Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.pkl_102.001 Anmerkung. Wie überhaupt die Dichtungsarten, zumal pkl_102.020 pkl_102.001 Anmerkung. Wie überhaupt die Dichtungsarten, zumal pkl_102.020 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0128" n="102"/><lb n="pkl_102.001"/> Bekanntschaft erlangt. Welcher Freund der Poesie kennt <lb n="pkl_102.002"/> nicht <hi rendition="#g">Hölty's:</hi> Selig alle, die im Herrn entschliefen &c., <lb n="pkl_102.003"/> und: Schwermuthvoll und dumpfig hallt Geläute &c.; <lb n="pkl_102.004"/> so wie <hi rendition="#g">Matthisson's:</hi> Schweigend, in der Abenddämm'rung <lb n="pkl_102.005"/> Schleier &c. und <hi rendition="#g">Tiedge's</hi> Elegie auf dem <lb n="pkl_102.006"/> Schlachtfeld bei Kunersdorf? Zum Theil noch ausgezeichneter, <lb n="pkl_102.007"/> wiewohl leider! nicht durchaus so bekannt <lb n="pkl_102.008"/> ist das, was <hi rendition="#g">Klopstock, Herder, Schiller, Göthe, <lb n="pkl_102.009"/> Schubart,</hi> A. W. <hi rendition="#g">Schlegel,</hi> W. v. <hi rendition="#g">Humboldt, <lb n="pkl_102.010"/> Hölderlin, Jmmermann, Rückert, Matzerath</hi> <lb n="pkl_102.011"/> u. a. im elegischen Fache geleistet haben. Auch <lb n="pkl_102.012"/> mehrere der schönsten Gedichte <hi rendition="#g">Freiligrath's,</hi> z. B. <lb n="pkl_102.013"/> „die Auswanderer,“ „Wär ich im Bann von Mekka's <lb n="pkl_102.014"/> Thoren,“ „die Tanne,“ „die Bilderbibel,“ „Odysseus,“ <lb n="pkl_102.015"/> „der ausgewanderte Dichter,“ „bei <hi rendition="#g">Grabbe's</hi> Tod,“ <lb n="pkl_102.016"/> „ein Flecken am Rhein,“ — glauben wir, wenn auch <lb n="pkl_102.017"/> nicht alle ganz unbedingt, den Elegien beizählen zu <lb n="pkl_102.018"/> dürfen.</p> <lb n="pkl_102.019"/> <p><hi rendition="#g">Anmerkung.</hi> Wie überhaupt die Dichtungsarten, zumal <lb n="pkl_102.020"/> die lyrischen, in der Praxis nicht all zu häufig ganz streng <lb n="pkl_102.021"/> gesondert erscheinen, sondern oft mannichfaltig in einander überspielen <lb n="pkl_102.022"/> und sich verschmelzen, so finden sich namentlich auch viele <lb n="pkl_102.023"/> elegieähnliche Lieder oder liederartige Elegien, z. B. bei <hi rendition="#g">Lenau, <lb n="pkl_102.024"/> Eichendorf, Heine</hi> &c.; desgleichen auch Oden, Hymnen, <lb n="pkl_102.025"/> Rhapsodien, ja auch Romanzen, Balladen &c., welche der Elegie <lb n="pkl_102.026"/> wenigstens sehr nahe verwandt sind. Wenn ein Gedicht <lb n="pkl_102.027"/> nur wirklich schön ist, schöne Form mit schönem Jnhalt verbindet, <lb n="pkl_102.028"/> so braucht der Dichter desselben sich nicht darum zu kümmern, <lb n="pkl_102.029"/> in welche Klasse es gehöre, — er kann ruhig und <lb n="pkl_102.030"/> unbesorgt zusehen, wenn die Theoretiker — sich die Köpfe <lb n="pkl_102.031"/> darüber zerbrechen. Man darf mit ihm darüber eben so wenig <lb n="pkl_102.032"/> rechten, als die Naturforscher mit dem lieben Gott, wenn etwa <lb n="pkl_102.033"/> eine Pflanze nicht ins <hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi></hi>e'sche System passen will.</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0128]
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Bekanntschaft erlangt. Welcher Freund der Poesie kennt pkl_102.002
nicht Hölty's: Selig alle, die im Herrn entschliefen &c., pkl_102.003
und: Schwermuthvoll und dumpfig hallt Geläute &c.; pkl_102.004
so wie Matthisson's: Schweigend, in der Abenddämm'rung pkl_102.005
Schleier &c. und Tiedge's Elegie auf dem pkl_102.006
Schlachtfeld bei Kunersdorf? Zum Theil noch ausgezeichneter, pkl_102.007
wiewohl leider! nicht durchaus so bekannt pkl_102.008
ist das, was Klopstock, Herder, Schiller, Göthe, pkl_102.009
Schubart, A. W. Schlegel, W. v. Humboldt, pkl_102.010
Hölderlin, Jmmermann, Rückert, Matzerath pkl_102.011
u. a. im elegischen Fache geleistet haben. Auch pkl_102.012
mehrere der schönsten Gedichte Freiligrath's, z. B. pkl_102.013
„die Auswanderer,“ „Wär ich im Bann von Mekka's pkl_102.014
Thoren,“ „die Tanne,“ „die Bilderbibel,“ „Odysseus,“ pkl_102.015
„der ausgewanderte Dichter,“ „bei Grabbe's Tod,“ pkl_102.016
„ein Flecken am Rhein,“ — glauben wir, wenn auch pkl_102.017
nicht alle ganz unbedingt, den Elegien beizählen zu pkl_102.018
dürfen.
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Anmerkung. Wie überhaupt die Dichtungsarten, zumal pkl_102.020
die lyrischen, in der Praxis nicht all zu häufig ganz streng pkl_102.021
gesondert erscheinen, sondern oft mannichfaltig in einander überspielen pkl_102.022
und sich verschmelzen, so finden sich namentlich auch viele pkl_102.023
elegieähnliche Lieder oder liederartige Elegien, z. B. bei Lenau, pkl_102.024
Eichendorf, Heine &c.; desgleichen auch Oden, Hymnen, pkl_102.025
Rhapsodien, ja auch Romanzen, Balladen &c., welche der Elegie pkl_102.026
wenigstens sehr nahe verwandt sind. Wenn ein Gedicht pkl_102.027
nur wirklich schön ist, schöne Form mit schönem Jnhalt verbindet, pkl_102.028
so braucht der Dichter desselben sich nicht darum zu kümmern, pkl_102.029
in welche Klasse es gehöre, — er kann ruhig und pkl_102.030
unbesorgt zusehen, wenn die Theoretiker — sich die Köpfe pkl_102.031
darüber zerbrechen. Man darf mit ihm darüber eben so wenig pkl_102.032
rechten, als die Naturforscher mit dem lieben Gott, wenn etwa pkl_102.033
eine Pflanze nicht ins Linnée'sche System passen will.
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