Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

mit welcher Bewegung der schwarze Geist gleichsam wie-
der aus ihr heraus fährt und ihr Geist wieder in ihren
Körper zurücktritt. Sie erwacht und hat keine Ahnung
von dem, was inzwischen in ihrem Körper vorgegangen und
was der schwarze Geist aus ihm gesprochen. Gemeiniglich
ist es ihr nach dem Erwachen, als seye sie in der Kirche ge-
wesen und habe mit der Gemeinde gesungen oder gebetet,
während doch die teuflischen Reden durch ihren Mund gegan-
gen waren. Aber das ist es, was der weiße Geist ihr mit
ihrem Geiste zu thun versprach, während der schwarze Geist
sich ihres Körpers bemächtige. Der schwarze Geist in ihr ant-
wortet auf Fragen. Heilige Namen aus der Bibel, selbst
das Wort heilig, ist er nicht auszusprechen fähig. Nähert
man dem Mädchen die Bibel, sucht sie gegen dieselbe zu
spucken, der Mund ist aber in diesem Zustande so trocken,
daß er nicht den mindesten Speichel hervorzubringen fähig
ist, es ist nur das Zischen einer Schlange.

Von Gott spricht er mit einer Art Aengstichkeit. "Das
ist das Verhaßte, sagte er einst, daß mein Herr auch einen
Herrn hat."

Oft leuchtete aus seinen Worten der Wunsch und sogar die
Hoffnung hindurch, vielleicht doch noch bekehrt zu werden,
und nicht sowohl der böse Wille als vielmehr der Zweifel
an die Möglichkeit noch begnadigt und selig zu werden,
schien ihn von der Bekehrung abzuhalten *).

Es war nicht zu verwundern, daß Aerzte diesen Zustand
des Mädchens für eine natürliche Krankheit erklärten. Sie
konnten daher unmöglich der in den Anfällen ausgesprochenen
Behauptung des Mädchens, daß es von einem guten wei-
ßen Geiste eine wirkliche Erscheinung habe und von einem

*) Eine bei Sündern und Missethätern nicht seltene Erscheinung,
daher die einzige Bekehrungskraft des Evangeliums. Vergl.
Waltersdorf Schächer am Kreuz.
-- y --

mit welcher Bewegung der ſchwarze Geiſt gleichſam wie-
der aus ihr heraus fährt und ihr Geiſt wieder in ihren
Körper zurücktritt. Sie erwacht und hat keine Ahnung
von dem, was inzwiſchen in ihrem Körper vorgegangen und
was der ſchwarze Geiſt aus ihm geſprochen. Gemeiniglich
iſt es ihr nach dem Erwachen, als ſeye ſie in der Kirche ge-
weſen und habe mit der Gemeinde geſungen oder gebetet,
während doch die teufliſchen Reden durch ihren Mund gegan-
gen waren. Aber das iſt es, was der weiße Geiſt ihr mit
ihrem Geiſte zu thun verſprach, während der ſchwarze Geiſt
ſich ihres Körpers bemächtige. Der ſchwarze Geiſt in ihr ant-
wortet auf Fragen. Heilige Namen aus der Bibel, ſelbſt
das Wort heilig, iſt er nicht auszuſprechen fähig. Nähert
man dem Mädchen die Bibel, ſucht ſie gegen dieſelbe zu
ſpucken, der Mund iſt aber in dieſem Zuſtande ſo trocken,
daß er nicht den mindeſten Speichel hervorzubringen fähig
iſt, es iſt nur das Ziſchen einer Schlange.

Von Gott ſpricht er mit einer Art Aengſtichkeit. „Das
iſt das Verhaßte, ſagte er einſt, daß mein Herr auch einen
Herrn hat.“

Oft leuchtete aus ſeinen Worten der Wunſch und ſogar die
Hoffnung hindurch, vielleicht doch noch bekehrt zu werden,
und nicht ſowohl der böſe Wille als vielmehr der Zweifel
an die Möglichkeit noch begnadigt und ſelig zu werden,
ſchien ihn von der Bekehrung abzuhalten *).

Es war nicht zu verwundern, daß Aerzte dieſen Zuſtand
des Mädchens für eine natürliche Krankheit erklärten. Sie
konnten daher unmöglich der in den Anfällen ausgeſprochenen
Behauptung des Mädchens, daß es von einem guten wei-
ßen Geiſte eine wirkliche Erſcheinung habe und von einem

