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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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chen: Schutz dem alten Drachen. *) Und sollte die Be-
sessene beten: "Heiliger Geist wohn' uns bey! vor dem
Teufel uns bewahr!" u. s. w. so wollte er sie nicht beten
lassen, bis man ihm die Worte vorhielt: "Zur Ehre Gottes,
zum Gehorsam Jesu Christi, laß die Kreatur beten!" --
Nachdem wir einige Zeit mit dem Gebete stark anhielten,
wurde der Satan so grimmig, daß er die Besessene auf den
Boden und mit ihr fast ihre Stiefmutter, die, wie erzählt,
Sonntags vorher von der Besitzung frey wurde, nieder-
warf, auch auf's gräulichste aus ihr brüllte und sie jäm-
merlich, wie zuvor ihre Stiefmutter, zermarterte.

Ihr Vater, der Ehemann der erst Besessenen, als der das
Elend seiner Tochter sah, bat uns, wir sollten seine Tochter
in Frieden lassen, daß sie von dem Satan nicht so schrecklich
gemartert werde, sein Weib aber, das erst besessen gewesen,
sprach ihm ernstlich zu, er solle es geschehen lassen, es
verursache ihr die Marter keinen Schaden. Und wir ließen
auch nicht nach, sondern machten auch Anstalt, daß die
Besessene durch etliche Männer, wogegen sich aber der Satan
gewaltig sperrte, zur Kirche geschleppt wurde, welches Mit-
tags gegen zwölf Uhr geschah.

Die Gemeinde, obgleich nur eine Betstunde gehalten
ward, erschien in der Kirche und sang etliche Gesänge,
z. E. "Gott der Vater wohn' uns bey" und "Eine feste
Burg" u. s. w. und sprach mir den 46. Psalmen eifrig
nach, den ich mit Fleiß auf der Besessenen Zustand richtete,
auch beteten alle mit mir so herzlich, so feurig zu Gott,
und war eine solche mächtige Bewegung, Angst, Furcht,
Zittern, Weinen, Bangigkeit, auch unter den rohesten Ge-
müthern, daß es nicht auszudrücken ist. Der Satan aber
trieb ein lautes, großes Gelächter und Gespött in der Be-
sessenen mit dem Gebet, das sie nachsprechen sollte, brüllte
aus ihr ungeheuer, warf sie, unerachtet sie immer drey bis
vier Männer stark hielten, so hoch empor, daß man immer

*) Man hörte das Gleiche in der Geschichte des Mädchens von Orlach.

chen: Schutz dem alten Drachen. *) Und ſollte die Be-
ſeſſene beten: „Heiliger Geiſt wohn’ uns bey! vor dem
Teufel uns bewahr!“ u. ſ. w. ſo wollte er ſie nicht beten
laſſen, bis man ihm die Worte vorhielt: „Zur Ehre Gottes,
zum Gehorſam Jeſu Chriſti, laß die Kreatur beten!“ —
Nachdem wir einige Zeit mit dem Gebete ſtark anhielten,
wurde der Satan ſo grimmig, daß er die Beſeſſene auf den
Boden und mit ihr faſt ihre Stiefmutter, die, wie erzählt,
Sonntags vorher von der Beſitzung frey wurde, nieder-
warf, auch auf’s gräulichſte aus ihr brüllte und ſie jäm-
merlich, wie zuvor ihre Stiefmutter, zermarterte.

Ihr Vater, der Ehemann der erſt Beſeſſenen, als der das
Elend ſeiner Tochter ſah, bat uns, wir ſollten ſeine Tochter
in Frieden laſſen, daß ſie von dem Satan nicht ſo ſchrecklich
gemartert werde, ſein Weib aber, das erſt beſeſſen geweſen,
ſprach ihm ernſtlich zu, er ſolle es geſchehen laſſen, es
verurſache ihr die Marter keinen Schaden. Und wir ließen
auch nicht nach, ſondern machten auch Anſtalt, daß die
Beſeſſene durch etliche Männer, wogegen ſich aber der Satan
gewaltig ſperrte, zur Kirche geſchleppt wurde, welches Mit-
tags gegen zwölf Uhr geſchah.

