Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909].

Bild:
<< vorherige Seite

Hans Berkow fand, daß Mareile das auch selbstverständlich fand. Ihm war der Jagdtag verdorben. Immer mußte er auf dem Felde den bunten Fleck von Mareilens Kleide neben Sternecks hoher Gestalt sehen. "Also - sie will doch in die gräfliche Zwangsjacke!" knurrte er. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Am Abend war großer Ball. Mareile hatte sich eben in ihrem Stübchen angekleidet, ein erdbeerfarbenes Kreppkleid mit schwarzen Stiefmütterchen und dunkelroten Rosen "Sultan von Zanzibar". Jetzt rauschte sie die Treppe zur Inspektorswohnung hinunter. Sie wollte ihre Mutter abholen.

In der Wohnstube herrschte Dämmerung. Vater Ziepe stand am Ofen und lachte, wie er zu lachen pflegte, wenn er die Mutter ärgern wollte. "Na, unsere Balldamen sind parat. Mutter hat sich schon seit einer Stunde dekolletiert - um mit dem Kandidaten Halm unten am Tisch zu sitzen. Die Ehre. Ha - ha."

Mareile stand schweigend da, eine helle Gestalt, an der es seidig rauschte, leise - wie Gold - klingelte, süß duftete. Die beklommene Luft dieser Stube, in der es nach des Vaters garen Kartoffeln roch, die zankende Stimme, der säuerliche, trübe Werktag, schlugen ihr wie etwas Unreines, Feindliches entgegen, das sie und ihr Kleid beflecken wollten und denen sie entfliehen mußte. "Komm, Mareiling," sagte die Mutter, "mit dem is heute wieder nicht zu reden."

Für die heutige Gesellschaft waren die Festräume des alten Flügels geöffnet worden: das Eßzimmer mit der Schäferszenerie an den Wänden, der grüne Bildersaal, der

Hans Berkow fand, daß Mareile das auch selbstverständlich fand. Ihm war der Jagdtag verdorben. Immer mußte er auf dem Felde den bunten Fleck von Mareilens Kleide neben Sternecks hoher Gestalt sehen. „Also – sie will doch in die gräfliche Zwangsjacke!“ knurrte er. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Am Abend war großer Ball. Mareile hatte sich eben in ihrem Stübchen angekleidet, ein erdbeerfarbenes Kreppkleid mit schwarzen Stiefmütterchen und dunkelroten Rosen „Sultan von Zanzibar“. Jetzt rauschte sie die Treppe zur Inspektorswohnung hinunter. Sie wollte ihre Mutter abholen.

In der Wohnstube herrschte Dämmerung. Vater Ziepe stand am Ofen und lachte, wie er zu lachen pflegte, wenn er die Mutter ärgern wollte. „Na, unsere Balldamen sind parat. Mutter hat sich schon seit einer Stunde dekolletiert – um mit dem Kandidaten Halm unten am Tisch zu sitzen. Die Ehre. Ha – ha.“

Mareile stand schweigend da, eine helle Gestalt, an der es seidig rauschte, leise – wie Gold – klingelte, süß duftete. Die beklommene Luft dieser Stube, in der es nach des Vaters garen Kartoffeln roch, die zankende Stimme, der säuerliche, trübe Werktag, schlugen ihr wie etwas Unreines, Feindliches entgegen, das sie und ihr Kleid beflecken wollten und denen sie entfliehen mußte. „Komm, Mareiling,“ sagte die Mutter, „mit dem is heute wieder nicht zu reden.“

Für die heutige Gesellschaft waren die Festräume des alten Flügels geöffnet worden: das Eßzimmer mit der Schäferszenerie an den Wänden, der grüne Bildersaal, der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0038" n="36"/>
Hans Berkow fand, daß Mareile das auch selbstverständlich fand. Ihm war der Jagdtag verdorben. Immer mußte er auf dem Felde den bunten Fleck von Mareilens Kleide neben Sternecks hoher Gestalt sehen. &#x201E;Also &#x2013; sie will doch in die gräfliche Zwangsjacke!&#x201C; knurrte er. &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013;</p>
        <p>Am Abend war großer Ball. Mareile hatte sich eben in ihrem Stübchen angekleidet, ein erdbeerfarbenes Kreppkleid mit schwarzen Stiefmütterchen und dunkelroten Rosen &#x201E;Sultan von Zanzibar&#x201C;. Jetzt rauschte sie die Treppe zur Inspektorswohnung hinunter. Sie wollte ihre Mutter abholen.</p>
        <p>In der Wohnstube herrschte Dämmerung. Vater Ziepe stand am Ofen und lachte, wie er zu lachen pflegte, wenn er die Mutter ärgern wollte. &#x201E;Na, unsere Balldamen sind parat. Mutter hat sich schon seit einer Stunde dekolletiert &#x2013; um mit dem Kandidaten Halm unten am Tisch zu sitzen. Die Ehre. Ha &#x2013; ha.&#x201C;</p>
        <p>Mareile stand schweigend da, eine helle Gestalt, an der es seidig rauschte, leise &#x2013; wie Gold &#x2013; klingelte, süß duftete. Die beklommene Luft dieser Stube, in der es nach des Vaters garen Kartoffeln roch, die zankende Stimme, der säuerliche, trübe Werktag, schlugen ihr wie etwas Unreines, Feindliches entgegen, das sie und ihr Kleid beflecken wollten und denen sie entfliehen mußte. &#x201E;Komm, Mareiling,&#x201C; sagte die Mutter, &#x201E;mit dem is heute wieder nicht zu reden.&#x201C;</p>
        <p>Für die heutige Gesellschaft waren die Festräume des alten Flügels geöffnet worden: das Eßzimmer mit der Schäferszenerie an den Wänden, der grüne Bildersaal, der
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0038] Hans Berkow fand, daß Mareile das auch selbstverständlich fand. Ihm war der Jagdtag verdorben. Immer mußte er auf dem Felde den bunten Fleck von Mareilens Kleide neben Sternecks hoher Gestalt sehen. „Also – sie will doch in die gräfliche Zwangsjacke!“ knurrte er. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Am Abend war großer Ball. Mareile hatte sich eben in ihrem Stübchen angekleidet, ein erdbeerfarbenes Kreppkleid mit schwarzen Stiefmütterchen und dunkelroten Rosen „Sultan von Zanzibar“. Jetzt rauschte sie die Treppe zur Inspektorswohnung hinunter. Sie wollte ihre Mutter abholen. In der Wohnstube herrschte Dämmerung. Vater Ziepe stand am Ofen und lachte, wie er zu lachen pflegte, wenn er die Mutter ärgern wollte. „Na, unsere Balldamen sind parat. Mutter hat sich schon seit einer Stunde dekolletiert – um mit dem Kandidaten Halm unten am Tisch zu sitzen. Die Ehre. Ha – ha.“ Mareile stand schweigend da, eine helle Gestalt, an der es seidig rauschte, leise – wie Gold – klingelte, süß duftete. Die beklommene Luft dieser Stube, in der es nach des Vaters garen Kartoffeln roch, die zankende Stimme, der säuerliche, trübe Werktag, schlugen ihr wie etwas Unreines, Feindliches entgegen, das sie und ihr Kleid beflecken wollten und denen sie entfliehen mußte. „Komm, Mareiling,“ sagte die Mutter, „mit dem is heute wieder nicht zu reden.“ Für die heutige Gesellschaft waren die Festräume des alten Flügels geöffnet worden: das Eßzimmer mit der Schäferszenerie an den Wänden, der grüne Bildersaal, der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Eduard von Keyserlings „Beate und Mareile“ erschi… [mehr]

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/38
Zitationshilfe: von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909], S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/38>, abgerufen am 21.11.2024.