Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.An sich lassen sich zwey Arten von Wahnsinn gedenken: An ſich laſſen ſich zwey Arten von Wahnſinn gedenken: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0026" n="12"/> <p>An ſich laſſen ſich zwey Arten von Wahnſinn gedenken:<lb/> einer, der ſeinen Grund in bloſer Störung oder Zerrüttung<lb/> der Denkwerkzeuge hat, und abermals entweder eine Folge<lb/> innerlicher Krankheit oder einer gewaltſamen Erſchütterung<lb/> von außen, eines Falls, Schlags und Stoßes, oder einer<lb/> heftig aufgeregten Leidenſchaft ſeyn kann. Dieſen heilt, ſo<lb/> Gott will und die Werkzeuge noch ganz ſind, der Arzt. Es<lb/> iſt aber, wenn wir böſe Geiſter und ihren Einfluß auf den<lb/> Menſchen, den die Schrift lehrt, annehmen, auch ein Wahn-<lb/> ſinn und eine Raſerey und eine Fallſucht möglich, die un-<lb/> mittelbar von der Inwohnung eines böſen Weſens herrührt,<lb/> welches die Denkkräfte lähmt, verwirrt, auf allerhand ſchreck-<lb/> liche Art mißbraucht, und dann zuweilen ganz wunderwür-<lb/> dige Reden oder Handlungen hervorbringt. — Die unge-<lb/> heure Stärke der Wüthenden, der ſcharfe Witz, den Blöd-<lb/> ſinnige ausſprechen, brauchen zwar ſo wenig, wie die ſon-<lb/> derbaren Liebhabereyen des Wahnwitzes, jedesmal dem Spiel<lb/> eines Dämons anzugehören, da der Menſch in ſich ſelbſt<lb/> verborgene Kräfte genug hat, deren zufällige Entwickelung,<lb/> da ſie ins Gebiet des Wunderbaren hinüberreichen, uns in<lb/> ein gerechtes Erſtaunen ſetzen kann. Ich will hiezu ſogar<lb/> die entſchiedene Wahrſagergabe rechnen, die man an ge-<lb/> wiſſen Wahnſinnigen beobachtet hat; denn ſie ließe ſich aus<lb/> einer Entwickelung des Ahnungvermögens bey geſchwächten<lb/> Vernunftkräften erklären. Wie aber überhaupt das Ahnungs-<lb/> vermögen den Menſchen in Verbindung mit der Geiſterwelt<lb/> ſetzt, und ſobald dieſe Thür geöffnet iſt, ſich nicht mehr<lb/> berechnen läßt, wie viel oder wenig Einfluß letztere auf<lb/> ihn habe; ſo kann ich, wenn ich ruhig <choice><sic>dir</sic><corr>die</corr></choice> Möglichkeiten<lb/> abwäge, mir auch denken, daß bey einem oder dem andern<lb/> jener Nervenkranken, Irren und Raſenden der wahre Treiber<lb/> oder Agent ein unſichtbarer Inwohner aus der finſtern Welt<lb/> ſey. Denn es iſt blos ein körperliches Geſetz, daß ein Ding<lb/> dem andern den Raum verſperrt, oder, wie die Phyſiker<lb/> ſprechen, daß die Körper <hi rendition="#g">undurchdringlich</hi> ſind; im<lb/> Geiſterreich herrſcht eine andere Ordnung, wovon der An-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [12/0026]
An ſich laſſen ſich zwey Arten von Wahnſinn gedenken:
einer, der ſeinen Grund in bloſer Störung oder Zerrüttung
der Denkwerkzeuge hat, und abermals entweder eine Folge
innerlicher Krankheit oder einer gewaltſamen Erſchütterung
von außen, eines Falls, Schlags und Stoßes, oder einer
heftig aufgeregten Leidenſchaft ſeyn kann. Dieſen heilt, ſo
Gott will und die Werkzeuge noch ganz ſind, der Arzt. Es
iſt aber, wenn wir böſe Geiſter und ihren Einfluß auf den
Menſchen, den die Schrift lehrt, annehmen, auch ein Wahn-
ſinn und eine Raſerey und eine Fallſucht möglich, die un-
mittelbar von der Inwohnung eines böſen Weſens herrührt,
welches die Denkkräfte lähmt, verwirrt, auf allerhand ſchreck-
liche Art mißbraucht, und dann zuweilen ganz wunderwür-
dige Reden oder Handlungen hervorbringt. — Die unge-
heure Stärke der Wüthenden, der ſcharfe Witz, den Blöd-
ſinnige ausſprechen, brauchen zwar ſo wenig, wie die ſon-
derbaren Liebhabereyen des Wahnwitzes, jedesmal dem Spiel
eines Dämons anzugehören, da der Menſch in ſich ſelbſt
verborgene Kräfte genug hat, deren zufällige Entwickelung,
da ſie ins Gebiet des Wunderbaren hinüberreichen, uns in
ein gerechtes Erſtaunen ſetzen kann. Ich will hiezu ſogar
die entſchiedene Wahrſagergabe rechnen, die man an ge-
wiſſen Wahnſinnigen beobachtet hat; denn ſie ließe ſich aus
einer Entwickelung des Ahnungvermögens bey geſchwächten
Vernunftkräften erklären. Wie aber überhaupt das Ahnungs-
vermögen den Menſchen in Verbindung mit der Geiſterwelt
ſetzt, und ſobald dieſe Thür geöffnet iſt, ſich nicht mehr
berechnen läßt, wie viel oder wenig Einfluß letztere auf
ihn habe; ſo kann ich, wenn ich ruhig die Möglichkeiten
abwäge, mir auch denken, daß bey einem oder dem andern
jener Nervenkranken, Irren und Raſenden der wahre Treiber
oder Agent ein unſichtbarer Inwohner aus der finſtern Welt
ſey. Denn es iſt blos ein körperliches Geſetz, daß ein Ding
dem andern den Raum verſperrt, oder, wie die Phyſiker
ſprechen, daß die Körper undurchdringlich ſind; im
Geiſterreich herrſcht eine andere Ordnung, wovon der An-
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