Die Gemeinde, obgleich nur eine Betſtunde gehalten
ward, erſchien in der Kirche und ſang etliche Geſänge,
z. E. „Gott der Vater wohn’ uns bey“ und „Eine feſte
Burg“ u. ſ. w. und ſprach mir den 46. Pſalmen eifrig
nach, den ich mit Fleiß auf der Beſeſſenen Zuſtand richtete,
auch beteten alle mit mir ſo herzlich, ſo feurig zu Gott,
und war eine ſolche mächtige Bewegung, Angſt, Furcht,
Zittern, Weinen, Bangigkeit, auch unter den roheſten Ge-
müthern, daß es nicht auszudrücken iſt. Der Satan aber
trieb ein lautes, großes Gelächter und Geſpött in der Be-
ſeſſenen mit dem Gebet, das ſie nachſprechen ſollte, brüllte
aus ihr ungeheuer, warf ſie, unerachtet ſie immer drey bis
vier Männer ſtark hielten, ſo hoch empor, daß man immer

*) Man hörte das Gleiche in der Geſchichte des Mädchens von Orlach.
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[111/0125] chen: Schutz dem alten Drachen. *) Und ſollte die Be- ſeſſene beten: „Heiliger Geiſt wohn’ uns bey! vor dem Teufel uns bewahr!“ u. ſ. w. ſo wollte er ſie nicht beten laſſen, bis man ihm die Worte vorhielt: „Zur Ehre Gottes, zum Gehorſam Jeſu Chriſti, laß die Kreatur beten!“ — Nachdem wir einige Zeit mit dem Gebete ſtark anhielten, wurde der Satan ſo grimmig, daß er die Beſeſſene auf den Boden und mit ihr faſt ihre Stiefmutter, die, wie erzählt, Sonntags vorher von der Beſitzung frey wurde, nieder- warf, auch auf’s gräulichſte aus ihr brüllte und ſie jäm- merlich, wie zuvor ihre Stiefmutter, zermarterte. Ihr Vater, der Ehemann der erſt Beſeſſenen, als der das Elend ſeiner Tochter ſah, bat uns, wir ſollten ſeine Tochter in Frieden laſſen, daß ſie von dem Satan nicht ſo ſchrecklich gemartert werde, ſein Weib aber, das erſt beſeſſen geweſen, ſprach ihm ernſtlich zu, er ſolle es geſchehen laſſen, es verurſache ihr die Marter keinen Schaden. Und wir ließen auch nicht nach, ſondern machten auch Anſtalt, daß die Beſeſſene durch etliche Männer, wogegen ſich aber der Satan gewaltig ſperrte, zur Kirche geſchleppt wurde, welches Mit- tags gegen zwölf Uhr geſchah. Die Gemeinde, obgleich nur eine Betſtunde gehalten ward, erſchien in der Kirche und ſang etliche Geſänge, z. E. „Gott der Vater wohn’ uns bey“ und „Eine feſte Burg“ u. ſ. w. und ſprach mir den 46. Pſalmen eifrig nach, den ich mit Fleiß auf der Beſeſſenen Zuſtand richtete, auch beteten alle mit mir ſo herzlich, ſo feurig zu Gott, und war eine ſolche mächtige Bewegung, Angſt, Furcht, Zittern, Weinen, Bangigkeit, auch unter den roheſten Ge- müthern, daß es nicht auszudrücken iſt. Der Satan aber trieb ein lautes, großes Gelächter und Geſpött in der Be- ſeſſenen mit dem Gebet, das ſie nachſprechen ſollte, brüllte aus ihr ungeheuer, warf ſie, unerachtet ſie immer drey bis vier Männer ſtark hielten, ſo hoch empor, daß man immer *) Man hörte das Gleiche in der Geſchichte des Mädchens von Orlach.

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/125>, abgerufen am 21.11.2024.