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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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werden wir uns hüten, an Simulation zu denken. Dieß
war auch bey den beyden ersten erwähnten Personen so
sehr der Fall, daß wohl Niemand, der sie kannte, den
Gedanken an Verstellung haben konnte. Die guten Prä-
dicate, das ganze Benehmen, die bittern Klagen über ihr
Schicksal, Gebet und Fasten, wie bey der U .. n, die sehn-
lichsten Bitten um Hülfe, das strengste Erfüllen aller Ge-
bote sind lauter sprechende Beweise dagegen.

Simulation kann nur bey Besessenen angenommen wer-
den; denn daß sich eine ehrbare Frau zur Zauberin verstel-
len wird, wird wohl kein Mensch im Ernste behaupten.



Fixe Idee.

Könnte nicht die Macht der fixen Idee, die Rolle
einer Besessenen oder Zauberin zu spielen
, eine
Person von Jugend an so sehr beherrschen, daß diese
Idee sie zu allen den Visionen, zu den Selbstanklagen ver-
übter Verbrechen, zu den Verführungen Anderer, zu den
Gotteslästerungen und zum Reiigionshaß, ja endlich bis
zum Scheiterhaufen führen könnte, während diese Personen
sonst sich sehr klug benehmen und jedes Geschäft verrichten?

Dagegen sprechen überwiegende Gründe:

1) Eine solche fixe Idee wäre so alt, als die erste Urkunde
des Menschengeschlechts. Denn schon in der Mosaischen
Gesetzgebung steht Exod. C. 22, V. 18. "Die Zauberinnen
sollt ihr nicht leben lassen." In den ältern Schriften fin-
den wir alle die magischen Künste in ein förmliches Sy-
stem gebracht und alle die Sammlungen zeigen uns, daß
dieses geheime Uebel von den ältesten Zeiten in einer steten
Reihenfolge bis auf unsere Zeiten sich geschichtlich nachwei-
sen läßt. Diese fixe Idee muß demnach nicht blos ein pe-
riodisches Uebel, wie etwa die Cholera, sondern ein statio-

Kerner, über Besessensenn. 12

werden wir uns hüten, an Simulation zu denken. Dieß
war auch bey den beyden erſten erwähnten Perſonen ſo
ſehr der Fall, daß wohl Niemand, der ſie kannte, den
Gedanken an Verſtellung haben konnte. Die guten Prä-
dicate, das ganze Benehmen, die bittern Klagen über ihr
Schickſal, Gebet und Faſten, wie bey der U .. n, die ſehn-
lichſten Bitten um Hülfe, das ſtrengſte Erfüllen aller Ge-
bote ſind lauter ſprechende Beweiſe dagegen.

Simulation kann nur bey Beſeſſenen angenommen wer-
den; denn daß ſich eine ehrbare Frau zur Zauberin verſtel-
len wird, wird wohl kein Menſch im Ernſte behaupten.



Fixe Idee.

Könnte nicht die Macht der fixen Idee, die Rolle
einer Beſeſſenen oder Zauberin zu ſpielen
, eine
Perſon von Jugend an ſo ſehr beherrſchen, daß dieſe
Idee ſie zu allen den Viſionen, zu den Selbſtanklagen ver-
übter Verbrechen, zu den Verführungen Anderer, zu den
Gottesläſterungen und zum Reiigionshaß, ja endlich bis
zum Scheiterhaufen führen könnte, während dieſe Perſonen
ſonſt ſich ſehr klug benehmen und jedes Geſchäft verrichten?

Dagegen ſprechen überwiegende Gründe:

1) Eine ſolche fixe Idee wäre ſo alt, als die erſte Urkunde
des Menſchengeſchlechts. Denn ſchon in der Moſaiſchen
Geſetzgebung ſteht Exod. C. 22, V. 18. „Die Zauberinnen
ſollt ihr nicht leben laſſen.“ In den ältern Schriften fin-
den wir alle die magiſchen Künſte in ein förmliches Sy-
ſtem gebracht und alle die Sammlungen zeigen uns, daß
dieſes geheime Uebel von den älteſten Zeiten in einer ſteten
Reihenfolge bis auf unſere Zeiten ſich geſchichtlich nachwei-
ſen läßt. Dieſe fixe Idee muß demnach nicht blos ein pe-
riodiſches Uebel, wie etwa die Cholera, ſondern ein ſtatio-

Kerner, über Beſeſſenſenn. 12
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[177/0191] werden wir uns hüten, an Simulation zu denken. Dieß war auch bey den beyden erſten erwähnten Perſonen ſo ſehr der Fall, daß wohl Niemand, der ſie kannte, den Gedanken an Verſtellung haben konnte. Die guten Prä- dicate, das ganze Benehmen, die bittern Klagen über ihr Schickſal, Gebet und Faſten, wie bey der U .. n, die ſehn- lichſten Bitten um Hülfe, das ſtrengſte Erfüllen aller Ge- bote ſind lauter ſprechende Beweiſe dagegen. Simulation kann nur bey Beſeſſenen angenommen wer- den; denn daß ſich eine ehrbare Frau zur Zauberin verſtel- len wird, wird wohl kein Menſch im Ernſte behaupten. Fixe Idee. Könnte nicht die Macht der fixen Idee, die Rolle einer Beſeſſenen oder Zauberin zu ſpielen, eine Perſon von Jugend an ſo ſehr beherrſchen, daß dieſe Idee ſie zu allen den Viſionen, zu den Selbſtanklagen ver- übter Verbrechen, zu den Verführungen Anderer, zu den Gottesläſterungen und zum Reiigionshaß, ja endlich bis zum Scheiterhaufen führen könnte, während dieſe Perſonen ſonſt ſich ſehr klug benehmen und jedes Geſchäft verrichten? Dagegen ſprechen überwiegende Gründe: 1) Eine ſolche fixe Idee wäre ſo alt, als die erſte Urkunde des Menſchengeſchlechts. Denn ſchon in der Moſaiſchen Geſetzgebung ſteht Exod. C. 22, V. 18. „Die Zauberinnen ſollt ihr nicht leben laſſen.“ In den ältern Schriften fin- den wir alle die magiſchen Künſte in ein förmliches Sy- ſtem gebracht und alle die Sammlungen zeigen uns, daß dieſes geheime Uebel von den älteſten Zeiten in einer ſteten Reihenfolge bis auf unſere Zeiten ſich geſchichtlich nachwei- ſen läßt. Dieſe fixe Idee muß demnach nicht blos ein pe- riodiſches Uebel, wie etwa die Cholera, ſondern ein ſtatio- Kerner, über Beſeſſenſenn. 12

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/191>, abgerufen am 23.11.2024.