Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909].

Bild:
<< vorherige Seite

wie Pyramiden von zerknitterter, verschossener Seide. Mareile trug ein schwarzes Kleid, das ganz voll schwarzer Schmelzen war. "Das ist hübsch," dachte Beate; dieses Bild erregte in ihr jedoch ein scharfes, fast quälendes Interesse. Sie strengte die Augen an, um den Ausdruck der Gesichter erkennen zu können.

"Wie schaust du aus, Beating?" rief Seneide. Bei den geringfügigsten Anlässen hatte Seneide die Art so aufzuschrecken, angstvoll, als sähe sie ein Kind im Fenster des vierten Stockes stehen, bereit herabzustürzen.

"Ich?" sagte Beate. "Aber Tante, du erschreckst einen ja. Ich geh' noch zu Went hinüber," fügte sie hinzu, als sei das das Mittel gegen etwas, das sie angefallen hatte.

Am Abend, als der Mond rund über den Parkbäumen stand, sollte eine Kahnfahrt unternommen werden. "Das zu versäumen, wäre barbarisch," schnarrte Tettau. "Man hat doch auch seine Poesie im blauen Blut, nicht, meine Damen?"

Wie ein gespenstischer Tag lag die Mondhelle über dem Garten. Die Damen legten einander die Arme um die Taillen, hoben die Gesichter zum Monde auf und sprachen in Ausrufen. Die Herren folgten. "Hören Sie, Tarniff," meinte Tettau, "superbes Weib, die Frau Berkow. Donnerwetter! Aber gut, daß wir dem Egon die Zügel anzogen; 'ne adlige Ehefrau, das is sie nu mal nich."

"Überhaupt keine Ehefrau," bemerkte Günther.

"So! Na ja, der Berkow, dummer Kerl, unsympathisch. Aber hören Sie, ich könnte nicht so wochenlang ruhig neben dieser Frau leben. Ehe - ganz schön; aber es gibt beaute's, die einen geradezu zu Dummheiten zwingen."

wie Pyramiden von zerknitterter, verschossener Seide. Mareile trug ein schwarzes Kleid, das ganz voll schwarzer Schmelzen war. „Das ist hübsch,“ dachte Beate; dieses Bild erregte in ihr jedoch ein scharfes, fast quälendes Interesse. Sie strengte die Augen an, um den Ausdruck der Gesichter erkennen zu können.

„Wie schaust du aus, Beating?“ rief Seneïde. Bei den geringfügigsten Anlässen hatte Seneïde die Art so aufzuschrecken, angstvoll, als sähe sie ein Kind im Fenster des vierten Stockes stehen, bereit herabzustürzen.

„Ich?“ sagte Beate. „Aber Tante, du erschreckst einen ja. Ich geh’ noch zu Went hinüber,“ fügte sie hinzu, als sei das das Mittel gegen etwas, das sie angefallen hatte.

Am Abend, als der Mond rund über den Parkbäumen stand, sollte eine Kahnfahrt unternommen werden. „Das zu versäumen, wäre barbarisch,“ schnarrte Tettau. „Man hat doch auch seine Poesie im blauen Blut, nicht, meine Damen?“

Wie ein gespenstischer Tag lag die Mondhelle über dem Garten. Die Damen legten einander die Arme um die Taillen, hoben die Gesichter zum Monde auf und sprachen in Ausrufen. Die Herren folgten. „Hören Sie, Tarniff,“ meinte Tettau, „superbes Weib, die Frau Berkow. Donnerwetter! Aber gut, daß wir dem Egon die Zügel anzogen; ’ne adlige Ehefrau, das is sie nu mal nich.“

„Überhaupt keine Ehefrau,“ bemerkte Günther.

