Leimsieder war Mannelin doch nicht. Er liebte wirklich in mir das Widerspiel und den harmlosen Kerl, der ich im Grunde war, und wenn eine kleine Spitzbüberei dabei mitwirkte, so war es die Kunst, mit der er sich an meinen vielen Erholungen, wenn ich sie erzählte, förmlich selber erholte, ohne sie zu theilen.
Als unsere gute Freundschaft in dem Bankierhause bemerkt wurde, lud man uns immer zusammen ein, wie wir auch bald zu einer Art von Hausfreunden gediehen, deren erwartetes oder unerwartetes Erscheinen stets gern gesehen wurde. Wegen der Verschiedenheit unseres Wesens ging für die Andern auch immer etwas Kurzweiliges um uns vor, woran vorzüglich die einzige Tochter Hildeburg ihr Vergnügen zu finden schien. Ohne in der Denkweise dem Einen oder Andern entschieden beizustimmen, brachte sie uns immer in's Gefecht, und wenn nicht ein besonders angesehener Gast vorhanden war, der auf die Gesellschaft der Tochter des Hauses Anspruch erhob, so nahm sie bei Tisch unfehlbar zwischen uns Beiden oder ganz in der Nähe Platz. Als das endlich zu scherzenden Bemerkungen Anlaß gab, erklärte sie uns offen als ihre lieben und getreuen Diener, ernannte mich zu ihrem Marschall und den Mannelin zu ihrem Kanzler und was dergleichen Späße mehr waren. Eine vielbegehrte reiche Erbin und in allen Dingen verständige und, wie der Student sagt, patente Person, ein fixer Kerl, wie sie war, setzte sie sich durch solche Freiheiten keinerlei Mißdeutungen aus.
Leimſieder war Mannelin doch nicht. Er liebte wirklich in mir das Widerſpiel und den harmloſen Kerl, der ich im Grunde war, und wenn eine kleine Spitzbüberei dabei mitwirkte, ſo war es die Kunſt, mit der er ſich an meinen vielen Erholungen, wenn ich ſie erzählte, förmlich ſelber erholte, ohne ſie zu theilen.
Als unſere gute Freundſchaft in dem Bankierhauſe bemerkt wurde, lud man uns immer zuſammen ein, wie wir auch bald zu einer Art von Hausfreunden gediehen, deren erwartetes oder unerwartetes Erſcheinen ſtets gern geſehen wurde. Wegen der Verſchiedenheit unſeres Weſens ging für die Andern auch immer etwas Kurzweiliges um uns vor, woran vorzüglich die einzige Tochter Hildeburg ihr Vergnügen zu finden ſchien. Ohne in der Denkweiſe dem Einen oder Andern entſchieden beizuſtimmen, brachte ſie uns immer in's Gefecht, und wenn nicht ein beſonders angeſehener Gaſt vorhanden war, der auf die Geſellſchaft der Tochter des Hauſes Anſpruch erhob, ſo nahm ſie bei Tiſch unfehlbar zwiſchen uns Beiden oder ganz in der Nähe Platz. Als das endlich zu ſcherzenden Bemerkungen Anlaß gab, erklärte ſie uns offen als ihre lieben und getreuen Diener, ernannte mich zu ihrem Marſchall und den Mannelin zu ihrem Kanzler und was dergleichen Späße mehr waren. Eine vielbegehrte reiche Erbin und in allen Dingen verſtändige und, wie der Student ſagt, patente Perſon, ein fixer Kerl, wie ſie war, ſetzte ſie ſich durch ſolche Freiheiten keinerlei Mißdeutungen aus.
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Leimſieder war Mannelin doch nicht. Er liebte wirklich
in mir das Widerſpiel und den harmloſen Kerl, der ich
im Grunde war, und wenn eine kleine Spitzbüberei dabei
mitwirkte, ſo war es die Kunſt, mit der er ſich an meinen
vielen Erholungen, wenn ich ſie erzählte, förmlich ſelber
erholte, ohne ſie zu theilen.
Als unſere gute Freundſchaft in dem Bankierhauſe
bemerkt wurde, lud man uns immer zuſammen ein, wie
wir auch bald zu einer Art von Hausfreunden gediehen,
deren erwartetes oder unerwartetes Erſcheinen ſtets gern
geſehen wurde. Wegen der Verſchiedenheit unſeres Weſens
ging für die Andern auch immer etwas Kurzweiliges um
uns vor, woran vorzüglich die einzige Tochter Hildeburg
ihr Vergnügen zu finden ſchien. Ohne in der Denkweiſe
dem Einen oder Andern entſchieden beizuſtimmen, brachte
ſie uns immer in's Gefecht, und wenn nicht ein beſonders
angeſehener Gaſt vorhanden war, der auf die Geſellſchaft
der Tochter des Hauſes Anſpruch erhob, ſo nahm ſie bei
Tiſch unfehlbar zwiſchen uns Beiden oder ganz in der
Nähe Platz. Als das endlich zu ſcherzenden Bemerkungen
Anlaß gab, erklärte ſie uns offen als ihre lieben und
getreuen Diener, ernannte mich zu ihrem Marſchall und
den Mannelin zu ihrem Kanzler und was dergleichen
Späße mehr waren. Eine vielbegehrte reiche Erbin und
in allen Dingen verſtändige und, wie der Student ſagt,
patente Perſon, ein fixer Kerl, wie ſie war, ſetzte ſie ſich
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/233>, abgerufen am 24.11.2024.
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