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Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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die junge Ahr so munter herabtanzt, tiefer Schnee sperrt die Stadt von dem gebildeten Leben entfernterer Gegenden und selbst von dem Verkehr mit den benachbarten Ortschaften ab. Da ziehen sich dann die Honoratioren Abends ins Casino zusammen, spielen Karten und trinken Wein; draußen aber vor den Mauern ist's nimmer gut hausen.

Am wenigsten erwünscht kommt dann in solchen Zeiten der Besuch der Wölfe, welche durch den hinter Blankenheim endlos sich ausdehnenden Zitterwald aus den Ardennen vorrücken und ihren räuberischen Hunger bis dicht vor die Stadtthore tragen. Unser ungründlicher Nachbar, der Franzose, hat die Singvögel aus seinen Laubhainen, die Hasen aus seinen Feldern weggeschossen , aber nicht Ausdauer genug gehabt, jenes widrig gemeine Raubthier zu tilgen; an seiner Süd- und Nordgrenze, in Pyrenäen und Ardennen, höhnt es noch den civilisirten Zustand des Landes. Was von diesen grauen und bösen Gästen nach Deutschland herüberkommt, findet jetzt meist rasch seine Kugel, aber so lange ist's noch nicht her, daß man sie sogar in der Rheinebene und, wenn das Eis ihnen eine Brücke über den großen Strom gab, selbst auf dem rechten Ufer antraf. Die ganze Eiffel bildet noch bis heute ihre Domäne, der sie einen Winterbesuch abzustatten niemals verfehlen. Nachts gehen sie am liebsten auf die Hunde an der Kette aus, am Tage holen sie vor den Augen der Hirten Schafe von den Weideplätzen.

die junge Ahr so munter herabtanzt, tiefer Schnee sperrt die Stadt von dem gebildeten Leben entfernterer Gegenden und selbst von dem Verkehr mit den benachbarten Ortschaften ab. Da ziehen sich dann die Honoratioren Abends ins Casino zusammen, spielen Karten und trinken Wein; draußen aber vor den Mauern ist's nimmer gut hausen.

Am wenigsten erwünscht kommt dann in solchen Zeiten der Besuch der Wölfe, welche durch den hinter Blankenheim endlos sich ausdehnenden Zitterwald aus den Ardennen vorrücken und ihren räuberischen Hunger bis dicht vor die Stadtthore tragen. Unser ungründlicher Nachbar, der Franzose, hat die Singvögel aus seinen Laubhainen, die Hasen aus seinen Feldern weggeschossen , aber nicht Ausdauer genug gehabt, jenes widrig gemeine Raubthier zu tilgen; an seiner Süd- und Nordgrenze, in Pyrenäen und Ardennen, höhnt es noch den civilisirten Zustand des Landes. Was von diesen grauen und bösen Gästen nach Deutschland herüberkommt, findet jetzt meist rasch seine Kugel, aber so lange ist's noch nicht her, daß man sie sogar in der Rheinebene und, wenn das Eis ihnen eine Brücke über den großen Strom gab, selbst auf dem rechten Ufer antraf. Die ganze Eiffel bildet noch bis heute ihre Domäne, der sie einen Winterbesuch abzustatten niemals verfehlen. Nachts gehen sie am liebsten auf die Hunde an der Kette aus, am Tage holen sie vor den Augen der Hirten Schafe von den Weideplätzen.

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[0008] die junge Ahr so munter herabtanzt, tiefer Schnee sperrt die Stadt von dem gebildeten Leben entfernterer Gegenden und selbst von dem Verkehr mit den benachbarten Ortschaften ab. Da ziehen sich dann die Honoratioren Abends ins Casino zusammen, spielen Karten und trinken Wein; draußen aber vor den Mauern ist's nimmer gut hausen. Am wenigsten erwünscht kommt dann in solchen Zeiten der Besuch der Wölfe, welche durch den hinter Blankenheim endlos sich ausdehnenden Zitterwald aus den Ardennen vorrücken und ihren räuberischen Hunger bis dicht vor die Stadtthore tragen. Unser ungründlicher Nachbar, der Franzose, hat die Singvögel aus seinen Laubhainen, die Hasen aus seinen Feldern weggeschossen , aber nicht Ausdauer genug gehabt, jenes widrig gemeine Raubthier zu tilgen; an seiner Süd- und Nordgrenze, in Pyrenäen und Ardennen, höhnt es noch den civilisirten Zustand des Landes. Was von diesen grauen und bösen Gästen nach Deutschland herüberkommt, findet jetzt meist rasch seine Kugel, aber so lange ist's noch nicht her, daß man sie sogar in der Rheinebene und, wenn das Eis ihnen eine Brücke über den großen Strom gab, selbst auf dem rechten Ufer antraf. Die ganze Eiffel bildet noch bis heute ihre Domäne, der sie einen Winterbesuch abzustatten niemals verfehlen. Nachts gehen sie am liebsten auf die Hunde an der Kette aus, am Tage holen sie vor den Augen der Hirten Schafe von den Weideplätzen.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:40:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:40:10Z)

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Zitationshilfe: Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kinkel_margret_1910/8>, abgerufen am 01.05.2024.