„So! Na ja, der Berkow, dummer Kerl, unsympathisch. Aber hören Sie, ich könnte nicht so wochenlang ruhig neben dieser Frau leben. Ehe – ganz schön; aber es gibt beauté’s, die einen geradezu zu Dummheiten zwingen.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0109" n="107"/>
wie Pyramiden von zerknitterter, verschossener Seide. Mareile trug ein schwarzes Kleid, das ganz voll schwarzer Schmelzen war. &#x201E;Das ist hübsch,&#x201C; dachte Beate; dieses Bild erregte in ihr jedoch ein scharfes, fast quälendes Interesse. Sie strengte die Augen an, um den Ausdruck der Gesichter erkennen zu können.</p>
        <p>&#x201E;Wie schaust du aus, Beating?&#x201C; rief Seneïde. Bei den geringfügigsten Anlässen hatte Seneïde die Art so aufzuschrecken, angstvoll, als sähe sie ein Kind im Fenster des vierten Stockes stehen, bereit herabzustürzen.</p>
        <p>&#x201E;Ich?&#x201C; sagte Beate. &#x201E;Aber Tante, du erschreckst einen ja. Ich geh&#x2019; noch zu Went hinüber,&#x201C; fügte sie hinzu, als sei das das Mittel gegen etwas, das sie angefallen hatte.</p>
        <p>Am Abend, als der Mond rund über den Parkbäumen stand, sollte eine Kahnfahrt unternommen werden. &#x201E;Das zu versäumen, wäre barbarisch,&#x201C; schnarrte Tettau. &#x201E;Man hat doch auch seine Poesie im blauen Blut, nicht, meine Damen?&#x201C;</p>
        <p>Wie ein gespenstischer Tag lag die Mondhelle über dem Garten. Die Damen legten einander die Arme um die Taillen, hoben die Gesichter zum Monde auf und sprachen in Ausrufen. Die Herren folgten. &#x201E;Hören Sie, Tarniff,&#x201C; meinte Tettau, &#x201E;superbes Weib, die Frau Berkow. Donnerwetter! Aber gut, daß wir dem Egon die Zügel anzogen; &#x2019;ne adlige Ehefrau, das is sie nu mal nich.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Überhaupt keine Ehefrau,&#x201C; bemerkte Günther.</p>
        <p>&#x201E;So! Na ja, der Berkow, dummer Kerl, unsympathisch. Aber hören Sie, ich könnte nicht so wochenlang ruhig neben dieser Frau leben. Ehe &#x2013; ganz schön; aber es gibt <hi rendition="#aq">beauté&#x2019;</hi>s, die einen geradezu zu Dummheiten zwingen.&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0109] wie Pyramiden von zerknitterter, verschossener Seide. Mareile trug ein schwarzes Kleid, das ganz voll schwarzer Schmelzen war. „Das ist hübsch,“ dachte Beate; dieses Bild erregte in ihr jedoch ein scharfes, fast quälendes Interesse. Sie strengte die Augen an, um den Ausdruck der Gesichter erkennen zu können. „Wie schaust du aus, Beating?“ rief Seneïde. Bei den geringfügigsten Anlässen hatte Seneïde die Art so aufzuschrecken, angstvoll, als sähe sie ein Kind im Fenster des vierten Stockes stehen, bereit herabzustürzen. „Ich?“ sagte Beate. „Aber Tante, du erschreckst einen ja. Ich geh’ noch zu Went hinüber,“ fügte sie hinzu, als sei das das Mittel gegen etwas, das sie angefallen hatte. Am Abend, als der Mond rund über den Parkbäumen stand, sollte eine Kahnfahrt unternommen werden. „Das zu versäumen, wäre barbarisch,“ schnarrte Tettau. „Man hat doch auch seine Poesie im blauen Blut, nicht, meine Damen?“ Wie ein gespenstischer Tag lag die Mondhelle über dem Garten. Die Damen legten einander die Arme um die Taillen, hoben die Gesichter zum Monde auf und sprachen in Ausrufen. Die Herren folgten. „Hören Sie, Tarniff,“ meinte Tettau, „superbes Weib, die Frau Berkow. Donnerwetter! Aber gut, daß wir dem Egon die Zügel anzogen; ’ne adlige Ehefrau, das is sie nu mal nich.“ „Überhaupt keine Ehefrau,“ bemerkte Günther. „So! Na ja, der Berkow, dummer Kerl, unsympathisch. Aber hören Sie, ich könnte nicht so wochenlang ruhig neben dieser Frau leben. Ehe – ganz schön; aber es gibt beauté’s, die einen geradezu zu Dummheiten zwingen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Eduard von Keyserlings „Beate und Mareile“ erschi… [mehr]

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/109
Zitationshilfe: von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909], S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/109>, abgerufen am 21.11.2024.