Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.
pkl_174.001 §. 236. Wenn das Lustspiel auch vorzugsweise pkl_174.029
pkl_174.001 §. 236. Wenn das Lustspiel auch vorzugsweise pkl_174.029 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0200" n="174"/><lb n="pkl_174.001"/> tung) in einer Weise kämpft, die Ergötzen <lb n="pkl_174.002"/> und Belustigung gewährt.</hi> — Das Lustspiel faßt <lb n="pkl_174.003"/> das Leben mehr von seiner <hi rendition="#g">sinnlichen,</hi> oberflächlichen, <lb n="pkl_174.004"/> irdischen Seite. An die Handlungen und die Charaktere, <lb n="pkl_174.005"/> die es vorführt, kann nur der <hi rendition="#g">reale</hi> Maaßstab des <lb n="pkl_174.006"/> <hi rendition="#g">Verstandes,</hi> nicht der <hi rendition="#g">ideale</hi> der <hi rendition="#g">Phantasie</hi> gelegt <lb n="pkl_174.007"/> werden. Alles in ihm muß das Gepräge der Wirklichkeit <lb n="pkl_174.008"/> tragen. Der <hi rendition="#g">Scherz</hi> und das <hi rendition="#g">Komische</hi> <lb n="pkl_174.009"/> bilden die Seele des Lustspiels. Was der Dichter seinen <lb n="pkl_174.010"/> Helden und die andern Personen reden und thun läßt, <lb n="pkl_174.011"/> kann als <hi rendition="#g">Schwäche</hi> und <hi rendition="#g">Thorheit,</hi> kann <hi rendition="#g">verkehrt</hi> <lb n="pkl_174.012"/> und <hi rendition="#g">ungereimt</hi> erscheinen, <hi rendition="#g">darf aber nie sittlichen <lb n="pkl_174.013"/> Unwillen erregen.</hi> Eben so sollen die widerlichen <lb n="pkl_174.014"/> Lagen und Verhältnisse, der <hi rendition="#g">Conflikt,</hi> in welchen <lb n="pkl_174.015"/> die Handelnden (namentlich der Held) gesetzt <lb n="pkl_174.016"/> werden, <hi rendition="#g">nie wahre Theilnahme erwecken.</hi> „Das <lb n="pkl_174.017"/> komische Unglück darf nichts anders sein, als eine am <lb n="pkl_174.018"/> Ende zu lösende Verlegenheit, es muß als eine lächerliche <lb n="pkl_174.019"/> Noth erscheinen, die keine ernstlichen Folgen haben <lb n="pkl_174.020"/> wird.“ (<hi rendition="#g">Schlegel.</hi>) Deshalb tritt auch an die Stelle <lb n="pkl_174.021"/> des <hi rendition="#g">ernsten Geschickes</hi> der <hi rendition="#g">neckende Zufall,</hi> und <lb n="pkl_174.022"/> es ist eine der Hauptaufgaben des Dichters, „die <lb n="pkl_174.023"/> Widersprüche, deren verwirrtes Spiel ergötzt hat, am <lb n="pkl_174.024"/> Ende geschickt bei Seite zu schieben; wenn er sie wirklich <lb n="pkl_174.025"/> ausgleicht, wenn die Thoren vernünftig, die <lb n="pkl_174.026"/> Schlechtgesinnten gebessert oder bestraft werden, so ist <lb n="pkl_174.027"/> es um den lustigen Eindruck geschehen.“</p> <lb n="pkl_174.028"/> <p> §. 236. Wenn das Lustspiel auch vorzugsweise <lb n="pkl_174.029"/> ergötzen, belustigen soll, so kann es doch auch höhere <lb n="pkl_174.030"/> Zwecke verfolgen. Das gute Lustspiel wird immer auch <lb n="pkl_174.031"/> <hi rendition="#g">sittlich</hi> wirken; nur wird es sich mehr auf dem Boden </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [174/0200]
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tung) in einer Weise kämpft, die Ergötzen pkl_174.002
und Belustigung gewährt. — Das Lustspiel faßt pkl_174.003
das Leben mehr von seiner sinnlichen, oberflächlichen, pkl_174.004
irdischen Seite. An die Handlungen und die Charaktere, pkl_174.005
die es vorführt, kann nur der reale Maaßstab des pkl_174.006
Verstandes, nicht der ideale der Phantasie gelegt pkl_174.007
werden. Alles in ihm muß das Gepräge der Wirklichkeit pkl_174.008
tragen. Der Scherz und das Komische pkl_174.009
bilden die Seele des Lustspiels. Was der Dichter seinen pkl_174.010
Helden und die andern Personen reden und thun läßt, pkl_174.011
kann als Schwäche und Thorheit, kann verkehrt pkl_174.012
und ungereimt erscheinen, darf aber nie sittlichen pkl_174.013
Unwillen erregen. Eben so sollen die widerlichen pkl_174.014
Lagen und Verhältnisse, der Conflikt, in welchen pkl_174.015
die Handelnden (namentlich der Held) gesetzt pkl_174.016
werden, nie wahre Theilnahme erwecken. „Das pkl_174.017
komische Unglück darf nichts anders sein, als eine am pkl_174.018
Ende zu lösende Verlegenheit, es muß als eine lächerliche pkl_174.019
Noth erscheinen, die keine ernstlichen Folgen haben pkl_174.020
wird.“ (Schlegel.) Deshalb tritt auch an die Stelle pkl_174.021
des ernsten Geschickes der neckende Zufall, und pkl_174.022
es ist eine der Hauptaufgaben des Dichters, „die pkl_174.023
Widersprüche, deren verwirrtes Spiel ergötzt hat, am pkl_174.024
Ende geschickt bei Seite zu schieben; wenn er sie wirklich pkl_174.025
ausgleicht, wenn die Thoren vernünftig, die pkl_174.026
Schlechtgesinnten gebessert oder bestraft werden, so ist pkl_174.027
es um den lustigen Eindruck geschehen.“
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§. 236. Wenn das Lustspiel auch vorzugsweise pkl_174.029
ergötzen, belustigen soll, so kann es doch auch höhere pkl_174.030
Zwecke verfolgen. Das gute Lustspiel wird immer auch pkl_174.031
sittlich wirken; nur wird es sich mehr auf dem Boden
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