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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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Schnurrbart in zwei Theile getrennt und das äußerste
Gebüschlein jenseits der rothen Furche stand. Diese Ent¬
stellung schien jedoch der schönen Hausfrau keineswegs zu
mißfallen; denn im ersten Moment, da er unter die
Thüre trat, hatte Correa mit allem Andern auch gleichsam
im Wetterleuchten bemerkt, wie sie während des Gelächters
einen vollen Blick in das Gesicht ihres Nachbars ge¬
worfen hatte.

Dennoch waren in der Verwirrung seines Geistes die
ersten Gedanken nicht auf diese Sorgen gerichtet, sondern
auf die glänzende Versammlung an Bord seines Schiffes.
Wie sollte er, ohne Zeit zu verlieren und ohne Gewalt
zu brauchen, das Haus räumen und die Frau gütlich
bewegen, sich in Staat zu werfen oder wenigstens etwas
aufzuputzen und ihn zu begleiten, ohne daß er jetzt schon
das Geheimniß verrieth? Denn trotz dem übeln Eindrucke,
den der Auftritt auf ihn machte, schwankte er noch nicht,
die wild gewordene Taube festzuhalten und wieder zu
zähmen, und dazu brauchte er ja vor Allem die herrliche
Ueberraschung, die er mit so viel Mühe und Sorgfalt
ihr bereitet hatte.

Aus diesen Gedanken, während welchen er nicht ein¬
mal zu bemerken fähig war, wie die Frau nicht Miene
machte, sich auch nur ein wenig zu erheben und ihm
entgegen zu gehen, weckte ihn unversehens ihre Stimme,
als sie inmitten der allgemeinen Todesstille sagte:

"Ei wahrlich! Das ist ja mein Gemahl! Und wie!

Schnurrbart in zwei Theile getrennt und das äußerſte
Gebüſchlein jenſeits der rothen Furche ſtand. Dieſe Ent¬
ſtellung ſchien jedoch der ſchönen Hausfrau keineswegs zu
mißfallen; denn im erſten Moment, da er unter die
Thüre trat, hatte Correa mit allem Andern auch gleichſam
im Wetterleuchten bemerkt, wie ſie während des Gelächters
einen vollen Blick in das Geſicht ihres Nachbars ge¬
worfen hatte.

Dennoch waren in der Verwirrung ſeines Geiſtes die
erſten Gedanken nicht auf dieſe Sorgen gerichtet, ſondern
auf die glänzende Verſammlung an Bord ſeines Schiffes.
Wie ſollte er, ohne Zeit zu verlieren und ohne Gewalt
zu brauchen, das Haus räumen und die Frau gütlich
bewegen, ſich in Staat zu werfen oder wenigſtens etwas
aufzuputzen und ihn zu begleiten, ohne daß er jetzt ſchon
das Geheimniß verrieth? Denn trotz dem übeln Eindrucke,
den der Auftritt auf ihn machte, ſchwankte er noch nicht,
die wild gewordene Taube feſtzuhalten und wieder zu
zähmen, und dazu brauchte er ja vor Allem die herrliche
Ueberraſchung, die er mit ſo viel Mühe und Sorgfalt
ihr bereitet hatte.

Aus dieſen Gedanken, während welchen er nicht ein¬
mal zu bemerken fähig war, wie die Frau nicht Miene
machte, ſich auch nur ein wenig zu erheben und ihm
entgegen zu gehen, weckte ihn unverſehens ihre Stimme,
als ſie inmitten der allgemeinen Todesſtille ſagte:

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[288/0298] Schnurrbart in zwei Theile getrennt und das äußerſte Gebüſchlein jenſeits der rothen Furche ſtand. Dieſe Ent¬ ſtellung ſchien jedoch der ſchönen Hausfrau keineswegs zu mißfallen; denn im erſten Moment, da er unter die Thüre trat, hatte Correa mit allem Andern auch gleichſam im Wetterleuchten bemerkt, wie ſie während des Gelächters einen vollen Blick in das Geſicht ihres Nachbars ge¬ worfen hatte. Dennoch waren in der Verwirrung ſeines Geiſtes die erſten Gedanken nicht auf dieſe Sorgen gerichtet, ſondern auf die glänzende Verſammlung an Bord ſeines Schiffes. Wie ſollte er, ohne Zeit zu verlieren und ohne Gewalt zu brauchen, das Haus räumen und die Frau gütlich bewegen, ſich in Staat zu werfen oder wenigſtens etwas aufzuputzen und ihn zu begleiten, ohne daß er jetzt ſchon das Geheimniß verrieth? Denn trotz dem übeln Eindrucke, den der Auftritt auf ihn machte, ſchwankte er noch nicht, die wild gewordene Taube feſtzuhalten und wieder zu zähmen, und dazu brauchte er ja vor Allem die herrliche Ueberraſchung, die er mit ſo viel Mühe und Sorgfalt ihr bereitet hatte. Aus dieſen Gedanken, während welchen er nicht ein¬ mal zu bemerken fähig war, wie die Frau nicht Miene machte, ſich auch nur ein wenig zu erheben und ihm entgegen zu gehen, weckte ihn unverſehens ihre Stimme, als ſie inmitten der allgemeinen Todesſtille ſagte: „Ei wahrlich! Das iſt ja mein Gemahl! Und wie!

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/298>, abgerufen am 22.11.2024.