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Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

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§. 120. Wie die Empfindung selbst, so muß auch pkl_084.002
der Ausdruck derselben sich durch Einfachheit charakterisiren. pkl_084.003
Das Gefühl, nicht die Jdee hat im Liede pkl_084.004
die Herrschaft; deshalb werden Gehalt und Gang der pkl_084.005
Gedanken, so wie die gebrauchten Bilder der gewöhnlichen pkl_084.006
Sphäre des Menschenlebens gemäß sein. Daß pkl_084.007
diese Forderung nur bei einer durchaus ungekünstelten, pkl_084.008
einfachen, aber nichts desto weniger vollendeten pkl_084.009
Form
ihre befriedigende Lösung finden kann, ist an pkl_084.010
sich klar, wir beschränken uns deshalb in dieser Hinsicht pkl_084.011
auf folgende Bemerkungen: Der Umstand, wonach pkl_084.012
das Lied zugleich (oder vorzugsweise) für den Gesang pkl_084.013
mit bestimmt ist, macht nicht nur die strophische Abtheilung pkl_084.014
der Verse nothwendig, sondern auch die vollständige, pkl_084.015
metrische Uebereinstimmung der pkl_084.016
correspondirenden Verse
mindestens wünschenswerth. pkl_084.017
Nur Abweichungen sehr unbedeutender Art sind pkl_084.018
in einzelnen Fällen hier zulässig.

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§. 121. Wie der äußere Bau der Verse, so pkl_084.020
nimmt auch der innere Charakter derselben des Dichters pkl_084.021
volle Aufmerksamkeit in Anspruch, mit andern pkl_084.022
Worten, das Versmaaß muß möglichst dem pkl_084.023
Jnhalt des Liedes gemäß gewählt werden.
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Bestimmte Vorschriften und ausschließende Bestimmungen pkl_084.025
lassen sich hierüber zwar nicht aufstellen; doch pkl_084.026
möchte im Allgemeinen Folgendes maaßgebend sein: pkl_084.027
Sanften, weichen Gefühlen, namentlich aber Empfindungen pkl_084.028
der Trauer entsprechen am meisten der pkl_084.029
dreifüßige und der fünffüßige Trochäus, während pkl_084.030
der vierfüßige Trochäus sich mehr für kräftige, pkl_084.031
ernste
und für Gefühle der Sehnsucht eignet.

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§. 120. Wie die Empfindung selbst, so muß auch pkl_084.002
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das Lied zugleich (oder vorzugsweise) für den Gesang pkl_084.013
mit bestimmt ist, macht nicht nur die strophische Abtheilung pkl_084.014
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metrische Uebereinstimmung der pkl_084.016
correspondirenden Verse
mindestens wünschenswerth. pkl_084.017
Nur Abweichungen sehr unbedeutender Art sind pkl_084.018
in einzelnen Fällen hier zulässig.

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nimmt auch der innere Charakter derselben des Dichters pkl_084.021
volle Aufmerksamkeit in Anspruch, mit andern pkl_084.022
Worten, das Versmaaß muß möglichst dem pkl_084.023
Jnhalt des Liedes gemäß gewählt werden.
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Bestimmte Vorschriften und ausschließende Bestimmungen pkl_084.025
lassen sich hierüber zwar nicht aufstellen; doch pkl_084.026
möchte im Allgemeinen Folgendes maaßgebend sein: pkl_084.027
Sanften, weichen Gefühlen, namentlich aber Empfindungen pkl_084.028
der Trauer entsprechen am meisten der pkl_084.029
dreifüßige und der fünffüßige Trochäus, während pkl_084.030
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[84/0110] pkl_084.001 §. 120. Wie die Empfindung selbst, so muß auch pkl_084.002 der Ausdruck derselben sich durch Einfachheit charakterisiren. pkl_084.003 Das Gefühl, nicht die Jdee hat im Liede pkl_084.004 die Herrschaft; deshalb werden Gehalt und Gang der pkl_084.005 Gedanken, so wie die gebrauchten Bilder der gewöhnlichen pkl_084.006 Sphäre des Menschenlebens gemäß sein. Daß pkl_084.007 diese Forderung nur bei einer durchaus ungekünstelten, pkl_084.008 einfachen, aber nichts desto weniger vollendeten pkl_084.009 Form ihre befriedigende Lösung finden kann, ist an pkl_084.010 sich klar, wir beschränken uns deshalb in dieser Hinsicht pkl_084.011 auf folgende Bemerkungen: Der Umstand, wonach pkl_084.012 das Lied zugleich (oder vorzugsweise) für den Gesang pkl_084.013 mit bestimmt ist, macht nicht nur die strophische Abtheilung pkl_084.014 der Verse nothwendig, sondern auch die vollständige, pkl_084.015 metrische Uebereinstimmung der pkl_084.016 correspondirenden Verse mindestens wünschenswerth. pkl_084.017 Nur Abweichungen sehr unbedeutender Art sind pkl_084.018 in einzelnen Fällen hier zulässig. pkl_084.019 §. 121. Wie der äußere Bau der Verse, so pkl_084.020 nimmt auch der innere Charakter derselben des Dichters pkl_084.021 volle Aufmerksamkeit in Anspruch, mit andern pkl_084.022 Worten, das Versmaaß muß möglichst dem pkl_084.023 Jnhalt des Liedes gemäß gewählt werden. pkl_084.024 Bestimmte Vorschriften und ausschließende Bestimmungen pkl_084.025 lassen sich hierüber zwar nicht aufstellen; doch pkl_084.026 möchte im Allgemeinen Folgendes maaßgebend sein: pkl_084.027 Sanften, weichen Gefühlen, namentlich aber Empfindungen pkl_084.028 der Trauer entsprechen am meisten der pkl_084.029 dreifüßige und der fünffüßige Trochäus, während pkl_084.030 der vierfüßige Trochäus sich mehr für kräftige, pkl_084.031 ernste und für Gefühle der Sehnsucht eignet.

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Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/110>, abgerufen am 21.11.2024.