von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909].und dann erschütterte der Ausdruck der blauen Augen sie, die so gierig ihre Gestalt tranken. Sie machten Mareile sprach- und hilflos. Es war ihr, als müßte sie mit beiden Händen nach ihren Kleidern fassen, sie halten, um nicht nackt vor diesem Blicke dazustehen. "Das müssen Sie doch gewollt haben," sagte Hans leise. Mareile schwieg noch immer. Vor diesen heißen Augen wurde ihr feierlich zumute. "Wir - wir beide miteinander werden anders frei sein, als die - hier," setzte Hans hinzu. "Das ist aber zu arg!" rief die Gräfin Blankenhagen. "Ich bitte zu tanzen. Es ist hier keine Route." Als Mareile sich erhob, sagte sie - und ihre Stimme klang, als empörte sie sich gegen etwas: "Frei! Warum muß man frei sein?" Dann tanzten sie. Der Tanz war zu Ende. Mareile eilte in den Wintergarten hinaus. Aus dem Palmenhause nebenan strömte eine heiße, duftschwere Luft herein. Mareile setzte sich auf eine versteckte Bank, die Phönixpalmen und Rhododendron umstanden. Sie fühlte sich seltsam ergriffen. Vor den Blicken und den Worten dieses Mannes war etwas in ihr geschmolzen. Verlangen und Widerwille kämpften in ihr und machten sie unglücklich. "Nein - nein - das nicht!" murmelte sie. Sie lehnte den Kopf in die Blüten der Rhododendren zurück und schloß die Augen. Sie sah Egon Sternecks Gesicht vor sich, die stahlblauen, von ihr begeisterten Augen. Hier waren keine schwülen Rätsel; nur sicheres Besitznehmen. Wer beschützt sein, wer fest und hoch stehen wollte, der mochte es bei den Augen gut haben. Dann mußte Mareile die Augen aufschlagen. Es war ihr, als sei jemand da und sähe sie an. und dann erschütterte der Ausdruck der blauen Augen sie, die so gierig ihre Gestalt tranken. Sie machten Mareile sprach- und hilflos. Es war ihr, als müßte sie mit beiden Händen nach ihren Kleidern fassen, sie halten, um nicht nackt vor diesem Blicke dazustehen. „Das müssen Sie doch gewollt haben,“ sagte Hans leise. Mareile schwieg noch immer. Vor diesen heißen Augen wurde ihr feierlich zumute. „Wir – wir beide miteinander werden anders frei sein, als die – hier,“ setzte Hans hinzu. „Das ist aber zu arg!“ rief die Gräfin Blankenhagen. „Ich bitte zu tanzen. Es ist hier keine Route.“ Als Mareile sich erhob, sagte sie – und ihre Stimme klang, als empörte sie sich gegen etwas: „Frei! Warum muß man frei sein?“ Dann tanzten sie. Der Tanz war zu Ende. Mareile eilte in den Wintergarten hinaus. Aus dem Palmenhause nebenan strömte eine heiße, duftschwere Luft herein. Mareile setzte sich auf eine versteckte Bank, die Phönixpalmen und Rhododendron umstanden. Sie fühlte sich seltsam ergriffen. Vor den Blicken und den Worten dieses Mannes war etwas in ihr geschmolzen. Verlangen und Widerwille kämpften in ihr und machten sie unglücklich. „Nein – nein – das nicht!“ murmelte sie. Sie lehnte den Kopf in die Blüten der Rhododendren zurück und schloß die Augen. Sie sah Egon Sternecks Gesicht vor sich, die stahlblauen, von ihr begeisterten Augen. Hier waren keine schwülen Rätsel; nur sicheres Besitznehmen. Wer beschützt sein, wer fest und hoch stehen wollte, der mochte es bei den Augen gut haben. Dann mußte Mareile die Augen aufschlagen. Es war ihr, als sei jemand da und sähe sie an. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0042" n="40"/> und dann erschütterte der Ausdruck der blauen Augen sie, die so gierig ihre Gestalt tranken. Sie machten Mareile sprach- und hilflos. Es war ihr, als müßte sie mit beiden Händen nach ihren Kleidern fassen, sie halten, um nicht nackt vor diesem Blicke dazustehen.</p> <p>„Das müssen Sie doch gewollt haben,“ sagte Hans leise.</p> <p>Mareile schwieg noch immer. Vor diesen heißen Augen wurde ihr feierlich zumute. „Wir – wir beide miteinander werden anders frei sein, als die – hier,“ setzte Hans hinzu.</p> <p>„Das ist aber zu arg!“ rief die Gräfin Blankenhagen. „Ich bitte zu tanzen. Es ist hier keine Route.“</p> <p>Als Mareile sich erhob, sagte sie – und ihre Stimme klang, als empörte sie sich gegen etwas: „Frei! Warum muß man frei sein?“ Dann tanzten sie.</p> <p>Der Tanz war zu Ende. Mareile eilte in den Wintergarten hinaus. Aus dem Palmenhause nebenan strömte eine heiße, duftschwere Luft herein. Mareile setzte sich auf eine versteckte Bank, die Phönixpalmen und Rhododendron umstanden. Sie fühlte sich seltsam ergriffen. Vor den Blicken und den Worten dieses Mannes war etwas in ihr geschmolzen. Verlangen und Widerwille kämpften in ihr und machten sie unglücklich. „Nein – nein – das nicht!“ murmelte sie. Sie lehnte den Kopf in die Blüten der Rhododendren zurück und schloß die Augen. Sie sah Egon Sternecks Gesicht vor sich, die stahlblauen, von ihr begeisterten Augen. Hier waren keine schwülen Rätsel; nur sicheres Besitznehmen. Wer beschützt sein, wer fest und hoch stehen wollte, der mochte es bei den Augen gut haben. Dann mußte Mareile die Augen aufschlagen. Es war ihr, als sei jemand da und sähe sie an. </p> </div> </body> </text> </TEI> [40/0042]
und dann erschütterte der Ausdruck der blauen Augen sie, die so gierig ihre Gestalt tranken. Sie machten Mareile sprach- und hilflos. Es war ihr, als müßte sie mit beiden Händen nach ihren Kleidern fassen, sie halten, um nicht nackt vor diesem Blicke dazustehen.
„Das müssen Sie doch gewollt haben,“ sagte Hans leise.
Mareile schwieg noch immer. Vor diesen heißen Augen wurde ihr feierlich zumute. „Wir – wir beide miteinander werden anders frei sein, als die – hier,“ setzte Hans hinzu.
„Das ist aber zu arg!“ rief die Gräfin Blankenhagen. „Ich bitte zu tanzen. Es ist hier keine Route.“
Als Mareile sich erhob, sagte sie – und ihre Stimme klang, als empörte sie sich gegen etwas: „Frei! Warum muß man frei sein?“ Dann tanzten sie.
Der Tanz war zu Ende. Mareile eilte in den Wintergarten hinaus. Aus dem Palmenhause nebenan strömte eine heiße, duftschwere Luft herein. Mareile setzte sich auf eine versteckte Bank, die Phönixpalmen und Rhododendron umstanden. Sie fühlte sich seltsam ergriffen. Vor den Blicken und den Worten dieses Mannes war etwas in ihr geschmolzen. Verlangen und Widerwille kämpften in ihr und machten sie unglücklich. „Nein – nein – das nicht!“ murmelte sie. Sie lehnte den Kopf in die Blüten der Rhododendren zurück und schloß die Augen. Sie sah Egon Sternecks Gesicht vor sich, die stahlblauen, von ihr begeisterten Augen. Hier waren keine schwülen Rätsel; nur sicheres Besitznehmen. Wer beschützt sein, wer fest und hoch stehen wollte, der mochte es bei den Augen gut haben. Dann mußte Mareile die Augen aufschlagen. Es war ihr, als sei jemand da und sähe sie an.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeEduard von Keyserlings „Beate und Mareile“ erschi… [mehr] Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |