Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.noch zu sehen sind, wie es Stilling in seiner Geister- "Wir würden uns wohl auch in Orlach vergebens be- noch zu ſehen ſind, wie es Stilling in ſeiner Geiſter- „Wir würden uns wohl auch in Orlach vergebens be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0062" n="48"/> noch zu ſehen ſind, wie es <hi rendition="#g">Stilling</hi> in ſeiner Geiſter-<lb/> theorie erzählt und eine ſcharfſinnige Erklärung dieſer Er-<lb/> ſcheinung zu geben ſucht.“</p><lb/> <p>„Wir würden uns wohl auch in Orlach vergebens be-<lb/> mühen, eine natürliche Erklärung dieſer Vorfälle zu finden.<lb/> Die in die Augen fallenden Thatſachen, wie z. B. das<lb/> Brennen im Haus, der Unfug im Stall u. ſ. w., wurden<lb/> von zu vielen unpartheiiſchen, redlichen Zeugen geſehen und<lb/> an eine Abſicht zur Täuſchung läßt ſich bei einer Sache,<lb/> welche den betreffenden Perſonen ſo großen Nachtheil brachte,<lb/> gar nicht denken. Auf das einfache Bauernmädchen, wel-<lb/> ches in ihrem Leben weder von Stillings Geiſtertheorie,<lb/> noch von der Seherin von Prevorſt einen Buchſtaben ge-<lb/> leſen hat, konnten jene Schriften keinen Einfluß haben,<lb/> und die Aehnlichkeit ihrer Erſcheinungen mit ſo manchem,<lb/> was in jenen Schriften erzählt und behauptet wird, kann<lb/> daher nicht blos zufällig ſeyn. Auch läßt ſich nicht voraus-<lb/> ſetzen, daß das Mädchen, dem es ſo ſehr an Geiſtesanla-<lb/> gen fehlte, daß es in der Schule nicht einmal <hi rendition="#g">das</hi> recht<lb/> lernen konnte, was in den Dorfſchulen gelehrt wird, die<lb/> Geſchichte der zwey Geiſter erſonnen habe, denn es herrſcht<lb/> eine Conſequenz in der Charakterſchilderung, in den Aeuße-<lb/> rungen dieſer Perſonen, es kommen Anſpielungen auf das<lb/> Kloſterleben der Mönche aus den Zeiten des Mittelalters<lb/> darin vor, die das proteſtantiſche, unwiſſende Bauernmäd-<lb/> chen unmöglich aus der eigenen Phantaſie geſchöpft haben<lb/> kann. Und was die Bibelſprüche betrifft, welche ich von ihr<lb/> gehört habe, ſo iſt doch wohl ſchwer zu erklären, daß ſie<lb/> ſolche Sprüche traf, die ſehr geeignet erſcheinen, ſie in<lb/> ihren Leiden zu tröſten, wie 1. Pet. 1, 20, während der<lb/> 116. Pſalm für ein Gemüth, wie der weiße Geiſt geſchil-<lb/> dert wird, das vom Gefühl der Reue, der Sehnſucht nach<lb/> Erlöſung und der Hoffnung baldiger Begnadigung erfüllt<lb/> iſt, eine ſehr ſchöne, tiefe Bedeutung hat. Iſt es nicht<lb/> wunderbar, daß unter den vielen tauſend Bibelſprüchen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [48/0062]
noch zu ſehen ſind, wie es Stilling in ſeiner Geiſter-
theorie erzählt und eine ſcharfſinnige Erklärung dieſer Er-
ſcheinung zu geben ſucht.“
„Wir würden uns wohl auch in Orlach vergebens be-
mühen, eine natürliche Erklärung dieſer Vorfälle zu finden.
Die in die Augen fallenden Thatſachen, wie z. B. das
Brennen im Haus, der Unfug im Stall u. ſ. w., wurden
von zu vielen unpartheiiſchen, redlichen Zeugen geſehen und
an eine Abſicht zur Täuſchung läßt ſich bei einer Sache,
welche den betreffenden Perſonen ſo großen Nachtheil brachte,
gar nicht denken. Auf das einfache Bauernmädchen, wel-
ches in ihrem Leben weder von Stillings Geiſtertheorie,
noch von der Seherin von Prevorſt einen Buchſtaben ge-
leſen hat, konnten jene Schriften keinen Einfluß haben,
und die Aehnlichkeit ihrer Erſcheinungen mit ſo manchem,
was in jenen Schriften erzählt und behauptet wird, kann
daher nicht blos zufällig ſeyn. Auch läßt ſich nicht voraus-
ſetzen, daß das Mädchen, dem es ſo ſehr an Geiſtesanla-
gen fehlte, daß es in der Schule nicht einmal das recht
lernen konnte, was in den Dorfſchulen gelehrt wird, die
Geſchichte der zwey Geiſter erſonnen habe, denn es herrſcht
eine Conſequenz in der Charakterſchilderung, in den Aeuße-
rungen dieſer Perſonen, es kommen Anſpielungen auf das
Kloſterleben der Mönche aus den Zeiten des Mittelalters
darin vor, die das proteſtantiſche, unwiſſende Bauernmäd-
chen unmöglich aus der eigenen Phantaſie geſchöpft haben
kann. Und was die Bibelſprüche betrifft, welche ich von ihr
gehört habe, ſo iſt doch wohl ſchwer zu erklären, daß ſie
ſolche Sprüche traf, die ſehr geeignet erſcheinen, ſie in
ihren Leiden zu tröſten, wie 1. Pet. 1, 20, während der
116. Pſalm für ein Gemüth, wie der weiße Geiſt geſchil-
dert wird, das vom Gefühl der Reue, der Sehnſucht nach
Erlöſung und der Hoffnung baldiger Begnadigung erfüllt
iſt, eine ſehr ſchöne, tiefe Bedeutung hat. Iſt es nicht
wunderbar, daß unter den vielen tauſend Bibelſprüchen,
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