Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.pkl_074.001 Es wurzelt ja so fest ihr Fuß im tiefen Meeresgrund, pkl_074.002 pkl_074.003Jhr Haupt nur wiegt ein lieblicher Gedanke hin und her! Platen. §. 111. Als Zusatz zu der Lehre von den poetischen pkl_074.005 pkl_074.001 Es wurzelt ja so fest ihr Fuß im tiefen Meeresgrund, pkl_074.002 pkl_074.003Jhr Haupt nur wiegt ein lieblicher Gedanke hin und her! Platen. §. 111. Als Zusatz zu der Lehre von den poetischen pkl_074.005 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <pb facs="#f0100" n="74"/> <lb n="pkl_074.001"/> <lg> <l>Es wurzelt ja so fest ihr Fuß im tiefen Meeresgrund,</l> <lb n="pkl_074.002"/> <l>Jhr Haupt nur wiegt ein lieblicher Gedanke hin und her!</l> </lg> <lb n="pkl_074.003"/> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Platen</hi>.</hi> </p> <lb n="pkl_074.004"/> </div> </div> <div n="3"> <p> §. 111. Als Zusatz zu der Lehre von den poetischen <lb n="pkl_074.005"/> Formen sei hier noch bemerkt, daß man, auch abgesehn <lb n="pkl_074.006"/> von Silbenwägung, Reim, Vers- und Strophenbildung, <lb n="pkl_074.007"/> bei der Wahl und Stellung der in Gedichten zu brauchenden <lb n="pkl_074.008"/> Wörter möglichst nach <hi rendition="#g">Wohllaut</hi> zu trachten <lb n="pkl_074.009"/> hat, ohne jedoch der Richtigkeit, Genauigkeit und Natürlichkeit <lb n="pkl_074.010"/> des Ausdrucks dadurch Eintrag zu thun. <lb n="pkl_074.011"/> Erschöpfende Regeln in dieser Hinsicht aufzustellen, <lb n="pkl_074.012"/> dürfte weder möglich, noch nöthig sein. Man richte <lb n="pkl_074.013"/> nur die gehörige Aufmerksamkeit auf diesen Punkt, (d. h. <lb n="pkl_074.014"/> auf Vokale und Consonanten, Verbindung und Aussprache <lb n="pkl_074.015"/> aller Wörter;) in den meisten Fällen wird dann <lb n="pkl_074.016"/> das eigene Gefühl richtig entscheiden. Es sei indeß hier <lb n="pkl_074.017"/> noch erwähnt, daß die in §. 71 <hi rendition="#aq">d</hi>. in Bezug auf den Reim <lb n="pkl_074.018"/> gemachte Andeutung auch auf die nicht gereimten Wörter <lb n="pkl_074.019"/> ausgedehnt werden kann, ferner, daß <hi rendition="#aq">a</hi>) eine zu große <lb n="pkl_074.020"/> Anhäufung von minder schönen Consonanten, wie s, <lb n="pkl_074.021"/> z, t, p, ß, tz, sp u. s. w., <hi rendition="#aq">b</hi>) der <hi rendition="#g">zu häufige</hi> Gebrauch <lb n="pkl_074.022"/> des Vokals e, besonders auch des unbetonten am <lb n="pkl_074.023"/> Schluß der Wörter, <hi rendition="#aq">c</hi>) ebenso und noch mehr die gewaltsame <lb n="pkl_074.024"/> Fortwerfung dieses e an Stellen, wo der <lb n="pkl_074.025"/> Geist der Sprache die Apostrophirung nicht gestattet, <lb n="pkl_074.026"/> und <hi rendition="#aq">d</hi>) eine zu lange Reihe von bloß einsilbigen Wörtern, <lb n="pkl_074.027"/> zumal solcher, deren Qualität und Betonung <lb n="pkl_074.028"/> zweifelhaft oder unbestimmt ist, — dem Wohllaut relativ <lb n="pkl_074.029"/> schadet. — Sodann haben wir schließlich noch des sogenannten <lb n="pkl_074.030"/> <hi rendition="#g">Hiatus</hi> zu gedenken. Der Hiatus (die <lb n="pkl_074.031"/> Klaffung, Gähnung) entsteht, wenn ein Wort mit einem </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [74/0100]
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Es wurzelt ja so fest ihr Fuß im tiefen Meeresgrund, pkl_074.002
Jhr Haupt nur wiegt ein lieblicher Gedanke hin und her!
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Platen.
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§. 111. Als Zusatz zu der Lehre von den poetischen pkl_074.005
Formen sei hier noch bemerkt, daß man, auch abgesehn pkl_074.006
von Silbenwägung, Reim, Vers- und Strophenbildung, pkl_074.007
bei der Wahl und Stellung der in Gedichten zu brauchenden pkl_074.008
Wörter möglichst nach Wohllaut zu trachten pkl_074.009
hat, ohne jedoch der Richtigkeit, Genauigkeit und Natürlichkeit pkl_074.010
des Ausdrucks dadurch Eintrag zu thun. pkl_074.011
Erschöpfende Regeln in dieser Hinsicht aufzustellen, pkl_074.012
dürfte weder möglich, noch nöthig sein. Man richte pkl_074.013
nur die gehörige Aufmerksamkeit auf diesen Punkt, (d. h. pkl_074.014
auf Vokale und Consonanten, Verbindung und Aussprache pkl_074.015
aller Wörter;) in den meisten Fällen wird dann pkl_074.016
das eigene Gefühl richtig entscheiden. Es sei indeß hier pkl_074.017
noch erwähnt, daß die in §. 71 d. in Bezug auf den Reim pkl_074.018
gemachte Andeutung auch auf die nicht gereimten Wörter pkl_074.019
ausgedehnt werden kann, ferner, daß a) eine zu große pkl_074.020
Anhäufung von minder schönen Consonanten, wie s, pkl_074.021
z, t, p, ß, tz, sp u. s. w., b) der zu häufige Gebrauch pkl_074.022
des Vokals e, besonders auch des unbetonten am pkl_074.023
Schluß der Wörter, c) ebenso und noch mehr die gewaltsame pkl_074.024
Fortwerfung dieses e an Stellen, wo der pkl_074.025
Geist der Sprache die Apostrophirung nicht gestattet, pkl_074.026
und d) eine zu lange Reihe von bloß einsilbigen Wörtern, pkl_074.027
zumal solcher, deren Qualität und Betonung pkl_074.028
zweifelhaft oder unbestimmt ist, — dem Wohllaut relativ pkl_074.029
schadet. — Sodann haben wir schließlich noch des sogenannten pkl_074.030
Hiatus zu gedenken. Der Hiatus (die pkl_074.031
Klaffung, Gähnung) entsteht, wenn ein Wort mit einem
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