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Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Margret sprang zu ihm und nahm es auf ihren Schooß; es war heiß und fieberte schon. Mit heftigem Kampf und Gestöhn wand es sich in ihren Armen ; die Krisis trat ein, die der Arzt vorausgesehen hatte. Margret mußte es wieder ins Bettchen legen, und die so tröstlich gemeinten Worte des Arztes: Ich sage Ihnen, es hängt viel von dieser Arznei ab, schnitten ihr jetzt wie scharfe Messer durch die Brust. Jede Minute Schlafs, die sie während des Tages im Vertrauen auf Paul's Wiederkehr sich gegönnt hatte, wurde ihr zum innern Vorwurf. Wär' ich doch selber heut am Tage gegangen! sprach sie leise, und plötzlich rief sie laut aus: Aber warum kann ich jetzt nicht noch gehen?

Sie sprang auf und band sich ein großes Tuch um den Kopf. Die Tante griff sie besorgt bei der Hand und sagte: Mädchen, du bist von Sinnen! Du allein in solcher Nacht durch den Zitterwald? Und du hast ja das Recept nicht einmal.

Margret stand einen Augenblick überlegend. Doch, sagte sie, das Recept muß ja in der Apotheke liegen, sonst hat es der Paul noch, und dessen Herberge weiß ich zu finden. Zwei Stunden sind's nach Blankenheim auf dem Fußpfad; die laufe ich in anderthalb, um Mitternacht bin ich wieder hier, und vielleicht rette ich dann noch mein Kind.

Höre, Margret, sagte jetzt die Alte, darauf darfst du nicht rechnen. Setz dich wenigstens noch einen

Margret sprang zu ihm und nahm es auf ihren Schooß; es war heiß und fieberte schon. Mit heftigem Kampf und Gestöhn wand es sich in ihren Armen ; die Krisis trat ein, die der Arzt vorausgesehen hatte. Margret mußte es wieder ins Bettchen legen, und die so tröstlich gemeinten Worte des Arztes: Ich sage Ihnen, es hängt viel von dieser Arznei ab, schnitten ihr jetzt wie scharfe Messer durch die Brust. Jede Minute Schlafs, die sie während des Tages im Vertrauen auf Paul's Wiederkehr sich gegönnt hatte, wurde ihr zum innern Vorwurf. Wär' ich doch selber heut am Tage gegangen! sprach sie leise, und plötzlich rief sie laut aus: Aber warum kann ich jetzt nicht noch gehen?

Sie sprang auf und band sich ein großes Tuch um den Kopf. Die Tante griff sie besorgt bei der Hand und sagte: Mädchen, du bist von Sinnen! Du allein in solcher Nacht durch den Zitterwald? Und du hast ja das Recept nicht einmal.

Margret stand einen Augenblick überlegend. Doch, sagte sie, das Recept muß ja in der Apotheke liegen, sonst hat es der Paul noch, und dessen Herberge weiß ich zu finden. Zwei Stunden sind's nach Blankenheim auf dem Fußpfad; die laufe ich in anderthalb, um Mitternacht bin ich wieder hier, und vielleicht rette ich dann noch mein Kind.

Höre, Margret, sagte jetzt die Alte, darauf darfst du nicht rechnen. Setz dich wenigstens noch einen

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[0053] Margret sprang zu ihm und nahm es auf ihren Schooß; es war heiß und fieberte schon. Mit heftigem Kampf und Gestöhn wand es sich in ihren Armen ; die Krisis trat ein, die der Arzt vorausgesehen hatte. Margret mußte es wieder ins Bettchen legen, und die so tröstlich gemeinten Worte des Arztes: Ich sage Ihnen, es hängt viel von dieser Arznei ab, schnitten ihr jetzt wie scharfe Messer durch die Brust. Jede Minute Schlafs, die sie während des Tages im Vertrauen auf Paul's Wiederkehr sich gegönnt hatte, wurde ihr zum innern Vorwurf. Wär' ich doch selber heut am Tage gegangen! sprach sie leise, und plötzlich rief sie laut aus: Aber warum kann ich jetzt nicht noch gehen? Sie sprang auf und band sich ein großes Tuch um den Kopf. Die Tante griff sie besorgt bei der Hand und sagte: Mädchen, du bist von Sinnen! Du allein in solcher Nacht durch den Zitterwald? Und du hast ja das Recept nicht einmal. Margret stand einen Augenblick überlegend. Doch, sagte sie, das Recept muß ja in der Apotheke liegen, sonst hat es der Paul noch, und dessen Herberge weiß ich zu finden. Zwei Stunden sind's nach Blankenheim auf dem Fußpfad; die laufe ich in anderthalb, um Mitternacht bin ich wieder hier, und vielleicht rette ich dann noch mein Kind. Höre, Margret, sagte jetzt die Alte, darauf darfst du nicht rechnen. Setz dich wenigstens noch einen

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:40:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:40:10Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kinkel_margret_1910/53>, abgerufen am 23.11.2024.