Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.
Hör's, seltsam Kind! so wundersamer Art, Als in dem dunklen Schooß ein stilles Meer bewahrt, Hör's, Heil'genbild! hör's, liebevolle Braut! Denkst du noch mein? -- wohl dir! hör'st keiner Klage Laut. Alle Blumen wollten zu dir, all' brach ich ab, Mag ihrer nicht am fremden Orte warten! Will keinen andern Garten, Geliebte! als dein Grab! -- (Geht ab.) (Eine Menge Volk erscheint und beschaut die Gräber.) Eine Stimme. Hier liegen sie nebeneinander, er hat ihre Gräber selbst gegraben. Eine andere Stimme. Hier liegt die Frau und dort die Tochter. Ein Handwerksbursche (singt). Mir träumt' ich flog' gar bange, Weit in die Welt hinaus, Zu Straßburg durch alle Gassen, Bis vor Feinsliebchens Haus. Tralirala! Tralirala! Ein Bürgersmann. Ach! der arme Mann! er war doch nicht so schlimm, und das gute Weib! Ein Handwerksbursche. Nun fliegt er ja! so geht's! Eine Frau. Ich konnte es nicht mit ansehen, nein! als sie ihn die Leiter hinaufführten, da wandte ich das Gesicht!
Hoͤr's, ſeltſam Kind! ſo wunderſamer Art, Als in dem dunklen Schooß ein ſtilles Meer bewahrt, Hoͤr's, Heil'genbild! hoͤr's, liebevolle Braut! Denkſt du noch mein? — wohl dir! hoͤr'ſt keiner Klage Laut. Alle Blumen wollten zu dir, all' brach ich ab, Mag ihrer nicht am fremden Orte warten! Will keinen andern Garten, Geliebte! als dein Grab! — (Geht ab.) (Eine Menge Volk erſcheint und beſchaut die Graͤber.) Eine Stimme. Hier liegen ſie nebeneinander, er hat ihre Graͤber ſelbſt gegraben. Eine andere Stimme. Hier liegt die Frau und dort die Tochter. Ein Handwerksburſche (ſingt). Mir traͤumt' ich flog' gar bange, Weit in die Welt hinaus, Zu Straßburg durch alle Gaſſen, Bis vor Feinsliebchens Haus. Tralirala! Tralirala! Ein Buͤrgersmann. Ach! der arme Mann! er war doch nicht ſo ſchlimm, und das gute Weib! Ein Handwerksburſche. Nun fliegt er ja! ſo geht's! Eine Frau. Ich konnte es nicht mit anſehen, nein! als ſie ihn die Leiter hinauffuͤhrten, da wandte ich das Geſicht! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp> <p><pb facs="#f0234" n="222"/> Hoͤr's, ſeltſam Kind! ſo wunderſamer Art,<lb/> Als in dem dunklen Schooß ein ſtilles Meer bewahrt,<lb/> Hoͤr's, Heil'genbild! hoͤr's, liebevolle Braut!<lb/> Denkſt du noch mein? — wohl dir! hoͤr'ſt keiner Klage Laut.<lb/> Alle Blumen wollten zu dir, all' brach ich ab,<lb/> Mag ihrer nicht am fremden Orte warten!<lb/> Will keinen andern Garten,<lb/> Geliebte! als dein Grab! —</p> <stage>(Geht ab.)</stage> </sp><lb/> <stage>(Eine Menge Volk erſcheint und beſchaut die Graͤber.)</stage><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Eine Stimme</hi>.</speaker><lb/> <p>Hier liegen ſie nebeneinander, er hat ihre Graͤber ſelbſt<lb/> gegraben.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Eine andere Stimme</hi>.</speaker><lb/> <p>Hier liegt die Frau und dort die Tochter.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Ein Handwerksburſche</hi> </speaker> <stage> (ſingt).</stage><lb/> <p>Mir traͤumt' ich flog' gar bange,<lb/> Weit in die Welt hinaus,<lb/> Zu Straßburg durch alle Gaſſen,<lb/> Bis vor Feinsliebchens Haus.<lb/> Tralirala! Tralirala!</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Ein Buͤrgersmann</hi>.</speaker><lb/> <p>Ach! der arme Mann! er war doch nicht ſo ſchlimm,<lb/> und das gute Weib!</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Ein Handwerksburſche</hi>.</speaker><lb/> <p>Nun fliegt er ja! ſo geht's!</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Eine Frau</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich konnte es nicht mit anſehen, nein! als ſie ihn die<lb/> Leiter hinauffuͤhrten, da wandte ich das Geſicht!</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [222/0234]
Hoͤr's, ſeltſam Kind! ſo wunderſamer Art,
Als in dem dunklen Schooß ein ſtilles Meer bewahrt,
Hoͤr's, Heil'genbild! hoͤr's, liebevolle Braut!
Denkſt du noch mein? — wohl dir! hoͤr'ſt keiner Klage Laut.
Alle Blumen wollten zu dir, all' brach ich ab,
Mag ihrer nicht am fremden Orte warten!
Will keinen andern Garten,
Geliebte! als dein Grab! — (Geht ab.)
(Eine Menge Volk erſcheint und beſchaut die Graͤber.)
Eine Stimme.
Hier liegen ſie nebeneinander, er hat ihre Graͤber ſelbſt
gegraben.
Eine andere Stimme.
Hier liegt die Frau und dort die Tochter.
Ein Handwerksburſche (ſingt).
Mir traͤumt' ich flog' gar bange,
Weit in die Welt hinaus,
Zu Straßburg durch alle Gaſſen,
Bis vor Feinsliebchens Haus.
Tralirala! Tralirala!
Ein Buͤrgersmann.
Ach! der arme Mann! er war doch nicht ſo ſchlimm,
und das gute Weib!
Ein Handwerksburſche.
Nun fliegt er ja! ſo geht's!
Eine Frau.
Ich konnte es nicht mit anſehen, nein! als ſie ihn die
Leiter hinauffuͤhrten, da wandte ich das Geſicht!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |