Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Bäuerin schickte die ihren gar auf ein Jahr in eine Pension zu Professoren und Kaufmannstöchtern, damit sie doch sich unterhalten lernen, wie die Mutter sagte. Das hätte der Schöffe nie gelitten, und Margret hätte es nie gewollt. Im Sommer führte sie mit den Mägden die Sichel und den Melkeimer, im Winter spann sie. Obwohl sie Sonntags unsre besten Schriftsteller las und sie besser verstand, als die städtischen Nähmädchen, redete sie doch mit Jedermann den derben Dialekt, an welchem die Rheinländer so fest halten. Auch ihre Tracht blieb die ländliche; nur auf den Reihen und am Festtag trug sie den kostbaren, aber immer der Dorfsitte gemäßen Putz, wie man ihn am Rhein bei reichen Halfenstöchtern sieht. Es ist eine kleidsame Tracht: das Haar wird vorne schlicht gescheitelt, nach hinten aber heruntergekämmt und dann über den Kopf in rundem, auf dem Nacken liegendem Wulst wieder herausgeschlagen. Eine große, eckig gebogene Goldspange sitzt auf beiden Schläfen auf und trägt auf dem obern Bügel die weiße, nur das Hinterhaupt bedeckende Haube von klarem Stoff mit der kostbaren Spitze, welche handbreit um Stirn und Wangen flattert. Das Kleid fällt lang und faltig an den Hüften herunter, ein Spitzentuch liegt über Schultern und Brust; lange Handschuhe decken den untern Theil des vollen, vom Sommerbrande gerötheten Armes. Man findet in diesem Stande zuweilen die schönsten, schlanksten Gestalten: mit großen festen Schritten sieht man Bäuerin schickte die ihren gar auf ein Jahr in eine Pension zu Professoren und Kaufmannstöchtern, damit sie doch sich unterhalten lernen, wie die Mutter sagte. Das hätte der Schöffe nie gelitten, und Margret hätte es nie gewollt. Im Sommer führte sie mit den Mägden die Sichel und den Melkeimer, im Winter spann sie. Obwohl sie Sonntags unsre besten Schriftsteller las und sie besser verstand, als die städtischen Nähmädchen, redete sie doch mit Jedermann den derben Dialekt, an welchem die Rheinländer so fest halten. Auch ihre Tracht blieb die ländliche; nur auf den Reihen und am Festtag trug sie den kostbaren, aber immer der Dorfsitte gemäßen Putz, wie man ihn am Rhein bei reichen Halfenstöchtern sieht. Es ist eine kleidsame Tracht: das Haar wird vorne schlicht gescheitelt, nach hinten aber heruntergekämmt und dann über den Kopf in rundem, auf dem Nacken liegendem Wulst wieder herausgeschlagen. Eine große, eckig gebogene Goldspange sitzt auf beiden Schläfen auf und trägt auf dem obern Bügel die weiße, nur das Hinterhaupt bedeckende Haube von klarem Stoff mit der kostbaren Spitze, welche handbreit um Stirn und Wangen flattert. Das Kleid fällt lang und faltig an den Hüften herunter, ein Spitzentuch liegt über Schultern und Brust; lange Handschuhe decken den untern Theil des vollen, vom Sommerbrande gerötheten Armes. Man findet in diesem Stande zuweilen die schönsten, schlanksten Gestalten: mit großen festen Schritten sieht man <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0019"/> Bäuerin schickte die ihren gar auf ein Jahr in eine Pension zu Professoren und Kaufmannstöchtern, damit sie doch sich unterhalten lernen, wie die Mutter sagte. Das hätte der Schöffe nie gelitten, und Margret hätte es nie gewollt. Im Sommer führte sie mit den Mägden die Sichel und den Melkeimer, im Winter spann sie. Obwohl sie Sonntags unsre besten Schriftsteller las und sie besser verstand, als die städtischen Nähmädchen, redete sie doch mit Jedermann den derben Dialekt, an welchem die Rheinländer so fest halten. Auch ihre Tracht blieb die ländliche; nur auf den Reihen und am Festtag trug sie den kostbaren, aber immer der Dorfsitte gemäßen Putz, wie man ihn am Rhein bei reichen Halfenstöchtern sieht. Es ist eine kleidsame Tracht: das Haar wird vorne schlicht gescheitelt, nach hinten aber heruntergekämmt und dann über den Kopf in rundem, auf dem Nacken liegendem Wulst wieder herausgeschlagen. Eine große, eckig gebogene Goldspange sitzt auf beiden Schläfen auf und trägt auf dem obern Bügel die weiße, nur das Hinterhaupt bedeckende Haube von klarem Stoff mit der kostbaren Spitze, welche handbreit um Stirn und Wangen flattert. Das Kleid fällt lang und faltig an den Hüften herunter, ein Spitzentuch liegt über Schultern und Brust; lange Handschuhe decken den untern Theil des vollen, vom Sommerbrande gerötheten Armes. Man findet in diesem Stande zuweilen die schönsten, schlanksten Gestalten: mit großen festen Schritten sieht man<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
Bäuerin schickte die ihren gar auf ein Jahr in eine Pension zu Professoren und Kaufmannstöchtern, damit sie doch sich unterhalten lernen, wie die Mutter sagte. Das hätte der Schöffe nie gelitten, und Margret hätte es nie gewollt. Im Sommer führte sie mit den Mägden die Sichel und den Melkeimer, im Winter spann sie. Obwohl sie Sonntags unsre besten Schriftsteller las und sie besser verstand, als die städtischen Nähmädchen, redete sie doch mit Jedermann den derben Dialekt, an welchem die Rheinländer so fest halten. Auch ihre Tracht blieb die ländliche; nur auf den Reihen und am Festtag trug sie den kostbaren, aber immer der Dorfsitte gemäßen Putz, wie man ihn am Rhein bei reichen Halfenstöchtern sieht. Es ist eine kleidsame Tracht: das Haar wird vorne schlicht gescheitelt, nach hinten aber heruntergekämmt und dann über den Kopf in rundem, auf dem Nacken liegendem Wulst wieder herausgeschlagen. Eine große, eckig gebogene Goldspange sitzt auf beiden Schläfen auf und trägt auf dem obern Bügel die weiße, nur das Hinterhaupt bedeckende Haube von klarem Stoff mit der kostbaren Spitze, welche handbreit um Stirn und Wangen flattert. Das Kleid fällt lang und faltig an den Hüften herunter, ein Spitzentuch liegt über Schultern und Brust; lange Handschuhe decken den untern Theil des vollen, vom Sommerbrande gerötheten Armes. Man findet in diesem Stande zuweilen die schönsten, schlanksten Gestalten: mit großen festen Schritten sieht man
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