Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

pkl_127.001
poetische Erzählung stellt eine einfache, dem gewöhnlichen pkl_127.002
Lebenskreise entnommene Begebenheit ernsten oder pkl_127.003
komischen Charakters dar. Große Verwickelung, Episoden pkl_127.004
(im gewöhnlichen Sinne des Worts), wie sie pkl_127.005
sich beim Epos finden, sind bei ihr nicht zulässig. Ferner: pkl_127.006
die geschickte Vorführung eines interessanten pkl_127.007
Faktischen ist bei ihr Hauptsache.
Sie will pkl_127.008
weder belehren, wie die Fabel und die Parabel; noch pkl_127.009
vorzugsweise das Gemüth ergreifen, wie die Ballade pkl_127.010
und Romanze. Deshalb ist ihr, außer etwa bei größerem pkl_127.011
Umfang, wo sie dem Epos sich nähert, auch lyrische pkl_127.012
Beimischung fremd, und sie eignet sich nicht für pkl_127.013
musikalische Komposition. Jhre Form ist metrisch und pkl_127.014
gereimt, wenigstens eins von beidem (das unterscheidet pkl_127.015
sie von der Novelle oder Novellette). Ein bestimmtes pkl_127.016
Metrum ist jedoch nicht vorgeschrieben, -- der Dichter pkl_127.017
hat freie Wahl. Auch strophische Abtheilung wird nicht pkl_127.018
verschmäht. Chamisso hat mit großem Erfolg sich pkl_127.019
der Terzinen bedient; Andere haben die Oktaverime, pkl_127.020
den Nibelungenvers, den Alexandriner, den fünffüßigen pkl_127.021
Jambus u. s. w. angewendet.

pkl_127.022

§. 187. Von den Dichtern poetischer Erzählungen pkl_127.023
verdienen besondere Erwähnung: Hans Sachs, pkl_127.024
Hagedorn, Kleist, Gellert, Gleim, Michaelis, pkl_127.025
Wieland, Lichtwer, Bürger, Pfeffel, Seume, pkl_127.026
Langbein, Kind, Kosegarten, Falk, Schwab, pkl_127.027
Waiblinger, Chamisso
&c.

pkl_127.028
IV. Die Legende.
pkl_127.029

§. 188. Mit dem Namen Legende bezeichnete pkl_127.030
die alte römisch-katholische Kirche ursprünglich ein Buch,

pkl_127.001
poetische Erzählung stellt eine einfache, dem gewöhnlichen pkl_127.002
Lebenskreise entnommene Begebenheit ernsten oder pkl_127.003
komischen Charakters dar. Große Verwickelung, Episoden pkl_127.004
(im gewöhnlichen Sinne des Worts), wie sie pkl_127.005
sich beim Epos finden, sind bei ihr nicht zulässig. Ferner: pkl_127.006
die geschickte Vorführung eines interessanten pkl_127.007
Faktischen ist bei ihr Hauptsache.
Sie will pkl_127.008
weder belehren, wie die Fabel und die Parabel; noch pkl_127.009
vorzugsweise das Gemüth ergreifen, wie die Ballade pkl_127.010
und Romanze. Deshalb ist ihr, außer etwa bei größerem pkl_127.011
Umfang, wo sie dem Epos sich nähert, auch lyrische pkl_127.012
Beimischung fremd, und sie eignet sich nicht für pkl_127.013
musikalische Komposition. Jhre Form ist metrisch und pkl_127.014
gereimt, wenigstens eins von beidem (das unterscheidet pkl_127.015
sie von der Novelle oder Novellette). Ein bestimmtes pkl_127.016
Metrum ist jedoch nicht vorgeschrieben, — der Dichter pkl_127.017
hat freie Wahl. Auch strophische Abtheilung wird nicht pkl_127.018
verschmäht. Chamisso hat mit großem Erfolg sich pkl_127.019
der Terzinen bedient; Andere haben die Oktaverime, pkl_127.020
den Nibelungenvers, den Alexandriner, den fünffüßigen pkl_127.021
Jambus u. s. w. angewendet.

pkl_127.022

§. 187. Von den Dichtern poetischer Erzählungen pkl_127.023
verdienen besondere Erwähnung: Hans Sachs, pkl_127.024
Hagedorn, Kleist, Gellert, Gleim, Michaelis, pkl_127.025
Wieland, Lichtwer, Bürger, Pfeffel, Seume, pkl_127.026
Langbein, Kind, Kosegarten, Falk, Schwab, pkl_127.027
Waiblinger, Chamisso
&c.