*) Eine bei Sündern und Miſſethätern nicht ſeltene Erſcheinung,
daher die einzige Bekehrungskraft des Evangeliums. Vergl.
Waltersdorf Schächer am Kreuz.
— y —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0051" n="37"/>
mit welcher Bewegung der &#x017F;chwarze Gei&#x017F;t gleich&#x017F;am wie-<lb/>
der aus ihr heraus fährt und ihr Gei&#x017F;t wieder in ihren<lb/>
Körper zurücktritt. Sie erwacht und hat keine Ahnung<lb/>
von dem, was inzwi&#x017F;chen in ihrem Körper vorgegangen und<lb/>
was der &#x017F;chwarze Gei&#x017F;t aus ihm ge&#x017F;prochen. Gemeiniglich<lb/>
i&#x017F;t es ihr nach dem Erwachen, als &#x017F;eye &#x017F;ie in der Kirche ge-<lb/>
we&#x017F;en und habe mit der Gemeinde ge&#x017F;ungen oder gebetet,<lb/>
während doch die teufli&#x017F;chen Reden durch ihren Mund gegan-<lb/>
gen waren. Aber das i&#x017F;t es, was der weiße Gei&#x017F;t ihr mit<lb/>
ihrem Gei&#x017F;te zu thun ver&#x017F;prach, während der &#x017F;chwarze Gei&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ich ihres Körpers bemächtige. Der &#x017F;chwarze Gei&#x017F;t in ihr ant-<lb/>
wortet auf Fragen. Heilige Namen aus der Bibel, &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
das Wort heilig, i&#x017F;t er nicht auszu&#x017F;prechen fähig. Nähert<lb/>
man dem Mädchen die Bibel, &#x017F;ucht &#x017F;ie gegen die&#x017F;elbe zu<lb/>
&#x017F;pucken, der Mund i&#x017F;t aber in die&#x017F;em Zu&#x017F;tande &#x017F;o trocken,<lb/>
daß er nicht den minde&#x017F;ten Speichel hervorzubringen fähig<lb/>
i&#x017F;t, es i&#x017F;t nur das Zi&#x017F;chen einer Schlange.</p><lb/>
        <p>Von Gott &#x017F;pricht er mit einer Art Aeng&#x017F;tichkeit. &#x201E;Das<lb/>
i&#x017F;t das Verhaßte, &#x017F;agte er ein&#x017F;t, daß mein Herr auch einen<lb/>
Herrn hat.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Oft leuchtete aus &#x017F;einen Worten der Wun&#x017F;ch und &#x017F;ogar die<lb/>
Hoffnung hindurch, vielleicht doch noch bekehrt zu werden,<lb/>
und nicht &#x017F;owohl der bö&#x017F;e Wille als vielmehr der Zweifel<lb/>
an die Möglichkeit noch begnadigt und &#x017F;elig zu werden,<lb/>
&#x017F;chien ihn von der Bekehrung abzuhalten <note place="foot" n="*)">Eine bei Sündern und Mi&#x017F;&#x017F;ethätern nicht &#x017F;eltene Er&#x017F;cheinung,<lb/>
daher die einzige Bekehrungskraft des Evangeliums. Vergl.<lb/>
Waltersdorf Schächer am Kreuz.<lb/><hi rendition="#et">&#x2014; y &#x2014;</hi></note>.</p><lb/>
        <p>Es war nicht zu verwundern, daß Aerzte die&#x017F;en Zu&#x017F;tand<lb/>
des Mädchens für eine natürliche Krankheit erklärten. Sie<lb/>
konnten daher unmöglich der in den Anfällen ausge&#x017F;prochenen<lb/>
Behauptung des Mädchens, daß es von einem guten wei-<lb/>
ßen Gei&#x017F;te eine wirkliche Er&#x017F;cheinung habe und von einem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0051] mit welcher Bewegung der ſchwarze Geiſt gleichſam wie- der aus ihr heraus fährt und ihr Geiſt wieder in ihren Körper zurücktritt. Sie erwacht und hat keine Ahnung von dem, was inzwiſchen in ihrem Körper vorgegangen und was der ſchwarze Geiſt aus ihm geſprochen. Gemeiniglich iſt es ihr nach dem Erwachen, als ſeye ſie in der Kirche ge- weſen und habe mit der Gemeinde geſungen oder gebetet, während doch die teufliſchen Reden durch ihren Mund gegan- gen waren. Aber das iſt es, was der weiße Geiſt ihr mit ihrem Geiſte zu thun verſprach, während der ſchwarze Geiſt ſich ihres Körpers bemächtige. Der ſchwarze Geiſt in ihr ant- wortet auf Fragen. Heilige Namen aus der Bibel, ſelbſt das Wort heilig, iſt er nicht auszuſprechen fähig. Nähert man dem Mädchen die Bibel, ſucht ſie gegen dieſelbe zu ſpucken, der Mund iſt aber in dieſem Zuſtande ſo trocken, daß er nicht den mindeſten Speichel hervorzubringen fähig iſt, es iſt nur das Ziſchen einer Schlange. Von Gott ſpricht er mit einer Art Aengſtichkeit. „Das iſt das Verhaßte, ſagte er einſt, daß mein Herr auch einen Herrn hat.“ Oft leuchtete aus ſeinen Worten der Wunſch und ſogar die Hoffnung hindurch, vielleicht doch noch bekehrt zu werden, und nicht ſowohl der böſe Wille als vielmehr der Zweifel an die Möglichkeit noch begnadigt und ſelig zu werden, ſchien ihn von der Bekehrung abzuhalten *). Es war nicht zu verwundern, daß Aerzte dieſen Zuſtand des Mädchens für eine natürliche Krankheit erklärten. Sie konnten daher unmöglich der in den Anfällen ausgeſprochenen Behauptung des Mädchens, daß es von einem guten wei- ßen Geiſte eine wirkliche Erſcheinung habe und von einem *) Eine bei Sündern und Miſſethätern nicht ſeltene Erſcheinung, daher die einzige Bekehrungskraft des Evangeliums. Vergl. Waltersdorf Schächer am Kreuz. — y —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/51
Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/51>, abgerufen am 24.11.2024.