Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810.
fähr eilf Uhr Abends sein, und der Jupiter ging eben, mit seinem funkelnden Licht, im Osten auf, als ich, vom Tanz sehr ermüdet, aus dem Schloßthor trat, um mich in dem Garten, der daran stößt, unerkannt, unter dem Volk, das ihn erfüllte, zu erlaben; und ein Stern, mild und kräftig, wie der, leuchtete, wie ich gar nicht zweifle, bei ihrer Empfängniß. Gertrud, so viel ich mich erinnere, hieß sie, mit der ich mich in einem, von dem Volk minder besuchten, Theil des Gartens, beim Schein verlöschender Lampen, während die Musik, fern von dem Tanzsaal her, in den Duft der Linden niedersäuselte, unterhielt; und Käthchens Mutter heißt Gertrud! Ich weiß, daß ich mir, als sie sehr weinte, ein Schaustück, mit dem Bildniß Pabst Leo's, von der Brust los machte, und es ihr, als ein Andenken von mir, den sie gleichfalls nicht kannte, in das Mieder steckte; und ein solches Schau- stück, wie ich eben vernehme, besitzt das Käthchen von Heilbronn! O Himmel! Die Welt wankt aus ihren Fugen! Wenn der Graf vom Strahl, dieser Vertraute der Auserwählten, von der Buhlerin, an die er ge- knüpft ist, loslassen kann: so werd' ich die Verkündi- gung wahrmachen, den Theobald, unter welchem Vor- wand es sei, bewegen müssen, daß er mir dies Kind abtrete, und sie mit ihm verheirathen müssen: will ich nicht wagen, daß der Cherub zum zweitenmal zur Erde
fähr eilf Uhr Abends ſein, und der Jupiter ging eben, mit ſeinem funkelnden Licht, im Oſten auf, als ich, vom Tanz ſehr ermüdet, aus dem Schloßthor trat, um mich in dem Garten, der daran ſtößt, unerkannt, unter dem Volk, das ihn erfüllte, zu erlaben; und ein Stern, mild und kräftig, wie der, leuchtete, wie ich gar nicht zweifle, bei ihrer Empfängniß. Gertrud, ſo viel ich mich erinnere, hieß ſie, mit der ich mich in einem, von dem Volk minder beſuchten, Theil des Gartens, beim Schein verlöſchender Lampen, während die Muſik, fern von dem Tanzſaal her, in den Duft der Linden niederſäuſelte, unterhielt; und Käthchens Mutter heißt Gertrud! Ich weiß, daß ich mir, als ſie ſehr weinte, ein Schauſtück, mit dem Bildniß Pabſt Leo's, von der Bruſt los machte, und es ihr, als ein Andenken von mir, den ſie gleichfalls nicht kannte, in das Mieder ſteckte; und ein ſolches Schau- ſtück, wie ich eben vernehme, beſitzt das Käthchen von Heilbronn! O Himmel! Die Welt wankt aus ihren Fugen! Wenn der Graf vom Strahl, dieſer Vertraute der Auserwählten, von der Buhlerin, an die er ge- knüpft iſt, loslaſſen kann: ſo werd' ich die Verkündi- gung wahrmachen, den Theobald, unter welchem Vor- wand es ſei, bewegen müſſen, daß er mir dies Kind abtrete, und ſie mit ihm verheirathen müſſen: will ich nicht wagen, daß der Cherub zum zweitenmal zur Erde
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mit ſeinem funkelnden Licht, im Oſten auf, als ich,
vom Tanz ſehr ermüdet, aus dem Schloßthor trat,
um mich in dem Garten, der daran ſtößt, unerkannt,
unter dem Volk, das ihn erfüllte, zu erlaben; und
ein Stern, mild und kräftig, wie der, leuchtete, wie
ich gar nicht zweifle, bei ihrer Empfängniß. Gertrud,
ſo viel ich mich erinnere, hieß ſie, mit der ich mich
in einem, von dem Volk minder beſuchten, Theil des
Gartens, beim Schein verlöſchender Lampen, während
die Muſik, fern von dem Tanzſaal her, in den Duft
der Linden niederſäuſelte, unterhielt; und Käthchens
Mutter heißt Gertrud! Ich weiß, daß ich mir, als
ſie ſehr weinte, ein Schauſtück, mit dem Bildniß
Pabſt Leo's, von der Bruſt los machte, und es ihr,
als ein Andenken von mir, den ſie gleichfalls nicht
kannte, in das Mieder ſteckte; und ein ſolches Schau-
ſtück, wie ich eben vernehme, beſitzt das Käthchen von
Heilbronn! O Himmel! Die Welt wankt aus ihren
Fugen! Wenn der Graf vom Strahl, dieſer Vertraute
der Auserwählten, von der Buhlerin, an die er ge-
knüpft iſt, loslaſſen kann: ſo werd' ich die Verkündi-
gung wahrmachen, den Theobald, unter welchem Vor-
wand es ſei, bewegen müſſen, daß er mir dies Kind
abtrete, und ſie mit ihm verheirathen müſſen: will
ich nicht wagen, daß der Cherub zum zweitenmal zur
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