pkl_127.028
IV. Die Legende.
pkl_127.029

§. 188. Mit dem Namen Legende bezeichnete pkl_127.030
die alte römisch-katholische Kirche ursprünglich ein Buch,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0153" n="127"/><lb n="pkl_127.001"/>
poetische Erzählung stellt eine <hi rendition="#g">einfache,</hi> dem gewöhnlichen <lb n="pkl_127.002"/>
Lebenskreise entnommene Begebenheit ernsten oder <lb n="pkl_127.003"/>
komischen Charakters dar. Große Verwickelung, Episoden <lb n="pkl_127.004"/>
(im gewöhnlichen Sinne des Worts), wie sie <lb n="pkl_127.005"/>
sich beim Epos finden, sind bei ihr nicht zulässig. Ferner: <lb n="pkl_127.006"/>
die geschickte <hi rendition="#g">Vorführung eines interessanten <lb n="pkl_127.007"/>
Faktischen ist bei ihr Hauptsache.</hi> Sie will <lb n="pkl_127.008"/>
weder belehren, wie die Fabel und die Parabel; noch <lb n="pkl_127.009"/>
vorzugsweise das Gemüth ergreifen, wie die Ballade <lb n="pkl_127.010"/>
und Romanze. Deshalb ist ihr, außer etwa bei größerem <lb n="pkl_127.011"/>
Umfang, wo sie dem Epos sich nähert, auch lyrische <lb n="pkl_127.012"/>
Beimischung fremd, und sie eignet sich nicht für <lb n="pkl_127.013"/>
musikalische Komposition. <hi rendition="#g">Jhre Form</hi> ist metrisch und <lb n="pkl_127.014"/>
gereimt, wenigstens eins von beidem (das unterscheidet <lb n="pkl_127.015"/>
sie von der Novelle oder Novellette). Ein bestimmtes <lb n="pkl_127.016"/>
Metrum ist jedoch nicht vorgeschrieben, &#x2014; der Dichter <lb n="pkl_127.017"/>
hat freie Wahl. Auch strophische Abtheilung wird nicht <lb n="pkl_127.018"/>
verschmäht. <hi rendition="#g">Chamisso</hi> hat mit großem Erfolg sich <lb n="pkl_127.019"/>
der Terzinen bedient; Andere haben die Oktaverime, <lb n="pkl_127.020"/>
den Nibelungenvers, den Alexandriner, den fünffüßigen <lb n="pkl_127.021"/>
Jambus u. s. w. angewendet.</p>
              <lb n="pkl_127.022"/>
              <p>  §. 187. Von den Dichtern poetischer Erzählungen <lb n="pkl_127.023"/>
verdienen besondere Erwähnung: <hi rendition="#g">Hans Sachs, <lb n="pkl_127.024"/>
Hagedorn, Kleist, Gellert, Gleim, Michaelis, <lb n="pkl_127.025"/>
Wieland, Lichtwer, Bürger, Pfeffel, Seume, <lb n="pkl_127.026"/>
Langbein, Kind, Kosegarten, Falk, Schwab, <lb n="pkl_127.027"/>
Waiblinger, Chamisso</hi> &amp;c.</p>
              <lb n="pkl_127.028"/>
            </div>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">IV</hi>. <hi rendition="#g">Die Legende.</hi></hi> </head>
              <lb n="pkl_127.029"/>
              <p>  §. 188. Mit dem Namen <hi rendition="#g">Legende</hi> bezeichnete     <lb n="pkl_127.030"/>
die alte römisch-katholische Kirche ursprünglich ein Buch,
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0153] pkl_127.001 poetische Erzählung stellt eine einfache, dem gewöhnlichen pkl_127.002 Lebenskreise entnommene Begebenheit ernsten oder pkl_127.003 komischen Charakters dar. Große Verwickelung, Episoden pkl_127.004 (im gewöhnlichen Sinne des Worts), wie sie pkl_127.005 sich beim Epos finden, sind bei ihr nicht zulässig. Ferner: pkl_127.006 die geschickte Vorführung eines interessanten pkl_127.007 Faktischen ist bei ihr Hauptsache. Sie will pkl_127.008 weder belehren, wie die Fabel und die Parabel; noch pkl_127.009 vorzugsweise das Gemüth ergreifen, wie die Ballade pkl_127.010 und Romanze. Deshalb ist ihr, außer etwa bei größerem pkl_127.011 Umfang, wo sie dem Epos sich nähert, auch lyrische pkl_127.012 Beimischung fremd, und sie eignet sich nicht für pkl_127.013 musikalische Komposition. Jhre Form ist metrisch und pkl_127.014 gereimt, wenigstens eins von beidem (das unterscheidet pkl_127.015 sie von der Novelle oder Novellette). Ein bestimmtes pkl_127.016 Metrum ist jedoch nicht vorgeschrieben, — der Dichter pkl_127.017 hat freie Wahl. Auch strophische Abtheilung wird nicht pkl_127.018 verschmäht. Chamisso hat mit großem Erfolg sich pkl_127.019 der Terzinen bedient; Andere haben die Oktaverime, pkl_127.020 den Nibelungenvers, den Alexandriner, den fünffüßigen pkl_127.021 Jambus u. s. w. angewendet. pkl_127.022 §. 187. Von den Dichtern poetischer Erzählungen pkl_127.023 verdienen besondere Erwähnung: Hans Sachs, pkl_127.024 Hagedorn, Kleist, Gellert, Gleim, Michaelis, pkl_127.025 Wieland, Lichtwer, Bürger, Pfeffel, Seume, pkl_127.026 Langbein, Kind, Kosegarten, Falk, Schwab, pkl_127.027 Waiblinger, Chamisso &c. pkl_127.028 IV. Die Legende. pkl_127.029 §. 188. Mit dem Namen Legende bezeichnete pkl_127.030 die alte römisch-katholische Kirche ursprünglich ein Buch,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/153
Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/153>, abgerufen am 01.05.2024.