Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.wurde, sie in solchen Anfällen immer nur um sich schlug. Als die Frau wieder zu sich kam, wußte sie nichts von Von da an sprach nun immer in jenen Anfällen die Stimme wurde, ſie in ſolchen Anfällen immer nur um ſich ſchlug. Als die Frau wieder zu ſich kam, wußte ſie nichts von Von da an ſprach nun immer in jenen Anfällen die Stimme <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0088" n="74"/> wurde, ſie in ſolchen Anfällen immer nur um ſich ſchlug.<lb/> Erſt nach vier Monaten ſprach es nun auf einmal aus ihr<lb/> und zwar das erſtemal zu ihrem Bruder in der Nacht:<lb/> „Weiſt du wer ich bin?“ Er ſagte: „Nein.“ Hierauf er-<lb/> wiederte die Stimme: „Erinnerſt du dich noch, wem du<lb/> als Knabe einmal Zuckerbirnen geſtohlen haſt?“ Der Bru-<lb/> der antwortete: „Niemand als dem verſtorbenen X.“ Hierauf<lb/> ſagte die Stimme: „Nun ſo ſage ich dir, der bin ich!“</p><lb/> <p>Als die Frau wieder zu ſich kam, wußte ſie nichts von<lb/> dieſer Rede, wußte auch wachend nichts davon, daß ihr<lb/> Bruder einmal als Knabe Birnen dem verſtorbenen X. ge-<lb/> ſtohlen.</p><lb/> <p>Von da an ſprach nun immer in jenen Anfällen die Stimme<lb/> des verſtorbenen X. aus dieſer Frau heraus, es hatte ſich<lb/> ihrer jedesmal durchaus die Perſönlichkeit jenes X. bemäch-<lb/> tigt und die ihrige war wie völlig aus ihr weggegangen.<lb/> Er tobte, fluchte, und ſchlug auf’s fürchterlichſte aus ihr,<lb/> beſonders ſtieß er Verwünſchungen gegen Gott und alles<lb/> Heilige aus. Man brauchte von verſchiedenen Aerzten Mit-<lb/> tel gegen ihr Leiden, aber alle blieben durchaus fruchtlos.<lb/> Nur durch Gebet und magiſches Einwirken wurde der Dä-<lb/> mon einmal acht Wochen lang in ihr ruhig, tobte aber,<lb/> nachdem ſie zum Nachtmahl gegangen war, auf einmal<lb/> wieder auf’s heftigſte mit Fluchen und Schimpfen und dieß<lb/> ein Jahr lang, während welcher Zeit ſie ſchwanger wurde,<lb/> was aber nicht die mindeſte Aenderung in ihren Zuſtand<lb/> brachte, wie auch nie ein körperliches Mittel, eine körper-<lb/> liche Arzeney, auf ſie von irgend einer Wirkung war,<lb/> einzig nur geiſtige Mittel, wie z. B. Gebet. Man hatte<lb/> ihr gerathen, in die katholiſche Kirche nach W. zu gehen,<lb/> wo ein Geiſtlicher ihr durch Exorcismus helfen könne.<lb/> Man führte ſie mit Mühe auf einem Wagen dahin, wobey<lb/> ihr der Dämon, um es zu verhindern, die furchtbarſten<lb/> Qualen ſchuf, läſternd aus ihr ſchrie und ſie in Krämpfen<lb/> von dem Wagen oft in die Höhe warf, daß man ihre Nie-<lb/> derkunft alle Augenblicke befürchtete. Zu W. endlich ange-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [74/0088]
wurde, ſie in ſolchen Anfällen immer nur um ſich ſchlug.
Erſt nach vier Monaten ſprach es nun auf einmal aus ihr
und zwar das erſtemal zu ihrem Bruder in der Nacht:
„Weiſt du wer ich bin?“ Er ſagte: „Nein.“ Hierauf er-
wiederte die Stimme: „Erinnerſt du dich noch, wem du
als Knabe einmal Zuckerbirnen geſtohlen haſt?“ Der Bru-
der antwortete: „Niemand als dem verſtorbenen X.“ Hierauf
ſagte die Stimme: „Nun ſo ſage ich dir, der bin ich!“
Als die Frau wieder zu ſich kam, wußte ſie nichts von
dieſer Rede, wußte auch wachend nichts davon, daß ihr
Bruder einmal als Knabe Birnen dem verſtorbenen X. ge-
ſtohlen.
Von da an ſprach nun immer in jenen Anfällen die Stimme
des verſtorbenen X. aus dieſer Frau heraus, es hatte ſich
ihrer jedesmal durchaus die Perſönlichkeit jenes X. bemäch-
tigt und die ihrige war wie völlig aus ihr weggegangen.
Er tobte, fluchte, und ſchlug auf’s fürchterlichſte aus ihr,
beſonders ſtieß er Verwünſchungen gegen Gott und alles
Heilige aus. Man brauchte von verſchiedenen Aerzten Mit-
tel gegen ihr Leiden, aber alle blieben durchaus fruchtlos.
Nur durch Gebet und magiſches Einwirken wurde der Dä-
mon einmal acht Wochen lang in ihr ruhig, tobte aber,
nachdem ſie zum Nachtmahl gegangen war, auf einmal
wieder auf’s heftigſte mit Fluchen und Schimpfen und dieß
ein Jahr lang, während welcher Zeit ſie ſchwanger wurde,
was aber nicht die mindeſte Aenderung in ihren Zuſtand
brachte, wie auch nie ein körperliches Mittel, eine körper-
liche Arzeney, auf ſie von irgend einer Wirkung war,
einzig nur geiſtige Mittel, wie z. B. Gebet. Man hatte
ihr gerathen, in die katholiſche Kirche nach W. zu gehen,
wo ein Geiſtlicher ihr durch Exorcismus helfen könne.
Man führte ſie mit Mühe auf einem Wagen dahin, wobey
ihr der Dämon, um es zu verhindern, die furchtbarſten
Qualen ſchuf, läſternd aus ihr ſchrie und ſie in Krämpfen
von dem Wagen oft in die Höhe warf, daß man ihre Nie-
derkunft alle Augenblicke befürchtete. Zu W. endlich ange-
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