"Alle Achtung vor Ihrem Geschmack! Da Sie aber so kunstreiche Netze ausbreiten, so haben Sie es sich selbst zuzuschreiben, wenn Sie einmal einen groben Vogel fangen, auf den Sie nicht gerechnet haben!"
"Ei man muß nehmen, was kommt! Zu dem freue ich mich zu sehen, daß meine Anlagen zu was gut sind; denn hätten Sie sich nicht darin gefangen, so wären Sie viel früher angekommen und wahrscheinlich längst wieder weggeritten; so aber, da es spät und weit bis zur nächsten Gastherberge ist, habe ich das Vergnügen Ihnen eine Unterkunft anzubieten. Denn Sie sind mir angelegentlich empfohlen von meiner Freundin und sie schreibt, Sie seien ein sehr beachtenswerther und vernünftiger Reisender, welcher mit ihren Eltern die erbaulichsten Gespräche führe!"
"Das wundert mich! Ich habe kaum zwei oder drei Mal das Wort ergriffen und einige Minuten lang geführt!"
"So muß das Wenige, das Sie sagten, um so herr¬ licher gewesen sein, und ich hoffe dergleichen auch mit Bescheidenheit zu genießen!"
"O mein Fräulein, es waren im Gegentheil zuletzt solche Dummheiten, die ich besonders der jungen Dame sagte, daß sie den gütigen Empfehlungsbrief schwerlich mehr geschrieben hätte, wenn es nicht schon geschehen wäre!"
"So scheint es denn bei Ihnen in keiner Weise mit rechten Dingen zuzugehen! Wenn ich meinen Zweck erreichen will, Sie hier zu behalten, muß ich am Ende,
3*
„Alle Achtung vor Ihrem Geſchmack! Da Sie aber ſo kunſtreiche Netze ausbreiten, ſo haben Sie es ſich ſelbſt zuzuſchreiben, wenn Sie einmal einen groben Vogel fangen, auf den Sie nicht gerechnet haben!“
„Ei man muß nehmen, was kommt! Zu dem freue ich mich zu ſehen, daß meine Anlagen zu was gut ſind; denn hätten Sie ſich nicht darin gefangen, ſo wären Sie viel früher angekommen und wahrſcheinlich längſt wieder weggeritten; ſo aber, da es ſpät und weit bis zur nächſten Gaſtherberge iſt, habe ich das Vergnügen Ihnen eine Unterkunft anzubieten. Denn Sie ſind mir angelegentlich empfohlen von meiner Freundin und ſie ſchreibt, Sie ſeien ein ſehr beachtenswerther und vernünftiger Reiſender, welcher mit ihren Eltern die erbaulichſten Geſpräche führe!“
„Das wundert mich! Ich habe kaum zwei oder drei Mal das Wort ergriffen und einige Minuten lang geführt!“
„So muß das Wenige, das Sie ſagten, um ſo herr¬ licher geweſen ſein, und ich hoffe dergleichen auch mit Beſcheidenheit zu genießen!“
„O mein Fräulein, es waren im Gegentheil zuletzt ſolche Dummheiten, die ich beſonders der jungen Dame ſagte, daß ſie den gütigen Empfehlungsbrief ſchwerlich mehr geſchrieben hätte, wenn es nicht ſchon geſchehen wäre!“
„So ſcheint es denn bei Ihnen in keiner Weiſe mit rechten Dingen zuzugehen! Wenn ich meinen Zweck erreichen will, Sie hier zu behalten, muß ich am Ende,
3*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0045"n="35"/><p>„Alle Achtung vor Ihrem Geſchmack! Da Sie aber ſo<lb/>
kunſtreiche Netze ausbreiten, ſo haben Sie es ſich ſelbſt<lb/>
zuzuſchreiben, wenn Sie einmal einen groben Vogel<lb/>
fangen, auf den Sie nicht gerechnet haben!“</p><lb/><p>„Ei man muß nehmen, was kommt! Zu dem freue<lb/>
ich mich zu ſehen, daß meine Anlagen zu was gut ſind;<lb/>
denn hätten Sie ſich nicht darin gefangen, ſo wären Sie<lb/>
viel früher angekommen und wahrſcheinlich längſt wieder<lb/>
weggeritten; ſo aber, da es ſpät und weit bis zur nächſten<lb/>
Gaſtherberge iſt, habe ich das Vergnügen Ihnen eine<lb/>
Unterkunft anzubieten. Denn Sie ſind mir angelegentlich<lb/>
empfohlen von meiner Freundin und ſie ſchreibt, Sie<lb/>ſeien ein ſehr beachtenswerther und vernünftiger Reiſender,<lb/>
welcher mit ihren Eltern die erbaulichſten Geſpräche führe!“</p><lb/><p>„Das wundert mich! Ich habe kaum zwei oder drei<lb/>
Mal das Wort ergriffen und einige Minuten lang geführt!“</p><lb/><p>„So muß das Wenige, das Sie ſagten, um ſo herr¬<lb/>
licher geweſen ſein, und ich hoffe dergleichen auch mit<lb/>
Beſcheidenheit zu genießen!“</p><lb/><p>„O mein Fräulein, es waren im Gegentheil zuletzt<lb/>ſolche Dummheiten, die ich beſonders der jungen Dame<lb/>ſagte, daß ſie den gütigen Empfehlungsbrief ſchwerlich<lb/>
mehr geſchrieben hätte, wenn es nicht ſchon geſchehen<lb/>
wäre!“</p><lb/><p>„So ſcheint es denn bei Ihnen in keiner Weiſe mit<lb/>
rechten Dingen zuzugehen! Wenn ich meinen Zweck<lb/>
erreichen will, Sie hier zu behalten, muß ich am Ende,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">3*<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[35/0045]
„Alle Achtung vor Ihrem Geſchmack! Da Sie aber ſo
kunſtreiche Netze ausbreiten, ſo haben Sie es ſich ſelbſt
zuzuſchreiben, wenn Sie einmal einen groben Vogel
fangen, auf den Sie nicht gerechnet haben!“
„Ei man muß nehmen, was kommt! Zu dem freue
ich mich zu ſehen, daß meine Anlagen zu was gut ſind;
denn hätten Sie ſich nicht darin gefangen, ſo wären Sie
viel früher angekommen und wahrſcheinlich längſt wieder
weggeritten; ſo aber, da es ſpät und weit bis zur nächſten
Gaſtherberge iſt, habe ich das Vergnügen Ihnen eine
Unterkunft anzubieten. Denn Sie ſind mir angelegentlich
empfohlen von meiner Freundin und ſie ſchreibt, Sie
ſeien ein ſehr beachtenswerther und vernünftiger Reiſender,
welcher mit ihren Eltern die erbaulichſten Geſpräche führe!“
„Das wundert mich! Ich habe kaum zwei oder drei
Mal das Wort ergriffen und einige Minuten lang geführt!“
„So muß das Wenige, das Sie ſagten, um ſo herr¬
licher geweſen ſein, und ich hoffe dergleichen auch mit
Beſcheidenheit zu genießen!“
„O mein Fräulein, es waren im Gegentheil zuletzt
ſolche Dummheiten, die ich beſonders der jungen Dame
ſagte, daß ſie den gütigen Empfehlungsbrief ſchwerlich
mehr geſchrieben hätte, wenn es nicht ſchon geſchehen
wäre!“
„So ſcheint es denn bei Ihnen in keiner Weiſe mit
rechten Dingen zuzugehen! Wenn ich meinen Zweck
erreichen will, Sie hier zu behalten, muß ich am Ende,
3*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/45>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.