmen? Aber ſie iſt ja nicht die Regina,
welche den Amerikaner hat, ſondern das ledige Bärbchen!
Aber nun iſt ſie ja nicht reich und kann die Stiefeletten
nicht beſtellen — kurz, ſie verwickelte ſich ganz in dem
Garn ihrer Spekulationen, während Aennchen, das andere
Mädchen, bereits drei Köchinnen angeſtellt und zwei wieder
weggejagt hatte.
Da ſagte Lucie: „Wenn Ihr müde ſeid, Ihr Mäd¬
chen, ſo ſtellt die Räder weg und geht ſchlafen! Die
merkwürdige Regine iſt jetzt verſorgt und braucht wahr¬
ſcheinlich nicht mehr früh aufzuſtehen, wie Ihr es morgen
thun müßt.“
Die hübſchen Dienerinnen erhoben ſich ohne Zögern,
als ſie dergeſtalt aus ihrer kurzen Träumerei geweckt
worden, und trugen gehorſam die Spinnrädchen aus dem
Zimmer.
Zu Reinhart gewendet, fuhr Lucie fort: Ich wollte
es nicht darauf ankommen laſſen, daß die guten Kinder
die Kehrſeite oder den Ausgang Ihrer Geſchichte mit
anhören; denn ſo viel ich vermuthen kann, wird es nun
über die Bildung hergehen, welche an dem in Ausſicht
ſtehenden Unheil Schuld ſein ſoll, und da wünſchte ich
denn doch nicht, daß die Mädchen gegen den gebildeten
Frauenſtand aufſätzig würden!“
„Ich überlege ſoeben,“ erwiderte Reinhart lächelnd,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/103>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.