mich nach Brasilien begleiten. Jetzt spute Dich, ein schickliches Festgewand anzulegen, und wenn Du zögerst, werde ich Deinen unglücklichen Possen ein Ende machen und Deine weiße Kehle mit diesem Eisen durchbohren!" Er erhob die lange Degenklinge. Das Auge vom Meere abwendend, wo sie nur einen schwachen Lichtschimmer hatte entdecken können, warf sie den Blick auf das glän¬ zende Eisen. Plötzlich umschlang sie mit den Armen seinen Hals und bedeckte ihm den Mund mit so feurigen Küssen, als sie im jemals gegeben.
"Warum sollte ich Dir nicht gehorchen, da ich er¬ fahren, wie Du an mir hängst?" flüsterte sie in zärtlichen Lauten; "Alles ist vorüber und ich gehe mit Dir bis an das Ende der Welt. Aber ich kann mich nicht allein ankleiden und die Kammerfrau hast Du mir vertrieben, also wirst Du mir ein wenig helfen müssen!"
Sie ergriff süß lächelnd seine Hand und er folgte ohne Widerstand in ihre Kammer, in der Hoffnung, seine Ehre mindestens vor der Welt noch zu retten. Doch behielt er den gezogenen Degen in der Hand, da die Drohung so schnell gewirkt.
Nun begann sie aber die kostbare Zeit zu verzetteln, indem sie erst mit verstellter Unentschlossenheit ein Staats¬ kleid aussuchte und mit niedlichem Geplauder seinen Rath verlangte, dann das Oberkleid, das sie trug, von ihm aufnesteln ließ, tausend Kleinigkeiten herbeiholte, dazwischen mit Kosen und Schmeicheln sich zu schaffen machte, bis
mich nach Braſilien begleiten. Jetzt ſpute Dich, ein ſchickliches Feſtgewand anzulegen, und wenn Du zögerſt, werde ich Deinen unglücklichen Poſſen ein Ende machen und Deine weiße Kehle mit dieſem Eiſen durchbohren!“ Er erhob die lange Degenklinge. Das Auge vom Meere abwendend, wo ſie nur einen ſchwachen Lichtſchimmer hatte entdecken können, warf ſie den Blick auf das glän¬ zende Eiſen. Plötzlich umſchlang ſie mit den Armen ſeinen Hals und bedeckte ihm den Mund mit ſo feurigen Küſſen, als ſie im jemals gegeben.
„Warum ſollte ich Dir nicht gehorchen, da ich er¬ fahren, wie Du an mir hängſt?“ flüſterte ſie in zärtlichen Lauten; „Alles iſt vorüber und ich gehe mit Dir bis an das Ende der Welt. Aber ich kann mich nicht allein ankleiden und die Kammerfrau haſt Du mir vertrieben, alſo wirſt Du mir ein wenig helfen müſſen!“
Sie ergriff ſüß lächelnd ſeine Hand und er folgte ohne Widerſtand in ihre Kammer, in der Hoffnung, ſeine Ehre mindeſtens vor der Welt noch zu retten. Doch behielt er den gezogenen Degen in der Hand, da die Drohung ſo ſchnell gewirkt.
