Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Die vier wahnsinnigen Brüder. Ausgetrocknet zu Gerippen Sitzen in des Wahnsinns Haus Vier -- von ihren bleichen Lippen Gehet keine Rede aus, Sitzen einander gegenüber Blickend immer holer, trüber. Doch schlägt Mitternacht die Stunde Sträubet sich ihr Haar empor Und dann tönt aus ihrem Munde Jedesmal in dumpfem Chor: Dies irae dies illa Solvet secla in favilla. Waren einst vier schlimme Brüder, Hatten nur gezecht, gelärmt, Beym Gesang verbuhlter Lieder Durch die heil'ge Nacht geschwärmt Keines freundlichen Berathers Warnung half, kein Wort des Vaters. Noch im Sterben sprach der alte Zu den schlimmen Söhnen vier: Warnt euch nicht der Tod, der kalte, Die vier wahnſinnigen Bruͤder. Ausgetrocknet zu Gerippen Sitzen in des Wahnſinns Haus Vier — von ihren bleichen Lippen Gehet keine Rede aus, Sitzen einander gegenuͤber Blickend immer holer, truͤber. Doch ſchlaͤgt Mitternacht die Stunde Straͤubet ſich ihr Haar empor Und dann toͤnt aus ihrem Munde Jedesmal in dumpfem Chor: Dies irae dies illa Solvet secla in favilla. Waren einſt vier ſchlimme Bruͤder, Hatten nur gezecht, gelaͤrmt, Beym Geſang verbuhlter Lieder Durch die heil'ge Nacht geſchwaͤrmt Keines freundlichen Berathers Warnung half, kein Wort des Vaters. Noch im Sterben ſprach der alte Zu den ſchlimmen Soͤhnen vier: Warnt euch nicht der Tod, der kalte, <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0020" n="8"/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Die vier wahnſinnigen Bruͤder</hi>.</hi> </head><lb/> <l> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </l> <lg n="1"> <l>Ausgetrocknet zu Gerippen</l><lb/> <l>Sitzen in des Wahnſinns Haus</l><lb/> <l>Vier — von ihren bleichen Lippen</l><lb/> <l>Gehet keine Rede aus,</l><lb/> <l>Sitzen einander gegenuͤber</l><lb/> <l>Blickend immer holer, truͤber.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch ſchlaͤgt Mitternacht die Stunde</l><lb/> <l>Straͤubet ſich ihr Haar empor</l><lb/> <l>Und dann toͤnt aus ihrem Munde</l><lb/> <l>Jedesmal in dumpfem Chor:</l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Dies irae dies illa</hi> </l><lb/> <l><hi rendition="#aq">Solvet secla in favilla</hi>.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Waren einſt vier ſchlimme Bruͤder,</l><lb/> <l>Hatten nur gezecht, gelaͤrmt,</l><lb/> <l>Beym Geſang verbuhlter Lieder</l><lb/> <l>Durch die heil'ge Nacht geſchwaͤrmt</l><lb/> <l>Keines freundlichen Berathers</l><lb/> <l>Warnung half, kein Wort des Vaters.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Noch im Sterben ſprach der alte</l><lb/> <l>Zu den ſchlimmen Soͤhnen vier:</l><lb/> <l>Warnt euch nicht der Tod, der kalte,</l><lb/> <l> </l> </lg> </lg> </body> </text> </TEI> [8/0020]
Die vier wahnſinnigen Bruͤder.
Ausgetrocknet zu Gerippen
Sitzen in des Wahnſinns Haus
Vier — von ihren bleichen Lippen
Gehet keine Rede aus,
Sitzen einander gegenuͤber
Blickend immer holer, truͤber.
Doch ſchlaͤgt Mitternacht die Stunde
Straͤubet ſich ihr Haar empor
Und dann toͤnt aus ihrem Munde
Jedesmal in dumpfem Chor:
Dies irae dies illa
Solvet secla in favilla.
Waren einſt vier ſchlimme Bruͤder,
Hatten nur gezecht, gelaͤrmt,
Beym Geſang verbuhlter Lieder
Durch die heil'ge Nacht geſchwaͤrmt
Keines freundlichen Berathers
Warnung half, kein Wort des Vaters.
Noch im Sterben ſprach der alte
Zu den ſchlimmen Soͤhnen vier:
Warnt euch nicht der Tod, der kalte,
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