Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810. Eginhardt. Danach habt ihr mich nicht gefragt. Rheingraf. Wie beantwortete sie den Brief? Eginhardt. Sie sey so gerührt, daß ihre Augen, wie, zwei Quellen, niederträufelten, und ihre Schrift ertränk- ten; -- die Sprache, an die sich wenden müsse, ihr Gefühl auszudrücken, sei ein Bettler. -- Er habe, auch ohne dieses Opfer, ein ewiges Recht an ihre Dank- barkeit, und es sei, wie mit einem Diamanten, in ihre Brust geschrieben; -- kurz, einen Brief voll dop- pelsinniger Fratzen, der, wie der Schillertaft, zwei Farben spielt, und weder ja sagt, noch nein. Rheingraf. Nun, Freunde; ihre Zauberei geht, mit diesem Kunststück zu Grabe! Mich betrog sie, und keinen mehr; die Reihe derer, die sie am Narrenseil geführt hat, schließt mit mir ab. -- Wo sind die beiden rei- tenden Boten? Friedrich (in die Thür rufend). He! Eginhardt. Danach habt ihr mich nicht gefragt. Rheingraf. Wie beantwortete ſie den Brief? Eginhardt. Sie ſey ſo gerührt, daß ihre Augen, wie, zwei Quellen, niederträufelten, und ihre Schrift ertränk- ten; — die Sprache, an die ſich wenden müſſe, ihr Gefühl auszudrücken, ſei ein Bettler. — Er habe, auch ohne dieſes Opfer, ein ewiges Recht an ihre Dank- barkeit, und es ſei, wie mit einem Diamanten, in ihre Bruſt geſchrieben; — kurz, einen Brief voll dop- pelſinniger Fratzen, der, wie der Schillertaft, zwei Farben ſpielt, und weder ja ſagt, noch nein. Rheingraf. Nun, Freunde; ihre Zauberei geht, mit dieſem Kunſtſtück zu Grabe! Mich betrog ſie, und keinen mehr; die Reihe derer, die ſie am Narrenſeil geführt hat, ſchließt mit mir ab. — Wo ſind die beiden rei- tenden Boten? Friedrich (in die Thür rufend). He! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0113" n="107"/> <sp who="#EGI"> <speaker><hi rendition="#g">Eginhardt</hi>.</speaker><lb/> <p>Danach habt ihr mich nicht gefragt.</p> </sp><lb/> <sp who="#RHEIN"> <speaker><hi rendition="#g">Rheingraf</hi>.</speaker><lb/> <p>Wie beantwortete ſie den Brief?</p> </sp><lb/> <sp who="#EGI"> <speaker><hi rendition="#g">Eginhardt</hi>.</speaker><lb/> <p>Sie ſey ſo gerührt, daß ihre Augen, wie, zwei<lb/> Quellen, niederträufelten, und ihre Schrift ertränk-<lb/> ten; — die Sprache, an die ſich wenden müſſe, ihr<lb/> Gefühl auszudrücken, ſei ein Bettler. — Er habe, auch<lb/> ohne dieſes Opfer, ein ewiges Recht an ihre Dank-<lb/> barkeit, und es ſei, wie mit einem Diamanten, in<lb/> ihre Bruſt geſchrieben; — kurz, einen Brief voll dop-<lb/> pelſinniger Fratzen, der, wie der Schillertaft, zwei<lb/> Farben ſpielt, und weder ja ſagt, noch nein.</p> </sp><lb/> <sp who="#RHEIN"> <speaker><hi rendition="#g">Rheingraf</hi>.</speaker><lb/> <p>Nun, Freunde; ihre Zauberei geht, mit dieſem<lb/> Kunſtſtück zu Grabe! Mich betrog ſie, und keinen<lb/> mehr; die Reihe derer, die ſie am Narrenſeil geführt<lb/> hat, ſchließt mit mir ab. — Wo ſind die beiden rei-<lb/> tenden Boten?</p> </sp><lb/> <sp who="#FRIED"> <speaker> <hi rendition="#g">Friedrich</hi> </speaker> <stage>(in die Thür rufend).</stage><lb/> <p>He!</p> </sp> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [107/0113]
Eginhardt.
Danach habt ihr mich nicht gefragt.
Rheingraf.
Wie beantwortete ſie den Brief?
Eginhardt.
Sie ſey ſo gerührt, daß ihre Augen, wie, zwei
Quellen, niederträufelten, und ihre Schrift ertränk-
ten; — die Sprache, an die ſich wenden müſſe, ihr
Gefühl auszudrücken, ſei ein Bettler. — Er habe, auch
ohne dieſes Opfer, ein ewiges Recht an ihre Dank-
barkeit, und es ſei, wie mit einem Diamanten, in
ihre Bruſt geſchrieben; — kurz, einen Brief voll dop-
pelſinniger Fratzen, der, wie der Schillertaft, zwei
Farben ſpielt, und weder ja ſagt, noch nein.
Rheingraf.
Nun, Freunde; ihre Zauberei geht, mit dieſem
Kunſtſtück zu Grabe! Mich betrog ſie, und keinen
mehr; die Reihe derer, die ſie am Narrenſeil geführt
hat, ſchließt mit mir ab. — Wo ſind die beiden rei-
tenden Boten?
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