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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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und weiche Polsterstühle im Ueberfluß; prächtige Vor¬
hänge bekleideten die Fenster, und sogar an den Wänden
drängte sich eine Bilderwaare von Gemälden, Kupfer¬
stichen und allem Möglichen zusammen, wie wenn der
Wandschmuck eines weitläufigen Hauses da zur Auction
aufgestapelt worden wäre. Erschien der Raum der sonst
ziemlich großen Zimmer hiedurch beengt, so wurde der
Umstand noch bedenklicher durch einige Eckgestelle, auf
deren schwank aufgethürmten Stockwerken eine Menge be¬
malten oder vergoldeten Porzellanes und unendlich dünner
Glassachen stand und zitterte wie Espenlaub, wenn ein
fester Tritt über die Teppiche ging. An allen diesen
Zerbrechlichkeiten war das gleiche Wappen gemalt oder
eingeschliffen, welches auch auf der Karte an der Eingangs¬
thüre prangte über dem Namen der Baronin Hedwig
von Lohausen. Als er später schlafen ging, bemerkte
Brandolf, daß die Freiherrenkrone nicht minder auf die
Leinwand des prachtvollen Bettes gestickt war, welches
das Eine der beiden Hauptstücke einer ehemaligen Braut¬
aussteuer zu sein schien. Alles aber, trotz der durch die
drei Zimmer herrschenden Fülle, war in tadellosem Stande
gehalten und nirgends ein Stäubchen zu erblicken, und
Brandolf wunderte sich nur, ob der Miether für sein
theures Geld eigentlich zum Hüter der Herrlichkeit bestellt
sei und ihm ehestens ein Reinigungswerkzeug mit Staub¬
lappen und Flederwisch anvertraut werde? Denn wenn
jemand anders die Arbeit besorgte, so mußte ja fast den

und weiche Polſterſtühle im Ueberfluß; prächtige Vor¬
hänge bekleideten die Fenſter, und ſogar an den Wänden
drängte ſich eine Bilderwaare von Gemälden, Kupfer¬
ſtichen und allem Möglichen zuſammen, wie wenn der
Wandſchmuck eines weitläufigen Hauſes da zur Auction
aufgeſtapelt worden wäre. Erſchien der Raum der ſonſt
ziemlich großen Zimmer hiedurch beengt, ſo wurde der
Umſtand noch bedenklicher durch einige Eckgeſtelle, auf
deren ſchwank aufgethürmten Stockwerken eine Menge be¬
malten oder vergoldeten Porzellanes und unendlich dünner
Glasſachen ſtand und zitterte wie Eſpenlaub, wenn ein
feſter Tritt über die Teppiche ging. An allen dieſen
Zerbrechlichkeiten war das gleiche Wappen gemalt oder
eingeſchliffen, welches auch auf der Karte an der Eingangs¬
thüre prangte über dem Namen der Baronin Hedwig
von Lohauſen. Als er ſpäter ſchlafen ging, bemerkte
Brandolf, daß die Freiherrenkrone nicht minder auf die
Leinwand des prachtvollen Bettes geſtickt war, welches
das Eine der beiden Hauptſtücke einer ehemaligen Braut¬
ausſteuer zu ſein ſchien. Alles aber, trotz der durch die
drei Zimmer herrſchenden Fülle, war in tadelloſem Stande
gehalten und nirgends ein Stäubchen zu erblicken, und
Brandolf wunderte ſich nur, ob der Miether für ſein
theures Geld eigentlich zum Hüter der Herrlichkeit beſtellt
ſei und ihm eheſtens ein Reinigungswerkzeug mit Staub¬
lappen und Flederwiſch anvertraut werde? Denn wenn
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[166/0176] und weiche Polſterſtühle im Ueberfluß; prächtige Vor¬ hänge bekleideten die Fenſter, und ſogar an den Wänden drängte ſich eine Bilderwaare von Gemälden, Kupfer¬ ſtichen und allem Möglichen zuſammen, wie wenn der Wandſchmuck eines weitläufigen Hauſes da zur Auction aufgeſtapelt worden wäre. Erſchien der Raum der ſonſt ziemlich großen Zimmer hiedurch beengt, ſo wurde der Umſtand noch bedenklicher durch einige Eckgeſtelle, auf deren ſchwank aufgethürmten Stockwerken eine Menge be¬ malten oder vergoldeten Porzellanes und unendlich dünner Glasſachen ſtand und zitterte wie Eſpenlaub, wenn ein feſter Tritt über die Teppiche ging. An allen dieſen Zerbrechlichkeiten war das gleiche Wappen gemalt oder eingeſchliffen, welches auch auf der Karte an der Eingangs¬ thüre prangte über dem Namen der Baronin Hedwig von Lohauſen. Als er ſpäter ſchlafen ging, bemerkte Brandolf, daß die Freiherrenkrone nicht minder auf die Leinwand des prachtvollen Bettes geſtickt war, welches das Eine der beiden Hauptſtücke einer ehemaligen Braut¬ ausſteuer zu ſein ſchien. Alles aber, trotz der durch die drei Zimmer herrſchenden Fülle, war in tadelloſem Stande gehalten und nirgends ein Stäubchen zu erblicken, und Brandolf wunderte ſich nur, ob der Miether für ſein theures Geld eigentlich zum Hüter der Herrlichkeit beſtellt ſei und ihm eheſtens ein Reinigungswerkzeug mit Staub¬ lappen und Flederwiſch anvertraut werde? Denn wenn jemand anders die Arbeit beſorgte, ſo mußte ja faſt den

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/176>, abgerufen am 24.11.2024.