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Kirchhoff, Auguste: Zur Entwicklung der Frauenstimmrechts-Bewegung. Bremen, [1916].

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zwar auf das Anrecht auf Jmmatrikulation an den Hochschulen
nach abgelegter Maturitätsprüfung, auf die Mitwirkung sach-
verständiger Frauen bei der in Aussicht stehenden Mädchen-
schulreform und auf die Errichtung obligatorischer Fortbil-
dungsschulen für Mädchen bezogen.

Die Antwort des Reichskanzlers enthielt eine durchaus
gerechte Würdigung des großen Ernstes und der Bedeutung
der Frauenfrage. Graf Bülow betonte seine Abhängigkeit von
den gesetzgebenden Körperschaften, versicherte aber gleichzeitig
seine Bereitwilligkeit, die gewünschten Aenderungen in bezug
auf das Strafgesetzbuch und das Vereinsrecht an den zuständi-
gen Stellen anzuregen, und sein Jnteresse an der Mädchen-
schulreform in Bundesrat und Reichstag zum Ausdruck zu
bringen.*)

Öffentliche Versammlungen in Berlin und Hamburg, die
sich unter anderm mit den bevorstehenden Reichstagswahlen
beschäftigten und bei denen auch Vertreter der politischen Par-
teien zugegen waren, sowie eine Reihe von Eingaben an Be-
hörden und gesetzgebende Körperschaften, von denen der erste
Jahresbericht des Vereins Kunde gibt, zeugen für das rege
Jnteresse und die intensive Teilnahme an allen politischen
Fragen seitens der Mitglieder. An die politischen Parteien
erging im April 1903 ein Anschreiben betr. Aufnahme von
Frauen als ordentliche Parteimitglieder in den Bundesstaaten,
in denen die Gesetze dies zulassen, sowie um Heranziehung von
Frauen zu allen Parteiveranstaltungen in Preußen.

Zur gleichen Zeit wurde an den evangelischen Oberkirchen-
rat in Preußen und an die Bremer Kirchenbehörde eine Ein-
gabe um Verleihung des kirchlichen Wahlrechtes an die Frauen
gerichtet, die im Juni 1903 auch an alle übrigen deutschen Kir-
chenbehörden ging.

Jm Juni 1904 fand in Berlin die internationale Grün-
dungskonferenz des "Weltbundes für Frauenstimmrecht" statt,
die vom deutschen Verein für Frauenstimmrecht" vorbereitet war.

*) (Siehe "Frauenbewegung" vom 1. April 1902).

zwar auf das Anrecht auf Jmmatrikulation an den Hochschulen
nach abgelegter Maturitätsprüfung, auf die Mitwirkung sach-
verständiger Frauen bei der in Aussicht stehenden Mädchen-
schulreform und auf die Errichtung obligatorischer Fortbil-
dungsschulen für Mädchen bezogen.

Die Antwort des Reichskanzlers enthielt eine durchaus
gerechte Würdigung des großen Ernstes und der Bedeutung
der Frauenfrage. Graf Bülow betonte seine Abhängigkeit von
den gesetzgebenden Körperschaften, versicherte aber gleichzeitig
seine Bereitwilligkeit, die gewünschten Aenderungen in bezug
auf das Strafgesetzbuch und das Vereinsrecht an den zuständi-
gen Stellen anzuregen, und sein Jnteresse an der Mädchen-
schulreform in Bundesrat und Reichstag zum Ausdruck zu
bringen.*)

Öffentliche Versammlungen in Berlin und Hamburg, die
sich unter anderm mit den bevorstehenden Reichstagswahlen
beschäftigten und bei denen auch Vertreter der politischen Par-
teien zugegen waren, sowie eine Reihe von Eingaben an Be-
hörden und gesetzgebende Körperschaften, von denen der erste
Jahresbericht des Vereins Kunde gibt, zeugen für das rege
Jnteresse und die intensive Teilnahme an allen politischen
Fragen seitens der Mitglieder. An die politischen Parteien
erging im April 1903 ein Anschreiben betr. Aufnahme von
Frauen als ordentliche Parteimitglieder in den Bundesstaaten,
in denen die Gesetze dies zulassen, sowie um Heranziehung von
Frauen zu allen Parteiveranstaltungen in Preußen.

Zur gleichen Zeit wurde an den evangelischen Oberkirchen-
rat in Preußen und an die Bremer Kirchenbehörde eine Ein-
gabe um Verleihung des kirchlichen Wahlrechtes an die Frauen
gerichtet, die im Juni 1903 auch an alle übrigen deutschen Kir-
chenbehörden ging.

Jm Juni 1904 fand in Berlin die internationale Grün-
dungskonferenz des „Weltbundes für Frauenstimmrecht“ statt,
die vom deutschen Verein für Frauenstimmrecht“ vorbereitet war.

*) (Siehe „Frauenbewegung“ vom 1. April 1902).
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[6/0006] zwar auf das Anrecht auf Jmmatrikulation an den Hochschulen nach abgelegter Maturitätsprüfung, auf die Mitwirkung sach- verständiger Frauen bei der in Aussicht stehenden Mädchen- schulreform und auf die Errichtung obligatorischer Fortbil- dungsschulen für Mädchen bezogen. Die Antwort des Reichskanzlers enthielt eine durchaus gerechte Würdigung des großen Ernstes und der Bedeutung der Frauenfrage. Graf Bülow betonte seine Abhängigkeit von den gesetzgebenden Körperschaften, versicherte aber gleichzeitig seine Bereitwilligkeit, die gewünschten Aenderungen in bezug auf das Strafgesetzbuch und das Vereinsrecht an den zuständi- gen Stellen anzuregen, und sein Jnteresse an der Mädchen- schulreform in Bundesrat und Reichstag zum Ausdruck zu bringen. *) Öffentliche Versammlungen in Berlin und Hamburg, die sich unter anderm mit den bevorstehenden Reichstagswahlen beschäftigten und bei denen auch Vertreter der politischen Par- teien zugegen waren, sowie eine Reihe von Eingaben an Be- hörden und gesetzgebende Körperschaften, von denen der erste Jahresbericht des Vereins Kunde gibt, zeugen für das rege Jnteresse und die intensive Teilnahme an allen politischen Fragen seitens der Mitglieder. An die politischen Parteien erging im April 1903 ein Anschreiben betr. Aufnahme von Frauen als ordentliche Parteimitglieder in den Bundesstaaten, in denen die Gesetze dies zulassen, sowie um Heranziehung von Frauen zu allen Parteiveranstaltungen in Preußen. Zur gleichen Zeit wurde an den evangelischen Oberkirchen- rat in Preußen und an die Bremer Kirchenbehörde eine Ein- gabe um Verleihung des kirchlichen Wahlrechtes an die Frauen gerichtet, die im Juni 1903 auch an alle übrigen deutschen Kir- chenbehörden ging. Jm Juni 1904 fand in Berlin die internationale Grün- dungskonferenz des „Weltbundes für Frauenstimmrecht“ statt, die vom deutschen Verein für Frauenstimmrecht“ vorbereitet war. *) (Siehe „Frauenbewegung“ vom 1. April 1902).

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Zitationshilfe: Kirchhoff, Auguste: Zur Entwicklung der Frauenstimmrechts-Bewegung. Bremen, [1916], S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_entwicklung_1916/6>, abgerufen am 21.11.2024.