Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Spindelmanns Recension der Gegend.

Näher muß ich jezt betrachten
Diese Gegend durch das Glas,
Sie ist nicht ganz zu verachten,
Nur die Fern ist allzublaß.
Jene Burg auf steiler Höhe
Nenn' ich abgeschmackt und dumm,
Meinem Auge thut sie wehe,
Wie der Fluß, der gänzlich krumm.
Jene Mühl' in wüsten Klüften
Giebt mir gar zu rohen Schall,
Aber ein gesundes Düften
Weht aus ihrem Eselsstall.
Daß hier Schlüsselblumen stehen,
Hätt' ich das nur eh' gewußt!
Muß sie schnell zu pflücken gehen:
Denn sie dienen meiner Brust.
Kräuter, die zwar farbig blühen,
Doch zu Thee nicht dienlich sind,
Doch nicht brauchbar sind zu Brühen,
Ueberlass' ich gern dem Wind.

Spindelmanns Recenſion der Gegend.

Naͤher muß ich jezt betrachten
Dieſe Gegend durch das Glas,
Sie iſt nicht ganz zu verachten,
Nur die Fern iſt allzublaß.
Jene Burg auf ſteiler Hoͤhe
Nenn' ich abgeſchmackt und dumm,
Meinem Auge thut ſie wehe,
Wie der Fluß, der gaͤnzlich krumm.
Jene Muͤhl' in wuͤſten Kluͤften
Giebt mir gar zu rohen Schall,
Aber ein geſundes Duͤften
Weht aus ihrem Eſelsſtall.
Daß hier Schluͤſſelblumen ſtehen,
Haͤtt' ich das nur eh' gewußt!
Muß ſie ſchnell zu pfluͤcken gehen:
Denn ſie dienen meiner Bruſt.
Kraͤuter, die zwar farbig bluͤhen,
Doch zu Thee nicht dienlich ſind,
Doch nicht brauchbar ſind zu Bruͤhen,
Ueberlaſſ' ich gern dem Wind.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0135" n="123"/>
      <lg type="poem">
        <head><hi rendition="#g">Spindelmanns Recen&#x017F;ion der Gegend</hi>.</head><lb/>
        <l>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </l>
        <lg n="1">
          <l>Na&#x0364;her muß ich jezt betrachten</l><lb/>
          <l>Die&#x017F;e Gegend durch das Glas,</l><lb/>
          <l>Sie i&#x017F;t nicht ganz zu verachten,</l><lb/>
          <l>Nur die Fern i&#x017F;t allzublaß.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="2">
          <l>Jene Burg auf &#x017F;teiler Ho&#x0364;he</l><lb/>
          <l>Nenn' ich abge&#x017F;chmackt und dumm,</l><lb/>
          <l>Meinem Auge thut &#x017F;ie wehe,</l><lb/>
          <l>Wie der Fluß, der ga&#x0364;nzlich krumm.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="3">
          <l>Jene Mu&#x0364;hl' in wu&#x0364;&#x017F;ten Klu&#x0364;ften</l><lb/>
          <l>Giebt mir gar zu rohen Schall,</l><lb/>
          <l>Aber ein ge&#x017F;undes Du&#x0364;ften</l><lb/>
          <l>Weht aus ihrem E&#x017F;els&#x017F;tall.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="4">
          <l>Daß hier Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;elblumen &#x017F;tehen,</l><lb/>
          <l>Ha&#x0364;tt' ich das nur eh' gewußt!</l><lb/>
          <l>Muß &#x017F;ie &#x017F;chnell zu pflu&#x0364;cken gehen:</l><lb/>
          <l>Denn &#x017F;ie dienen meiner Bru&#x017F;t.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="5">
          <l>Kra&#x0364;uter, die zwar farbig blu&#x0364;hen,</l><lb/>
          <l>Doch zu Thee nicht dienlich &#x017F;ind,</l><lb/>
          <l>Doch nicht brauchbar &#x017F;ind zu Bru&#x0364;hen,</l><lb/>
          <l>Ueberla&#x017F;&#x017F;' ich gern dem Wind.</l>
        </lg>
      </lg><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0135] Spindelmanns Recenſion der Gegend. Naͤher muß ich jezt betrachten Dieſe Gegend durch das Glas, Sie iſt nicht ganz zu verachten, Nur die Fern iſt allzublaß. Jene Burg auf ſteiler Hoͤhe Nenn' ich abgeſchmackt und dumm, Meinem Auge thut ſie wehe, Wie der Fluß, der gaͤnzlich krumm. Jene Muͤhl' in wuͤſten Kluͤften Giebt mir gar zu rohen Schall, Aber ein geſundes Duͤften Weht aus ihrem Eſelsſtall. Daß hier Schluͤſſelblumen ſtehen, Haͤtt' ich das nur eh' gewußt! Muß ſie ſchnell zu pfluͤcken gehen: Denn ſie dienen meiner Bruſt. Kraͤuter, die zwar farbig bluͤhen, Doch zu Thee nicht dienlich ſind, Doch nicht brauchbar ſind zu Bruͤhen, Ueberlaſſ' ich gern dem Wind.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/135
Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/135>, abgerufen am 19.05.2024.