Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.pkl_098.001 §. 144. Unsere Literatur ist überaus arm in dieser pkl_098.007 VI. Die Cantate. pkl_098.013§. 145. Die Cantate ist eine, aus Jtalien zu pkl_098.014 pkl_098.001 §. 144. Unsere Literatur ist überaus arm in dieser pkl_098.007 VI. Die Cantate. pkl_098.013§. 145. Die Cantate ist eine, aus Jtalien zu pkl_098.014 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0124" n="98"/><lb n="pkl_098.001"/> und nicht mit Unrecht, den Namen auf diejenigen lyrischen <lb n="pkl_098.002"/> Gedichte angewendet, die einer außergewöhnlichen, <lb n="pkl_098.003"/> rauschähnlichen Begeisterung entströmt und in einer <lb n="pkl_098.004"/> Form geschrieben sind, die, zumal in rhythmischer Hinsicht, <lb n="pkl_098.005"/> die größte Freiheit und Lebendigkeit zeigt.</p> <lb n="pkl_098.006"/> <p> §. 144. Unsere Literatur ist überaus arm in dieser <lb n="pkl_098.007"/> Dichtungsart. Zwar hat man zuweilen versucht, Trinkliedern <lb n="pkl_098.008"/> dithyrambische Gestalt zu geben — im Ganzen <lb n="pkl_098.009"/> mit wenig Glück. Erwähnung verdienen die Dithyramben <lb n="pkl_098.010"/> von <hi rendition="#g">Willanow, Friedrich</hi> (Maler) <hi rendition="#g">Müller, <lb n="pkl_098.011"/> Voß</hi> und <hi rendition="#g">Schiller.</hi></p> <lb n="pkl_098.012"/> </div> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">VI</hi>. <hi rendition="#g">Die Cantate.</hi></hi> </head> <lb n="pkl_098.013"/> <p> §. 145. Die <hi rendition="#g">Cantate</hi> ist eine, aus Jtalien zu <lb n="pkl_098.014"/> uns gekommene lyrische Dichtungsart, deren hervorstechende <lb n="pkl_098.015"/> Eigenthümlichkeit in der <hi rendition="#g">unbedingten Bestimmung <lb n="pkl_098.016"/> für die musikalische Darstellung</hi> <lb n="pkl_098.017"/> besteht. Sie schildert in einer <hi rendition="#g">Reihe von Sätzen <lb n="pkl_098.018"/> Empfindungen,</hi> die zwar an denselben Gegenstand <lb n="pkl_098.019"/> geknüpft, aber an Art und Stärke doch sehr <hi rendition="#g">verschieden</hi> <lb n="pkl_098.020"/> sind. Gewöhnlich läßt der Dichter die <hi rendition="#g">verschiedenen</hi> <lb n="pkl_098.021"/> Empfindungen auch durch verschiedene <hi rendition="#g">Personen</hi> <lb n="pkl_098.022"/> aussprechen und giebt dadurch der Cantate einen <lb n="pkl_098.023"/> mehr oder weniger <hi rendition="#g">dramatischen</hi> Charakter. Doch <lb n="pkl_098.024"/> darf das Gedicht seine <hi rendition="#g">lyrische</hi> Natur nie verleugnen. <lb n="pkl_098.025"/> Wo darum die Cantate nicht nur die Gefühle schildert, <lb n="pkl_098.026"/> die sich aus gewissen Vorgängen entwickeln, sondern <lb n="pkl_098.027"/> wo sie vielmehr diese Vorgänge selbst dadurch vorführt, <lb n="pkl_098.028"/> daß sie Personen <hi rendition="#g">handelnd</hi> auftreten läßt, da wird <lb n="pkl_098.029"/> dies doch mit solcher Einfachheit geschehen, daß den <lb n="pkl_098.030"/> Empfindungen — denn auf diese kommt es an! — </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0124]
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und nicht mit Unrecht, den Namen auf diejenigen lyrischen pkl_098.002
Gedichte angewendet, die einer außergewöhnlichen, pkl_098.003
rauschähnlichen Begeisterung entströmt und in einer pkl_098.004
Form geschrieben sind, die, zumal in rhythmischer Hinsicht, pkl_098.005
die größte Freiheit und Lebendigkeit zeigt.
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§. 144. Unsere Literatur ist überaus arm in dieser pkl_098.007
Dichtungsart. Zwar hat man zuweilen versucht, Trinkliedern pkl_098.008
dithyrambische Gestalt zu geben — im Ganzen pkl_098.009
mit wenig Glück. Erwähnung verdienen die Dithyramben pkl_098.010
von Willanow, Friedrich (Maler) Müller, pkl_098.011
Voß und Schiller.
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VI. Die Cantate. pkl_098.013
§. 145. Die Cantate ist eine, aus Jtalien zu pkl_098.014
uns gekommene lyrische Dichtungsart, deren hervorstechende pkl_098.015
Eigenthümlichkeit in der unbedingten Bestimmung pkl_098.016
für die musikalische Darstellung pkl_098.017
besteht. Sie schildert in einer Reihe von Sätzen pkl_098.018
Empfindungen, die zwar an denselben Gegenstand pkl_098.019
geknüpft, aber an Art und Stärke doch sehr verschieden pkl_098.020
sind. Gewöhnlich läßt der Dichter die verschiedenen pkl_098.021
Empfindungen auch durch verschiedene Personen pkl_098.022
aussprechen und giebt dadurch der Cantate einen pkl_098.023
mehr oder weniger dramatischen Charakter. Doch pkl_098.024
darf das Gedicht seine lyrische Natur nie verleugnen. pkl_098.025
Wo darum die Cantate nicht nur die Gefühle schildert, pkl_098.026
die sich aus gewissen Vorgängen entwickeln, sondern pkl_098.027
wo sie vielmehr diese Vorgänge selbst dadurch vorführt, pkl_098.028
daß sie Personen handelnd auftreten läßt, da wird pkl_098.029
dies doch mit solcher Einfachheit geschehen, daß den pkl_098.030
Empfindungen — denn auf diese kommt es an! —
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