Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.Von der Sprache überhaupt. seiner Universalsprache begreiflich machen: Sein Herrwäre ausgeritten -- auf die Jagd -- bis zur Nacht oder zum Schlafen würde er zurück kommen -- wir sollten verweilen, er wolle uns zu essen und trinken verschaffen; -- wir sollen inzwischen in die Stube treten, er würde gleich wieder da seyn etc. Je besser die Erziehung eines solchen Stummen ist, je ge- schickter wird er seine Zeichen anzubringen und sich uns verständlich zu machen wissen. Hieraus soll nun folgen, daß diese Natursprache auch einer Verfeine- rung fähig ist. Allerdings kann sie, bey allen Men- schen, immer mehr und mehr ausgebildet, und end- lich zu einer eben so hohen Vollkommenheit gebracht werden, als unsere gewöhnliche Wortsprache, aber da hört sie auf eine blosse Natursprache zu seyn, sie geht in eine konventionelle Zeichensprache über. Die taubstummen Schüler des Abbe de L'epee in Paris, und des P. Storch in Wien sprechen in ihrer Zei- chensprache von den abstraktesten Gegenständen mit bewunderungswerther Fertigkeit. Und hierin liegt eben der große Beweiß, daß die Sprache nicht un- umgänglich mußte von dem Schöpfer eingegeben wer- den, sondern daß sie von den Menschen stufenweise erfunden B
Von der Sprache uͤberhaupt. ſeiner Univerſalſprache begreiflich machen: Sein Herrwaͤre ausgeritten — auf die Jagd — bis zur Nacht oder zum Schlafen wuͤrde er zuruͤck kommen — wir ſollten verweilen, er wolle uns zu eſſen und trinken verſchaffen; — wir ſollen inzwiſchen in die Stube treten, er wuͤrde gleich wieder da ſeyn ꝛc. Je beſſer die Erziehung eines ſolchen Stummen iſt, je ge- ſchickter wird er ſeine Zeichen anzubringen und ſich uns verſtaͤndlich zu machen wiſſen. Hieraus ſoll nun folgen, daß dieſe Naturſprache auch einer Verfeine- rung faͤhig iſt. Allerdings kann ſie, bey allen Men- ſchen, immer mehr und mehr ausgebildet, und end- lich zu einer eben ſo hohen Vollkommenheit gebracht werden, als unſere gewoͤhnliche Wortſprache, aber da hoͤrt ſie auf eine bloſſe Naturſprache zu ſeyn, ſie geht in eine konventionelle Zeichenſprache uͤber. Die taubſtummen Schuͤler des Abbé de L'épée in Paris, und des P. Storch in Wien ſprechen in ihrer Zei- chenſprache von den abſtrakteſten Gegenſtaͤnden mit bewunderungswerther Fertigkeit. Und hierin liegt eben der große Beweiß, daß die Sprache nicht un- umgaͤnglich mußte von dem Schoͤpfer eingegeben wer- den, ſondern daß ſie von den Menſchen ſtufenweiſe erfunden B
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Von der Sprache uͤberhaupt.
ſeiner Univerſalſprache begreiflich machen: Sein Herr
waͤre ausgeritten — auf die Jagd — bis zur Nacht
oder zum Schlafen wuͤrde er zuruͤck kommen — wir
ſollten verweilen, er wolle uns zu eſſen und trinken
verſchaffen; — wir ſollen inzwiſchen in die Stube
treten, er wuͤrde gleich wieder da ſeyn ꝛc. Je beſſer
die Erziehung eines ſolchen Stummen iſt, je ge-
ſchickter wird er ſeine Zeichen anzubringen und ſich
uns verſtaͤndlich zu machen wiſſen. Hieraus ſoll nun
folgen, daß dieſe Naturſprache auch einer Verfeine-
rung faͤhig iſt. Allerdings kann ſie, bey allen Men-
ſchen, immer mehr und mehr ausgebildet, und end-
lich zu einer eben ſo hohen Vollkommenheit gebracht
werden, als unſere gewoͤhnliche Wortſprache, aber
da hoͤrt ſie auf eine bloſſe Naturſprache zu ſeyn, ſie
geht in eine konventionelle Zeichenſprache uͤber. Die
taubſtummen Schuͤler des Abbé de L'épée in Paris,
und des P. Storch in Wien ſprechen in ihrer Zei-
chenſprache von den abſtrakteſten Gegenſtaͤnden mit
bewunderungswerther Fertigkeit. Und hierin liegt
eben der große Beweiß, daß die Sprache nicht un-
umgaͤnglich mußte von dem Schoͤpfer eingegeben wer-
den, ſondern daß ſie von den Menſchen ſtufenweiſe
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