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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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können schlimmer ausfallen! Wie denn schlimmer, du
Dummkopf? Gar nicht wäre es dann ausgefallen!

Dergleichen Gedanken fuhren ihm in rascher Folge
durch den Sinn, bis er die Augen aufschlug und sah,
wie Lucie behaglich in ihrem Gartenstuhle lehnte, die
Arme übereinander gelegt und die Augen in voller Heiter¬
keit auf ihn gerichtet hielt. Das ganze Gesicht war so
heiter, wie der Himmel, wenn er vollkommen wolken¬
los ist.

"Trösten Sie ich mit dem Evangelium," sagte sie,
"wo es heißt: Ihr habt mich nicht erwählet, sondern ich
habe euch erwählet!"

"Schönsten Dank für den Rath!" erwiderte Reinhart,
durch den Sonnenschein in ihren Augen zum Lachen ver¬
führt; "ich begreife und würdige durchaus die Genug¬
thuung, die Ihnen die Erzählung des Herrn Oberst ver¬
schafft ! Daß ich in meinem eigenen Papa geschlagen würde,
hätte ich allerdings nicht geglaubt!"

"Wie undankbar! Seien Sie doch stolz auf Ihren
Herrn Vater, der meinen so vortrefflichen Onkel hier
besiegt hat! Wie vortrefflich muß er selbst sein! Ich bin
wahrlich ein bischen verliebt in ihn nur vom Hörensagen!
Ist er noch so hübsch blond?"

"Er ist schon lange grau, aber es steht ihm gut."

"Und die Mutter?" warf jetzt der Oberst dazwischen,
"ist sie auch grau, oder noch schwarz und schlank wie
dazumal?"

können ſchlimmer ausfallen! Wie denn ſchlimmer, du
Dummkopf? Gar nicht wäre es dann ausgefallen!

Dergleichen Gedanken fuhren ihm in raſcher Folge
durch den Sinn, bis er die Augen aufſchlug und ſah,
wie Lucie behaglich in ihrem Gartenſtuhle lehnte, die
Arme übereinander gelegt und die Augen in voller Heiter¬
keit auf ihn gerichtet hielt. Das ganze Geſicht war ſo
heiter, wie der Himmel, wenn er vollkommen wolken¬
los iſt.

„Tröſten Sie ich mit dem Evangelium,“ ſagte ſie,
„wo es heißt: Ihr habt mich nicht erwählet, ſondern ich
habe euch erwählet!“

„Schönſten Dank für den Rath!“ erwiderte Reinhart,
durch den Sonnenſchein in ihren Augen zum Lachen ver¬
führt; „ich begreife und würdige durchaus die Genug¬
thuung, die Ihnen die Erzählung des Herrn Oberſt ver¬
ſchafft ! Daß ich in meinem eigenen Papa geſchlagen würde,
hätte ich allerdings nicht geglaubt!“

„Wie undankbar! Seien Sie doch ſtolz auf Ihren
Herrn Vater, der meinen ſo vortrefflichen Onkel hier
beſiegt hat! Wie vortrefflich muß er ſelbſt ſein! Ich bin
wahrlich ein bischen verliebt in ihn nur vom Hörenſagen!
Iſt er noch ſo hübſch blond?“

„Er iſt ſchon lange grau, aber es ſteht ihm gut.“

„Und die Mutter?" warf jetzt der Oberſt dazwiſchen,
„iſt ſie auch grau, oder noch ſchwarz und ſchlank wie
dazumal?“

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[258/0268] können ſchlimmer ausfallen! Wie denn ſchlimmer, du Dummkopf? Gar nicht wäre es dann ausgefallen! Dergleichen Gedanken fuhren ihm in raſcher Folge durch den Sinn, bis er die Augen aufſchlug und ſah, wie Lucie behaglich in ihrem Gartenſtuhle lehnte, die Arme übereinander gelegt und die Augen in voller Heiter¬ keit auf ihn gerichtet hielt. Das ganze Geſicht war ſo heiter, wie der Himmel, wenn er vollkommen wolken¬ los iſt. „Tröſten Sie ich mit dem Evangelium,“ ſagte ſie, „wo es heißt: Ihr habt mich nicht erwählet, ſondern ich habe euch erwählet!“ „Schönſten Dank für den Rath!“ erwiderte Reinhart, durch den Sonnenſchein in ihren Augen zum Lachen ver¬ führt; „ich begreife und würdige durchaus die Genug¬ thuung, die Ihnen die Erzählung des Herrn Oberſt ver¬ ſchafft ! Daß ich in meinem eigenen Papa geſchlagen würde, hätte ich allerdings nicht geglaubt!“ „Wie undankbar! Seien Sie doch ſtolz auf Ihren Herrn Vater, der meinen ſo vortrefflichen Onkel hier beſiegt hat! Wie vortrefflich muß er ſelbſt ſein! Ich bin wahrlich ein bischen verliebt in ihn nur vom Hörenſagen! Iſt er noch ſo hübſch blond?“ „Er iſt ſchon lange grau, aber es ſteht ihm gut.“ „Und die Mutter?" warf jetzt der Oberſt dazwiſchen, „iſt ſie auch grau, oder noch ſchwarz und ſchlank wie dazumal?“

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/268>, abgerufen am 22.11.2024.