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Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.

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Von der Sprache überhaupt.
Man betrachte den Taubgebornen, der keine -- auch
keine Zeichensprache gelernet hat, wie er in thieri-
scher Wildheit dahin lebt, seine Seelenkräfte blei-
ben unentwickelt, und er verwelkt wie eine Pflanze,
die unter einem ungedeihlichen Himmelsstrich zwar
heranwuchs, aber ihre Knospe nicht entwickeln, und
ihren schönsten Theil nicht zeigen konnte. Aber was
verweilen wir bey Vorzügen die ohnedieß niemand
verkennet. Nur noch ein paar Kraftworte aus Her-
ders Jdeen: "Nur durch die Rede wird die schlum-
"mernde Vernunft erweckt, oder vielmehr die nackte
"Fähigkeit, die durch sich selbst ewig todt geblie-
"ben wäre, wird durch die Sprache lebendige Kraft
"und Wirkung. -- Man kann und muß die sei-
"nen Sprachwerkzeuge als das Steuerruder unse-
"rer Vernunft, und die Rede als den Himmels-
"funken ansehen, der unsere Sinnen und Gedan-
"ken allmählich in Flammen brachte -- Nur mit
"der Organisation zur Rede empfieng der Mensch
"den Athem der Gottheit, den Saamen zur Ver-

"voll-
Donec verba, quibus voces fenfusque notarent
Nominaque invenere. Horat. Serm. I. ß.

Von der Sprache uͤberhaupt.
Man betrachte den Taubgebornen, der keine — auch
keine Zeichenſprache gelernet hat, wie er in thieri-
ſcher Wildheit dahin lebt, ſeine Seelenkraͤfte blei-
ben unentwickelt, und er verwelkt wie eine Pflanze,
die unter einem ungedeihlichen Himmelsſtrich zwar
heranwuchs, aber ihre Knoſpe nicht entwickeln, und
ihren ſchoͤnſten Theil nicht zeigen konnte. Aber was
verweilen wir bey Vorzuͤgen die ohnedieß niemand
verkennet. Nur noch ein paar Kraftworte aus Her-
ders Jdeen: „Nur durch die Rede wird die ſchlum-
„mernde Vernunft erweckt, oder vielmehr die nackte
„Faͤhigkeit, die durch ſich ſelbſt ewig todt geblie-
„ben waͤre, wird durch die Sprache lebendige Kraft
„und Wirkung. — Man kann und muß die ſei-
„nen Sprachwerkzeuge als das Steuerruder unſe-
„rer Vernunft, und die Rede als den Himmels-
„funken anſehen, der unſere Sinnen und Gedan-
„ken allmaͤhlich in Flammen brachte — Nur mit
„der Organiſation zur Rede empfieng der Menſch
„den Athem der Gottheit, den Saamen zur Ver-

„voll-
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[27/0055] Von der Sprache uͤberhaupt. Man betrachte den Taubgebornen, der keine — auch keine Zeichenſprache gelernet hat, wie er in thieri- ſcher Wildheit dahin lebt, ſeine Seelenkraͤfte blei- ben unentwickelt, und er verwelkt wie eine Pflanze, die unter einem ungedeihlichen Himmelsſtrich zwar heranwuchs, aber ihre Knoſpe nicht entwickeln, und ihren ſchoͤnſten Theil nicht zeigen konnte. Aber was verweilen wir bey Vorzuͤgen die ohnedieß niemand verkennet. Nur noch ein paar Kraftworte aus Her- ders Jdeen: „Nur durch die Rede wird die ſchlum- „mernde Vernunft erweckt, oder vielmehr die nackte „Faͤhigkeit, die durch ſich ſelbſt ewig todt geblie- „ben waͤre, wird durch die Sprache lebendige Kraft „und Wirkung. — Man kann und muß die ſei- „nen Sprachwerkzeuge als das Steuerruder unſe- „rer Vernunft, und die Rede als den Himmels- „funken anſehen, der unſere Sinnen und Gedan- „ken allmaͤhlich in Flammen brachte — Nur mit „der Organiſation zur Rede empfieng der Menſch „den Athem der Gottheit, den Saamen zur Ver- „voll- (*) (*) Donec verba, quibus voces fenfusque notarent Nominaque invenere. Horat. Serm. I. ʒ.

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Zitationshilfe: Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/55>, abgerufen am 23.11.2024.