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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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Dreizehntes Capitel.
In welchem das Sinngedicht sich bewährt.

Fast glaub' ich, dort wartet ein Schreinermeister, den
ich bestellt habe und sprechen muß; ich empfehle mich so lange
den Herren!" sagte Lucia unmittelbar nach dem Schlusse
der kleinen Erzählung und ging, sich leicht und mit ver¬
haltenem Lächeln verneigend, davon. Reinhart blickte ihr
nach und sah dann den alten Oberst an.

"Was hat Ihre prächtige Nichte", sagte er, "nur für
einen Zorn auf meine armen Schützlinge, daß sie so
satirische Pfeile auf mich abschießt? Das geht ja fast
über das Ziel hinaus!"

"Je nun," erwiderte der Oberst lachend, "sie wehrt
sich eigentlich doch nur ihrer Haut, die übrigens ein
feines Fell ist! Und merken Sie denn nicht, daß es
weniger schmeichelhaft für Sie wäre, wenn sich die Lux
gleichgültig dafür zeigte, daß Sie für allerhand unwissende
und arme Kreaturen schwärmen, zu denen sie einmal nicht
zu zählen das Glück oder Verdienst hat?"

Ob Reinhart als Gelehrter schon so unpraktisch oder

Dreizehntes Capitel.
In welchem das Sinngedicht ſich bewährt.

Faſt glaub' ich, dort wartet ein Schreinermeiſter, den
ich beſtellt habe und ſprechen muß; ich empfehle mich ſo lange
den Herren!“ ſagte Lucia unmittelbar nach dem Schluſſe
der kleinen Erzählung und ging, ſich leicht und mit ver¬
haltenem Lächeln verneigend, davon. Reinhart blickte ihr
nach und ſah dann den alten Oberſt an.

„Was hat Ihre prächtige Nichte“, ſagte er, „nur für
einen Zorn auf meine armen Schützlinge, daß ſie ſo
ſatiriſche Pfeile auf mich abſchießt? Das geht ja faſt
über das Ziel hinaus!“

„Je nun,“ erwiderte der Oberſt lachend, „ſie wehrt
ſich eigentlich doch nur ihrer Haut, die übrigens ein
feines Fell iſt! Und merken Sie denn nicht, daß es
weniger ſchmeichelhaft für Sie wäre, wenn ſich die Lux
gleichgültig dafür zeigte, daß Sie für allerhand unwiſſende
und arme Kreaturen ſchwärmen, zu denen ſie einmal nicht
zu zählen das Glück oder Verdienſt hat?“

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[[368]/0378] Dreizehntes Capitel. In welchem das Sinngedicht ſich bewährt. Faſt glaub' ich, dort wartet ein Schreinermeiſter, den ich beſtellt habe und ſprechen muß; ich empfehle mich ſo lange den Herren!“ ſagte Lucia unmittelbar nach dem Schluſſe der kleinen Erzählung und ging, ſich leicht und mit ver¬ haltenem Lächeln verneigend, davon. Reinhart blickte ihr nach und ſah dann den alten Oberſt an. „Was hat Ihre prächtige Nichte“, ſagte er, „nur für einen Zorn auf meine armen Schützlinge, daß ſie ſo ſatiriſche Pfeile auf mich abſchießt? Das geht ja faſt über das Ziel hinaus!“ „Je nun,“ erwiderte der Oberſt lachend, „ſie wehrt ſich eigentlich doch nur ihrer Haut, die übrigens ein feines Fell iſt! Und merken Sie denn nicht, daß es weniger ſchmeichelhaft für Sie wäre, wenn ſich die Lux gleichgültig dafür zeigte, daß Sie für allerhand unwiſſende und arme Kreaturen ſchwärmen, zu denen ſie einmal nicht zu zählen das Glück oder Verdienſt hat?“ Ob Reinhart als Gelehrter ſchon ſo unpraktiſch oder

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. [368]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/378>, abgerufen am 22.11.2024.