Nun begann ſie aber die koſtbare Zeit zu verzetteln, indem ſie erſt mit verſtellter Unentſchloſſenheit ein Staats¬ kleid ausſuchte und mit niedlichem Geplauder ſeinen Rath verlangte, dann das Oberkleid, das ſie trug, von ihm aufneſteln ließ, tauſend Kleinigkeiten herbeiholte, dazwiſchen mit Koſen und Schmeicheln ſich zu ſchaffen machte, bis
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0303"n="293"/>
mich nach Braſilien begleiten. Jetzt ſpute Dich, ein<lb/>ſchickliches Feſtgewand anzulegen, und wenn Du zögerſt,<lb/>
werde ich Deinen unglücklichen Poſſen ein Ende machen<lb/>
und Deine weiße Kehle mit dieſem Eiſen durchbohren!“<lb/>
Er erhob die lange Degenklinge. Das Auge vom Meere<lb/>
abwendend, wo ſie nur einen ſchwachen Lichtſchimmer<lb/>
hatte entdecken können, warf ſie den Blick auf das glän¬<lb/>
zende Eiſen. Plötzlich umſchlang ſie mit den Armen<lb/>ſeinen Hals und bedeckte ihm den Mund mit ſo feurigen<lb/>
Küſſen, als ſie im jemals gegeben.</p><lb/><p>„Warum ſollte ich Dir nicht gehorchen, da ich er¬<lb/>
fahren, wie Du an mir hängſt?“ flüſterte ſie in zärtlichen<lb/>
Lauten; „Alles iſt vorüber und ich gehe mit Dir bis<lb/>
an das Ende der Welt. Aber ich kann mich nicht allein<lb/>
ankleiden und die Kammerfrau haſt Du mir vertrieben,<lb/>
alſo wirſt Du mir ein wenig helfen müſſen!“</p><lb/><p>Sie ergriff ſüß lächelnd ſeine Hand und er folgte ohne<lb/>
Widerſtand in ihre Kammer, in der Hoffnung, ſeine Ehre<lb/>
mindeſtens vor der Welt noch zu retten. Doch behielt er<lb/>
den gezogenen Degen in der Hand, da die Drohung ſo<lb/>ſchnell gewirkt.</p><lb/><p>Nun begann ſie aber die koſtbare Zeit zu verzetteln,<lb/>
indem ſie erſt mit verſtellter Unentſchloſſenheit ein Staats¬<lb/>
kleid ausſuchte und mit niedlichem Geplauder ſeinen Rath<lb/>
verlangte, dann das Oberkleid, das ſie trug, von ihm<lb/>
aufneſteln ließ, tauſend Kleinigkeiten herbeiholte, dazwiſchen<lb/>
mit Koſen und Schmeicheln ſich zu ſchaffen machte, bis<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[293/0303]
mich nach Braſilien begleiten. Jetzt ſpute Dich, ein
ſchickliches Feſtgewand anzulegen, und wenn Du zögerſt,
werde ich Deinen unglücklichen Poſſen ein Ende machen
und Deine weiße Kehle mit dieſem Eiſen durchbohren!“
Er erhob die lange Degenklinge. Das Auge vom Meere
abwendend, wo ſie nur einen ſchwachen Lichtſchimmer
hatte entdecken können, warf ſie den Blick auf das glän¬
zende Eiſen. Plötzlich umſchlang ſie mit den Armen
ſeinen Hals und bedeckte ihm den Mund mit ſo feurigen
Küſſen, als ſie im jemals gegeben.
„Warum ſollte ich Dir nicht gehorchen, da ich er¬
fahren, wie Du an mir hängſt?“ flüſterte ſie in zärtlichen
Lauten; „Alles iſt vorüber und ich gehe mit Dir bis
an das Ende der Welt. Aber ich kann mich nicht allein
ankleiden und die Kammerfrau haſt Du mir vertrieben,
alſo wirſt Du mir ein wenig helfen müſſen!“
Sie ergriff ſüß lächelnd ſeine Hand und er folgte ohne
Widerſtand in ihre Kammer, in der Hoffnung, ſeine Ehre
mindeſtens vor der Welt noch zu retten. Doch behielt er
den gezogenen Degen in der Hand, da die Drohung ſo
ſchnell gewirkt.
Nun begann ſie aber die koſtbare Zeit zu verzetteln,
indem ſie erſt mit verſtellter Unentſchloſſenheit ein Staats¬
kleid ausſuchte und mit niedlichem Geplauder ſeinen Rath
verlangte, dann das Oberkleid, das ſie trug, von ihm
aufneſteln ließ, tauſend Kleinigkeiten herbeiholte, dazwiſchen
mit Koſen und Schmeicheln ſich zu ſchaffen machte, bis
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/303>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.