Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.oder Kaisers oder gar unsers Herrn Gottes mit großer Con- Eben so ist es der Erklärungsgrund der Geständnisse jener Dieß wird ungefähr auf diesem Standpunkt der stärkste Wir geben zu, daß eine Vision eine solche Intensität er- Was hingegen die Frau U .. n von J .. m und die mei- oder Kaiſers oder gar unſers Herrn Gottes mit großer Con- Eben ſo iſt es der Erklärungsgrund der Geſtändniſſe jener Dieß wird ungefähr auf dieſem Standpunkt der ſtärkſte Wir geben zu, daß eine Viſion eine ſolche Intenſität er- Was hingegen die Frau U .. n von J .. m und die mei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0189" n="175"/> oder Kaiſers oder gar unſers Herrn Gottes mit großer Con-<lb/> ſequenz und bey anſcheinender Geſundheit durch, warum<lb/> ſollte das Gleiche nicht in periodiſchen Uebergängen mög-<lb/> lich ſeyn?</p><lb/> <p>Eben ſo iſt es der Erklärungsgrund der Geſtändniſſe jener<lb/> Perſonen, die ſich für Zauberinnen halten. Sie glauben<lb/> das wirklich erlebt und gethan zu haben, was blos eine<lb/> in ihnen perſönlich gewordene Viſion war, die ihre ganze<lb/> Seele einnahm.</p><lb/> <p>Dieß wird ungefähr auf dieſem Standpunkt der ſtärkſte<lb/> und umfaſſendſte Einwurf ſeyn, den wir zu beantworten<lb/> haben.</p><lb/> <p>Wir geben zu, daß eine Viſion eine ſolche Intenſität er-<lb/> reichen könne, daß ſie nicht nur das Ich aus ſeiner Stelle<lb/> verdrängt, ſondern auch das ganze Nervenſyſtem in Be-<lb/> wegung ſetzt, und zwar in ſolche, welche mit der Viſion<lb/> übereinſtimmt. Aber dieſe Viſion muß dann doch auf ei-<lb/> genem Boden gewachſen ſeyn und darf der Gemüthsart<lb/> und dem moraliſchen Charakter nicht widerſprechen. Wenn<lb/> wir nun bey gutartigen, nie überſpannten, vielmehr ſehr<lb/> einfachen und chriſtlichen Perſonen auf einmal Hohn und<lb/> Spott gegen die Menſchen, und die ärgſten Läſterungen<lb/> gegen Gott, Chriſtum und die Religion ausſtoßen ſehen,<lb/> ſie mit einer rauhen Baßſtimme reden hören, wenn ſich vor<lb/> Augenzeugen Dinge ereignen, die nur von fremder, unbe-<lb/> kannter Hand kommen konnten, wenn vorher verkündete<lb/> Thatſachen eintreffen und die Geſchichte ſich in ſolche Sce-<lb/> nen verwickelt, welche die Erfindungsgabe und die Diction<lb/> dieſer Perſonen weit überſteigen, ſo werden wir wohl ge-<lb/> noͤthigt ſeyn, einen andern Erklärungsgrund aufzuſuchen.<lb/> Dieß war nun wirklich bey dem Mädchen von Orlach<lb/> der Fall.</p><lb/> <p>Was hingegen die Frau U .. n von J .. m und die mei-<lb/> ſten übrigen Geſchichten betrifft, ſo war von keiner Viſion<lb/> die Rede. Der natürliche Zuſtand wechſelte mit dem un-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [175/0189]
oder Kaiſers oder gar unſers Herrn Gottes mit großer Con-
ſequenz und bey anſcheinender Geſundheit durch, warum
ſollte das Gleiche nicht in periodiſchen Uebergängen mög-
lich ſeyn?
Eben ſo iſt es der Erklärungsgrund der Geſtändniſſe jener
Perſonen, die ſich für Zauberinnen halten. Sie glauben
das wirklich erlebt und gethan zu haben, was blos eine
in ihnen perſönlich gewordene Viſion war, die ihre ganze
Seele einnahm.
Dieß wird ungefähr auf dieſem Standpunkt der ſtärkſte
und umfaſſendſte Einwurf ſeyn, den wir zu beantworten
haben.
Wir geben zu, daß eine Viſion eine ſolche Intenſität er-
reichen könne, daß ſie nicht nur das Ich aus ſeiner Stelle
verdrängt, ſondern auch das ganze Nervenſyſtem in Be-
wegung ſetzt, und zwar in ſolche, welche mit der Viſion
übereinſtimmt. Aber dieſe Viſion muß dann doch auf ei-
genem Boden gewachſen ſeyn und darf der Gemüthsart
und dem moraliſchen Charakter nicht widerſprechen. Wenn
wir nun bey gutartigen, nie überſpannten, vielmehr ſehr
einfachen und chriſtlichen Perſonen auf einmal Hohn und
Spott gegen die Menſchen, und die ärgſten Läſterungen
gegen Gott, Chriſtum und die Religion ausſtoßen ſehen,
ſie mit einer rauhen Baßſtimme reden hören, wenn ſich vor
Augenzeugen Dinge ereignen, die nur von fremder, unbe-
kannter Hand kommen konnten, wenn vorher verkündete
Thatſachen eintreffen und die Geſchichte ſich in ſolche Sce-
nen verwickelt, welche die Erfindungsgabe und die Diction
dieſer Perſonen weit überſteigen, ſo werden wir wohl ge-
noͤthigt ſeyn, einen andern Erklärungsgrund aufzuſuchen.
Dieß war nun wirklich bey dem Mädchen von Orlach
der Fall.
Was hingegen die Frau U .. n von J .. m und die mei-
ſten übrigen Geſchichten betrifft, ſo war von keiner Viſion
die Rede. Der natürliche Zuſtand wechſelte mit dem un-
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