Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kinkel, Johanna: Musikalische Orthodoxie. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 99–171. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Besser lerne ich die F-Moll-Sonate doch nicht spielen, sagte Ida und stand müde vom Klavier auf. Eigentlich geht sie recht gut, und selbst mein überstrenger Lehrer wäre damit zufrieden gewesen, fügte sie hinzu. Was ihr in meinem Gefühl noch fehlt, das, fürchte ich, läßt sich mit weiterem Ueben nicht herausbringen. Das unbegreiflich Phantastische des ersten Allegro, das verzweifelte Spielen mit dem Schmerz im Adagio, dies lachend dem Untergang Zustürzen im Finale, das hab' ich anfangs besser ausdrücken können. Indem ich aber die raschen Passagen zu feilen suchte, ist mir der Vortrag glatter, zierlicher geworden, und ich kann nicht mehr in den großen Stil zurück. Ich spiele die Sonate jetzt exact, aber ohne Geist, das ist höchst fatal!

Sie nehmen auch Alles gar zu pedantisch streng, antwortete eine bejahrte Dame, die zuhörend in der Sopha-Ecke saß, und legen Dinge in die Musik hinein, die kein anderer Mensch heraushört.

Besser lerne ich die F-Moll-Sonate doch nicht spielen, sagte Ida und stand müde vom Klavier auf. Eigentlich geht sie recht gut, und selbst mein überstrenger Lehrer wäre damit zufrieden gewesen, fügte sie hinzu. Was ihr in meinem Gefühl noch fehlt, das, fürchte ich, läßt sich mit weiterem Ueben nicht herausbringen. Das unbegreiflich Phantastische des ersten Allegro, das verzweifelte Spielen mit dem Schmerz im Adagio, dies lachend dem Untergang Zustürzen im Finale, das hab' ich anfangs besser ausdrücken können. Indem ich aber die raschen Passagen zu feilen suchte, ist mir der Vortrag glatter, zierlicher geworden, und ich kann nicht mehr in den großen Stil zurück. Ich spiele die Sonate jetzt exact, aber ohne Geist, das ist höchst fatal!

Sie nehmen auch Alles gar zu pedantisch streng, antwortete eine bejahrte Dame, die zuhörend in der Sopha-Ecke saß, und legen Dinge in die Musik hinein, die kein anderer Mensch heraushört.

<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0007"/>
    <body>
      <div n="1">
        <p>Besser lerne ich die F-Moll-Sonate doch nicht spielen, sagte Ida und stand müde vom Klavier      auf. Eigentlich geht sie recht gut, und selbst mein überstrenger Lehrer wäre damit zufrieden      gewesen, fügte sie hinzu. Was ihr in meinem Gefühl noch fehlt, das, fürchte ich, läßt sich mit      weiterem Ueben nicht herausbringen. Das unbegreiflich Phantastische des ersten Allegro, das      verzweifelte Spielen mit dem Schmerz im Adagio, dies lachend dem Untergang Zustürzen im Finale,      das hab' ich anfangs besser ausdrücken können. Indem ich aber die raschen Passagen zu feilen      suchte, ist mir der Vortrag glatter, zierlicher geworden, und ich kann nicht mehr in den großen      Stil zurück. Ich spiele die Sonate jetzt exact, aber ohne Geist, das ist höchst fatal!</p><lb/>
        <p>Sie nehmen auch Alles gar zu pedantisch streng, antwortete eine bejahrte Dame, die zuhörend      in der Sopha-Ecke saß, und legen Dinge in die Musik hinein, die kein anderer Mensch      heraushört.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0007] Besser lerne ich die F-Moll-Sonate doch nicht spielen, sagte Ida und stand müde vom Klavier auf. Eigentlich geht sie recht gut, und selbst mein überstrenger Lehrer wäre damit zufrieden gewesen, fügte sie hinzu. Was ihr in meinem Gefühl noch fehlt, das, fürchte ich, läßt sich mit weiterem Ueben nicht herausbringen. Das unbegreiflich Phantastische des ersten Allegro, das verzweifelte Spielen mit dem Schmerz im Adagio, dies lachend dem Untergang Zustürzen im Finale, das hab' ich anfangs besser ausdrücken können. Indem ich aber die raschen Passagen zu feilen suchte, ist mir der Vortrag glatter, zierlicher geworden, und ich kann nicht mehr in den großen Stil zurück. Ich spiele die Sonate jetzt exact, aber ohne Geist, das ist höchst fatal! Sie nehmen auch Alles gar zu pedantisch streng, antwortete eine bejahrte Dame, die zuhörend in der Sopha-Ecke saß, und legen Dinge in die Musik hinein, die kein anderer Mensch heraushört.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:10:50Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:10:50Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kinkel_orthodoxie_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kinkel_orthodoxie_1910/7
Zitationshilfe: Kinkel, Johanna: Musikalische Orthodoxie. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 99–171. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kinkel_orthodoxie_1910/7>, abgerufen am 21.11.2024.